Ob kunstvolle Kerzenhalter, filigrane Schmuckstücke oder exotische Blumentöpfe: Wer einen 3D-Drucker besitzt, kann ganz individuell gestaltete Objekte auf relativ einfache Weise produzieren. Die dafür nötigen digitalen Druckvorlagen finden sich im Internet – zum Beispiel auf der Webseite von Thingiverse. Dort trifft sich eine offene 3D-Online-Community mit mehr als zwei Millionen Nutzern. Wie entstehen all die Designs, die auf Thingiverse zu finden sind? Das haben sich vier Forscher aus den Wirtschaftswissenschaften gefragt: Sie untersuchten, wie die Nutzer der Plattform existierende Designs wiederverwenden und daraus neue erstellen – ein Kreativitätsprozess, dessen Ergebnis als „Remix“ bezeichnet wird.
Remixen ist bei Nennung der Quelle erlaubt
Das Konzept von Thingiverse hat den Forschern die Arbeit erleichtert: Alle Designs dort stehen unter einen offenen Lizenz. Wer etwas remixen will, darf das tun, muss aber die Quelle angeben. So lässt sich sehr schön nachvollziehen, wie die Nutzer der Plattform Dinge rekombinieren und daraus Neues schaffen. Ihre Ergebnisse haben die Professoren Christoph Flath und Frédéric Thiesse von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), ihr ehemaliger Doktorand Marco Wirth, der inzwischen bei der Firmengruppe Knauf tätig ist, und Sascha Friesike, früher Professor an der JMU, jetzt an der Vrije Universität Amsterdam, im „Journal of Information Technology“ veröffentlicht. Die Arbeit ist öffentlich zugänglich.
In ihrem Artikel zeigen die Forscher zuerst die Größenordnung des Phänomens auf: „Das Remixen ist die Grundlage für die Hälfte aller Designs auf Thingiverse“, sagt Christoph Flath. Insgesamt sind auf der Plattform mehr als 1,6 Millionen Designs zu finden. Die Möglichkeit, die Werke anderer Nutzer frei verwenden und kreativ abwandeln zu können, dürfte seiner Einschätzung nach wesentlich zur Popularität von Thingiverse beitragen.
Kreativität der Nutzer folgt grundlegenden Mustern
Die Forscher identifizierten dabei acht grundlegende Muster des Remixing-Prozesses. So werden häufig zwei Designs zu einem neuen vermischt. Ebenfalls beliebt ist es, ein Objekt zu kreieren, das Elemente mehrerer anderer in sich vereint. Oder: Verschiedene Nutzer schaffen unabhängig voneinander aus ein- und derselben Vorlage mehrere Designs, die sich stark ähneln.
„In wissen wir seit langem, dass die meisten Ideen auf bestehendes Wissen zurückgreifen“, erklärt Sascha Friesike. Allerdings habe man das bislang nur an Einzelfällen zeigen können und nicht in einer Studie, die sehr viele Fälle umfasst. Insofern haben die Forscher Pionierarbeit geleistet. „Die acht grundlegenden Muster für das Entstehen von Innovationen sollten nicht nur für Designs im 3D-Druck gültig sein, sondern auch in anderen Wirtschaftsbereichen“, meint Marco Wirth.
Zwei klar getrennte Designergruppen identifiziert
Mit den Nutzern von Thingiverse haben sich die Forscher ebenfalls befasst – und entdeckt, dass die Designer klar in zwei Lager fallen. Es gibt solche, für die das Remixen ein ganz selbstverständlicher Teil ihres kreativen Prozesses ist. Und es gibt andere, die nie remixen, sondern etwas Eigenes schaffen wollen. Dazwischen gibt es kaum jemanden.
Alles in allem vermitteln die Forscher interessante Blicke hinter die Kulissen von Thingiverse. Sie zeigen, wie eine offene Online-Community davon profitiert, dass ihre Nutzer aufeinander aufbauen können, und wie viel kreatives Potential in einem offenen Umgang mit Wissen steckt. „Thingiverse hat auch deshalb so viele gute Designs, weil Kreative sich gegenseitig inspirieren und nicht zuerst klären müssen, was sie verwenden dürfen und was nicht“, meint Friesike.