Continental entwickelt derzeit in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Unternehmen Leia aus dem kalifornischen Silicon Valley eine neuartige Cockpit-Lösung: das Natural 3D Lightfield Instrument Cluster. Damit soll die dritte Dimension in künftige Fahrzeuge Einzug halten.
Mensch-Maschine-Dialog im Fahrzeug verbessern
„Eine der größten Herausforderungen in der Automobilindustrie ist heute, intelligente Konzepte für die Mensch-Maschine-Interaktion zu entwickeln. Lösungen, die das Fahrerlebnis aufwerten und die den Fahrer einfach und effektiv mit seinem Fahrzeug interagieren lassen – ohne ihn dabei vom Verkehrsgeschehen abzulenken“, erklärt Dr. Frank Rabe, Leiter des Geschäftsbereichs Instrumentation & Driver HMI bei Continental.
Das Lightfield-Display schaffe dabei eine neue Dimension an Komfort und Sicherheit im Automobil. Fahrzeughersteller erhalten zugleich die Möglichkeit, das Fahrerlebnis für ihre Kunden aufzuwerten und sich mit individuellen Gestaltungsmöglichkeiten vom Wettbewerb zu differenzieren. Bis 2022 soll das neue System serienreif sein.
In der Entwicklung hin zum autonomen Fahren bekommt der Nutzer immer mehr Freiraum für andere Tätigkeiten neben der eigentlichen Fahraufgabe. So wird er etwa Videogespräche führen, im Internet surfen oder Filme anschauen können. „Für uns ist der Pkw eine größere, immersivere Version eines Smartphones mit voller Erfassung der Umgebung in 3D. Somit ist die Umsetzung unseres wachsenden Lightfield-Ökosystems mit Virtual-Reality-Gaming, Video-Streaming, Social-Sharing oder sogar E-Commerce im Fahrzeug eine logische Konsequenz“, sagt David Fattal, Mitgründer und CEO von Leia.
Die Visualisierung von Content auf einem breiten Display, das speziell für Fahrzeuge entwickelt wurde, wird wesentlich raffinierter und unterhaltsamer sein als auf dem Smartphone. Außerdem ermöglicht die neue Technologie, interne oder externe Kamerasysteme für Videoanrufe oder Augmented-Reality-Funktionen zu nutzen. All diese Optionen sollen im Rahmen der Kooperation zwischen Continental und Leia ausgeschöpft werden.
Bild für alle Mitfahrer sichtbar
Die Lightfield-Technologie von Leia, die Continental in seinem 3D-Display einsetzt, benötigt keine Head-Tracker-Kamera. Darüber hinaus können erstmals auch die Mitfahrer auf dem Beifahrersitz und auf den Rücksitzen das gleiche 3D-Bild von ihren Sitzpositionen erleben.
Von früheren 3D-Verfahren hebt sich das neue System auch dadurch ab, dass sich das 3D-Bild des Lightfield-Displays aus insgesamt acht Perspektiven des gleichen Objekts zusammensetzt, die je nach Blickposition leicht variieren können. So „wandert“ der Blick auf das Lightfield-Display mit jeder Veränderung des Blickwinkels des Betrachters.
„Mit unserem Lightfield-Display erreichen wir ein vollkommen neues Niveau der 3D-Bilddarstellung“, sagt Kai Hohmann, Product Manager Display Solutions bei Continental. „Entscheidend für die Qualität ist der neu entwickelte Lichtleiter mit Nanostrukturen. Wir brechen das Licht nicht, wir beugen es und lenken es so exakt dahin, wo es für den optimalen 3D-Effekt benötigt wird. Nur mit dieser Technologie wird es möglich sein, den steigenden Anforderungen an Komfort und Sicherheit im Fahrzeuginnenraum gerecht zu werden.“
Vergleich zu anderen 3D-Technologien
Continental passt die Technologie von Leia nun für den Einsatz in Fahrzeugen an. Bis vor Kurzem kamen entweder Parallaxbarrieren oder Lentikulartechniken zum Einsatz, um einen brillenlosen 3D-Effekt zu realisieren. Dabei wurde die 3D-Wirkung durch eine spezielle Methode der Blockierung oder Brechung von Licht erzielt.
Insbesondere die Systeme mit Parallaxbarriere bieten jedoch nur Anwendungen für einen einzelnen Nutzer, weil ein Head-Tracker-System erforderlich ist, um die 3D-Ansichten auf die exakte Kopfposition des Betrachters einzustellen. Bei Anwendungen für mehrere Nutzer, also auch Beifahrer und Passagiere auf den Rücksitzen, können sich diese Systeme außerdem negativ auf die wahrgenommene Bildqualität und die Effektivität der Lichtausbeute auswirken, ähnlich wie bei einem Filter.
Für die Automobilindustrie ist bei der Anzeige von Informationen aber höchste Qualität von entscheidender Bedeutung. Die neue 3D-Lightfield-Anwendung bietet deshalb einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen 3D-Displays und soll einen kristallklaren Bildschirm gewährleisten, auch bei direkter Sonneneinstrahlung.
Vom Smartphone ins Automobil
Die Qualität der Auflösung wird mithilfe von Diffractive Lightfield Backlighting (DLB) von Leia erreicht. Dabei handelt es sich um eine Technologie, bei der ein Lichtleiter mit Beugungsgittern und Nanostrukturen unter dem Display-Panel für eine präzise Beugung des Lichtes sorgt – und so für einen natürlichen 3D-Effekt. Dieses Lichtleitermodul lässt sich einfach in viele handelsübliche Displays integrieren.
Das Nanofertigungsverfahren von Leia ist für die Großserien- und Massenproduktion einsetzbar und konnte im vergangenen Jahr auf den Markt gebracht werden. „Wir haben fortschrittliche Lithografie auf einem großvolumigen Substrat mit hoher Ausbeute und wettbewerbsfähigen Kosten verknüpft und uns dabei auf Erfahrungen von HP und Erkenntnisse aus der kontinuierlichen internen Weiterentwicklung über die letzten fünf Jahre gestützt“, erklärt Zhen Peng, Mitgründer und CTO von Leia. „Jetzt werden wir diese einzigartige Fähigkeit auf ein noch größeres Volumen ausdehnen und dabei die Sicherheitsstandards der Automobilindustrie einhalten und zugleich auch wettbewerbsfähige Kosten ermöglichen.“
Die Lightfield-Technologie von Leia hatte ihr Marktdebüt in den USA bei Smartphone-Displays in Kooperation mit AT&T und Verizon. Die Verbraucher können dort bereits Gaming, Filme, Augmented Reality und das Teilen von Bildern in der neuartigen 3D-Qualität genießen. Das Lightfield-Erlebnis besteht aus dem Lightfield-Display und einem umfangreichen Angebot an Automobilanwendungen, die künftig von Continental bereitgestellt werden.
Nicht wie im Kino
Die Partnerschaft geht über die Hardware hinaus, denn die beiden Unternehmen arbeiten auch bei der Content-Erzeugung und dem Entwickler-Support zusammen. Leia bietet aktuell ein Kreativ-Toolkit an, um Inhalte in das Lightfield-Format umzuwandeln oder in diesem Format zu erstellen, wobei automatische Einstellungen den visuellen Komfort gewährleisten.
Für die Lightfield-Projektion des neuen Displays bieten sich viele Anwendungsmöglichkeiten. So werden Warnungen der Fahrerassistenzsysteme in 3D veranschaulicht, Richtungsangaben vom Navigationssystem können noch klarer dargestellt werden, die grafische Darstellung der Einparkhilfe – wie beispielsweise der Assistent mit 360-Grad-Vogelperspektive – wird in 3D zum echten Hingucker. Und die Begrüßung durch das Fahrzeugsystem kann mithilfe von 3D-Animationen aufgewertet werden, wenn sich etwa im Cockpit das Herstellerlogo in 3D dreht.
„Dabei ist wichtig anzumerken: Die 3D-Animationen unseres neuen Displays fliegen nicht durchs Auto wie im Kino“, erklärt Hohmann. „Wir arbeiten mit der grafischen Tiefe nach hinten und lassen alle 3D-Objekte maximal 5 cm aus dem Bild heraustreten. Das ist für das Auge entspannter, der Fahrer wird in keinem Falle irritiert.“
Holografische Apps fürs Auto
Bei der Kooperation soll das Know-how von Continental im Bereich von Informationssystemen und Sensoren genutzt werden, um die Content-Plattform LeiaLoft von Leia zu augmentieren. Dies soll es den Autoherstellern und externen Entwicklern ermöglichen, auf einfache Weise holografische Apps für das Fahrzeug von morgen zu kreieren.
Mit dem Automotive Software Development Kit (SDK) haben Entwickler Zugang zum Innenraum und zur externen Umgebung des Fahrzeugs in voller 3D-Qualität. Dadurch sind vielfältige Anwendungen von der holografischen Navigation über die Einparkhilfe bis zur Augmented Reality auf dem digitalen Cluster oder zentralen Informationsdisplay möglich.
„Wir freuen uns sehr darauf, unsere Lightfield-Plattform für die Automobilindustrie anzupassen. Indem wir bestimmte Sensordaten etwa von Lidar oder Kameras nutzen, werden wir Premium-Anwendungen bereitstellen und gleichzeitig das Mobilfunk-Ökosystem ins Automobil bringen, um das Fahrererlebnis zu optimieren“, sagt Pierre-Emmanuel Evreux, Mitgründer und President von Leia.
Continental hat das Natural 3D Instrument Cluster erstmals auf der CES Asia in Shanghai, China, vom 11. bis zum 13. Juni 2019 vorgestellt.