Fabrikautomation Brücke zwischen IT und Automatisierung

Bild: styf22styf22; Softing
23.04.2014

Die vernetzte Fabrik der Zukunft ist in aller Munde. Peter Seeberg, Market Segment Manager Factory Automation bei Softing, nimmt Stellung zur Vision der vollautomatisierten Fabrik und der Brücke dorthin mittels Cyber-Physischen-Systemen.

Im Jahr 1965 prophezeite Gordon Moore, dass sich die Anzahl an Transistoren pro Flächeneinheit auf einem Computerchip alle 12 Monate (später korrigiert auf 24 Monate) verdoppeln werde. Seit fast 50 Jahren beobachten wir entlang des Mooreschen Gesetzes eine Miniaturisierung und Verbreitung von Elektronik in alle Lebensbereiche. Aus Handys sind Smartphones geworden, Häuser und Autos sind dabei smart zu werden, und bald werden sich – vom Konsumenten am Bildschirm kreierte – smarte Produkte selbst herstellen, indem sie ihren eigenen Weg durch die smarte Fabrik finden. Die Internet Protocol Version 6 (IPv6) als Nachfolger von IPv4 vergrößert den bisher verfügbaren Adressraum von etwa einer auf 1029 Adressen pro Kopf der Weltbevölkerung und ermöglicht somit das Internet of Things sowie seine industrielle Ausprägung als Industrie 4.0. In Zukunft wird alles mit allem kommunizieren: der Milchkarton meldet dem Kühlschrank und dem Smartphone Füllmenge, Herstellungsdatum, Name der Kuh sowie Protein- und Fettgehalt. Der Kühlschrank kommuniziert mit dem Smartphone seines Besitzers, aber auch direkt mit dem Lieferanten der ausgehenden Milch: Möglich macht dies die von Moore vorausgesagte Miniaturisierung von Halbleiter-Chips und die damit einhergehende Verteilung von Intelligenz.

Losgröße Eins ermöglichen

Seit vielen Jahren steigt die Automatisierungstiefe im Produktionsprozess. In Europa werden qualifizierte Arbeiter zunehmend durch voll automatisierte Maschinen und Roboter ersetzt. Gleichzeitig verlieren die asiatischen Länder mit steigendem Lebensstandard ihren Produktionsvorteil, der bisher von der Verfügbarkeit billiger Arbeitskräfte vor Ort abhing. Wenn ein Konsument heute seinen selbst gestalteten Schuh bestellt, dann erfolgt die Produktion – als CAD Zeichnung nach Asien übermittelt – vielleicht am gleichen Tag. Auf die Lieferung muss er aber vier bis sechs Wochen warten – die Dauer einer Schiffsfracht nach Europa. In Zukunft wird die Produktion in kleineren, intelligenten Fabriken in der Nähe des Konsumenten erfolgen. Und was der Kunde an einem Tag bestellt, wird am nächsten Tag geliefert. Mit dem Klick auf den Bestellknopf erfolgt die digitale Geburt und darauffolgend die Entscheidung, in welcher auf Losgröße Eins ausgerichteten Fabrik produziert wird. Mit der Speicherung der bis dahin nur virtuell vorhandenen Daten, beispielsweise auf einem RFID-Chip, erfolgt die physische Geburt. Der Chip wird ab diesem Moment nicht nur den Produktionsprozess steuern sondern auch die digitale Durchgängigkeit des Engineerings über die gesamte Wertschöpfungskette ermöglichen; neben horizontaler und vertikaler Integration eines der drei Charakteristika von Industrie 4.0.

Integration mittels CPS

Physische Systeme werden mittels Sensoren, Steuerungen, und Aktoren mit der virtuellen Welt zu Cyber-Physischen-Systemen verknüpft. Nach Mechanisierung, Elektrifizierung und Informatisierung soll jetzt die vierte industrielle (R)Evolution über den Einzug des Internets der Dinge und Dienste in die Fabrik stattfinden. Dabei ist Industrie 4.0 eine von der deutschen Wissenschaft (Arbeitskreis Industrie 4.0 der acatech Deutsche Akademie der Technikwissenschaften) vorgeschlagene und von der Politik unterstützte Vision, die Position von Deutschland als Industriestandort sowie als führendem Fabrikausrüster weltweit auszubauen. Der im April 2013 veröffentlichte Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0 entwirft ein Szenario von neu entstehenden Smart Factories, in denen intelligente Produkte ihre Historie, ihren aktuellen Zustand sowie alternative Wege zum Zielzustand kennen. Vernetzte Maschinen tauschen in diesem Konzept als CPS eigenständig Informationen aus und steuern sich gegenseitig. Dabei sind sie vertikal mit betriebswirtschaftlichen Prozessen und horizontal zu verteilten Netzwerken verknüpft – von der Bestellung bis zur Ausgangslogistik.

OPC UA als Brücke

Auch ohne die Vision Industrie 4.0 würde sich die IT immer stärker in Richtung Industrie sowie in alle anderen Lebensbereiche hinein bewegen. Industrie 4.0 baut auf das Zusammengehen von IT und industrieller Automatisierung auf. In einer Smart Factory werden Produktionsmodule, die sich je nach Bedarf in Quantität und Qualität unterscheiden, auf Basis eines von Plug and Play abgeleiteten Plug and Produce Modells bereitgestellt. Die klassische Automatisierungspyramide mit zentraler SPS wird durch ein OPC UA-basiertes CPS-Netzwerk ersetzt. Die neue Demoanlage der Smart Factory auf der diesjährigen HMI ist entlang eines solchen Funktionsprinzip konzipiert, wobei jedes Modul den Austausch durch die Bereitstellung eines OPC-UA-Server oder -Client ermöglicht. Als bereits heute weltweit etablierter Standard mit der impliziten Fähigkeit der Erweiterbarkeit, wird OPC UA im Zuge seiner Weiterentwicklung die Annäherung von IT und Automatisierung vorantreiben und somit immer mehr Industrie 4.0-Teilbereiche zusammenbringen. In einer Umfrage der Plattform Industrie 4.0 nannten die Mitglieder von Bitkom, VDMA und ZVEI die Standardisierung als größte Herausforderung zur Umsetzung von Industrie 4.0. OPC UA ist ein IEC-Standard und wurde vom VDE in die Normungsroadmap Industrie 4.0 aufgenommen. OPC UA baut auf allgemein anerkannten Sicherheitsstandards auf und ermöglicht einen betriebssystem- und herstellerübergreifenden Datenaustausch zwischen Produkten unterschiedlicher Hersteller. Er besteht aus Spezifikationen, die in enger Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Anwendern, Forschungsinstituten und Konsortien entstanden sind.

Die OPC Foundation hat sich intensiv mit den Anforderungen der Industrie 4.0 und deren Umsetzung mit Hilfe von OPC UA auseinandergesetzt. Die breite Zustimmung von Vertretern aus Forschung, Industrie und Verbänden zeigt, dass OPC UA eine Schlüsseltechnik als Daten- und Informationsaustausch-Standard für die Vision Industrie 4.0 ist.

Bildergalerie

  • "Auch ohne die Vision Industrie 4.0 würde sich die IT immer stärker in Richtung Industrie sowie in alle anderen Lebensbereiche hinein bewegen."  Peter Seeberg, Softing

    "Auch ohne die Vision Industrie 4.0 würde sich die IT immer stärker in Richtung Industrie sowie in alle anderen Lebensbereiche hinein bewegen." Peter Seeberg, Softing

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel