Verantwortlich dafür ist aber eigentlich ein großes, weltweit agierendes Chemieunternehmen, das auf Knick zukam und von einem möglichen Problem berichtete: Die Forderung des Kunden war die nach einem Temperaturmessumformer, der den Hochspannungsbereich sicher abdeckt, also mit hoher Spannungsfestigkeit Temperatur messen kann.
Selbst wenn Hochspannungsmotoren, die in der Prozessindustrie vor allem bei Pumpen-, Lüfter- und Verdichter-Anwendungen, aber auch in Kraftwerken oder im Bahnbetrieb, zum Einsatz kommen, über Jahre und Jahrzehnte zuverlässig arbeiten, bleibt ein Restrisiko. Denn die Isolation, die zwar durch eine Hochspannungsprüfung verifiziert ist, unterliegt, beispielsweise durch die Thermik und die Vibrationen des Motors, einem Verschleiß. Schwachstelle im Verlauf dieses jahrzehntelangen Prozesses ist nicht der Temperaturmessumformer, sondern eher der Motor.
Hinzu kommen Spannungsspitzen von Umrichtern sowie Überspannungen aus dem Versorgungsnetz und kapazitive Kopplungen, die dazu führen, dass der Temperaturmessumformer auch im ungestörten Betrieb mit Spannung belastet wird. „Man weiß einfach, dass bei Motoren irgendwann die Isolation versagt. Man kann in regelmäßigen Abständen den Motor überprüfen, wird aber nicht den Moment erwischen, in dem er versagen wird“, erklärt Holger Blaak, Produktmanager und Elektronikingenieur für die Interface-Produkte bei Knick.
Seltene Gefahr, aber hohes Risiko
Im schlimmsten Fall, dann nämlich, wenn die Isolation versagt, wird die hohe Spannung über die Kupferleitung des Temperatursensors nach außen geleitet. Dann sind sowohl der laufende Prozess als auch die Anlage gefährdet – und nicht zuletzt der Arbeiter, der sie bedient. Insgesamt deckt der Temperaturmessumformer somit einen vergleichsweise seltenen Fall ab, aber ein Risiko, dessen Auswirkungen gravierend sein können. „Die Gefahr für die Anlage hängt natürlich davon ab, was die Anlage genau tut. In einem chemischen Prozess, der auf Kühlung setzt und in der dann die Kühlung versagt, können die Schäden immens sein“, skizziert Blaak eine Risikoeinschätzung. „Auf der anderen Seite ist nicht bei Versagen der Isolation nicht nur der Motor kaputt, sondern auch die dazugehörige Steuerung. Und da die Steuerung nicht entsprechend isoliert ist, ist auch der Arbeiter am Bedienpult akut gefährdet.“
Allzu häufig komme das nicht vor, räumt der Produktmanager ein. Aber gerade größere Unternehmen hätten diese Fälle durchaus schon erlebt und würden daher handeln. „Diese geringe Wahrscheinlichkeit reichte dem Kunden, der uns hierzu inspiriert hat, nicht“, erklärt Blaak. „Der Kunde forderte konkret, man müsse das Personal noch besser schützen.“
Konkreter Bedarf führt zu Produkt
Eine spannende Herausforderung für die Ingenieure bei Knick. „Die Herausforderung bestand vor allem darin, mit vertretbarem Aufwand auf vertretbarem Raum ein besonders robustes Produkt hinzubekommen, das so genau wie möglich arbeitet“, fasst Blaak zusammen. Schließlich verfügt das Unternehmen nicht nur über 60 Jahre Erfahrungen in der Entwicklung von Messwandlern für anspruchsvolle Anwendungen, sondern hat mit der Analysetechnik ein mindestens ebenso wichtiges zweites Standbein. Die Produkte der Berliner werden wegen der robusten galvanischen Trennung, ihrer hohen Präzision und Zuverlässigkeit auch in Umfeldern eingesetzt, bei denen es auf höchste Ausfallsicherheit ankommt.
Herausgekommen ist der Pro Line P44000, ein Messumformer mit bis zu 6,6 kV Isolation, der für 2-, 3- oder 4-Leiteranschluss geeignet ist und das Signal von Pt100-Nutenthermometern verarbeitet. Das Gerät arbeitet am Ausgang mit dem bewährten analogen 4…20-mA-Signal, das, je nach gewählter Messumformervariante auf 0…150, 0…200 oder 0…300 °C eingerichtet ist. Die Kunden können so (übrigens preisgleich) das passende Produkt für ihre Aufgabe beziehen.
Dass der Messumformer in unterschiedlichen Varianten und nicht mit einem Schalter zum Justieren der Temperaturbereiche ausgestattet ist, hängt damit zusammen, dass ein Schalter hier isolationstechnisch nicht realisierbar war. Und auch ein 0…20 mA-Signal wäre hier aus Sicherheitsgründen nicht günstig gewesen, weil es sich um ein sicherheitskritisches Signal handelt, bei dem gewährleistet sein muss, dass auffällt, wenn das Signal nicht mehr anliegt.
Auch dass das bewährte Analogsignal zum Einsatz kommt, hat seinen Grund. Digitale Technik ist in diesem Fall nach den Worten von Holger Blaak auch seitens der Unternehmen nicht gefragt, weil ein Großteil der Anlagen noch mit analogen Mitteln arbeitet und sich aus der Digitaltechnik auch kein Mehrwert ergeben würde, da man ja lediglich gezielt eine bestimmte Grenze überwachen will.
Robustes Produkt für raue Umgebung
Mitgeredet hat das beteiligte Chemieunternehmen auch bei den Klimaanforderungen und bei den Genauigkeitsanforderungen. Der P44000 arbeitet mit einer Fehlertoleranz von +/- 1 K (typischerweise 0,5 K) und einer kurzen T90-Verzögerungszeit von 100 ms. Dass der hier vorgestellte Messumformer vergleichsweise groß und schwer ist, hat seine Gründe: Denn zum einen legt Knick speziell hier darauf Wert, dass das Gerät dank Vakuum-Vollverguss besonders gut isoliert sowohl bei -40 als auch bei +85°C fehlerfrei arbeitet. „Zum anderen mussten wir uns Gedanken machen, wie wir die hohe Spannung zwischen dem Ein- und Ausgang beherrschen. Das geht nur, wenn die Kontakte möglichst weit auseinander liegen und Abstand für Luft und Kriechstrecken vorhanden ist, was die Größe dieses Messumformers erklärt.“ Neben der Variante in 67,5 mm Gehäusebreite, die für Motoren bis 11 kV Nennspannung ausreicht, steht auch eine Variante für kleinere Motoren bis 3 kV zur Verfügung, die mit 7,5 kV geprüft wird und deren Gehäuse mit 23,5 mm deutlich kleiner ist.
Wenig vielseitig, aber robust für die Aufgabe
Um auch auf dem weltweiten Markt, insbesondere in den USA, bestehen zu können, hat Knick den P44000 – ebenso wie andere Produkte – durch UL, ein unabhängiges US-Unternehmen für Sicherheitszertifizierungen, begutachten, prüfen und zertifizieren lassen. „Anders als in Deutschland hat in den USA die Normeneinhaltung Gesetzescharakter. Das Unternehmen wäre also im Fall eines Unfalls in einer deutlich schlechteren Position als hierzulande.“ Geprüft wurde nicht nur die elektrische Festigkeit für 6,6 kV Nominalspannung und 33 kV Transientenfestigkeit, sondern auch der Brandschutz.
Knick hat damit einen besonders robusten Messumformer mit einem Alleinstellungsmerkmal am Markt, auch wenn man nicht der erste ist, der sich über die Kombination aus Hochspannung und Temperaturmessung Gedanken macht. „Es gibt tatsächlich schon Lichtleitertemperatursensoren, die sich aber nicht für einen Hochspannungsmotor eignen würden“, erklärt Blaak. Gleichzeitig komme dem Unternehmen aber auch eine etwas undankbare Rolle zu, da man ein Produkt an den Mann bringen will, das ein Problem löst, von dem viele Unternehmen gar nicht einmal wissen, dass sie es haben.
Als eine wichtige Aufgabe sieht man bei Knick daher auch die Beratung. „Es geht häufig auch darum, die richtigen Informationen zum Kunden zu bringen – sachliche Information und Angebote von Lösungen“, erklärt Blaak. Dabei sei die Beratung, soweit sie den Einsatz des eigentlichen Produkts betrifft, eine Dienstleistung, die (übrigens ohne Extrakosten) dazugehört. „Viele unserer Kunden wissen schon sehr genau, was sie benötigen, aber bei manchen ist es schon erforderlich, dass wir ihnen zusätzlich zu ihrem Produktionswissen das spezielle elektrotechnische Know-how vermitteln.“
Sicherheit spielt immer größere Rolle
Gleichzeitig ist das Produkt für Knick erst der Anfang einer längerfristigen Produktevolution. Wie Blaak berichtet, denkt der Berliner Messtechnikspezialist bereits über weitere Varianten nach, etwa eine speziell Ex-geschützte Version des Temperaturmessumformers. Das klingt nicht nur vernünftig, sondern zeigt auch, wie Produktevolution funktioniert. „Wir sehen in allen Umfeldern immer performantere Messinstrumente mit niedrigeren Reaktionszeiten und größerer Messgenauigkeit.“
Und noch eine Veränderung sieht der Produktmanager, übrigens auch in der eigenen Produktentwicklung: Es geht immer häufiger um funktional sichere Produkte. „Das Thema Sicherheit wird sowohl in der Gesellschaft als auch den Unternehmen immer größer geschrieben. Ich glaube, wir werden in Zukunft kaum ein Produkt mehr entwickeln, das nicht funktional sicher ist oder zumindest funktional sichere Aspekte berücksichtigt.“