Das industrielle Internet der Dinge, Industrie 4.0 in der Produktion, Digitalisierung der Produktion, digitale Services und neue Geschäftsmodelle – wie man es bezeichnet oder umschreibt, ist eigentlich egal. Es geht den Unternehmen bei ihrer IIoT-Strategie immer darum, einerseits mehr Transparenz und Effizienz in die eigene Produktion hineinzubekommen oder – beziehungsweise und – den Kunden zusätzliche auf Daten basierende Services anbieten zu können. Geht es um die eigene Produktion, fängt es schon damit an, endlich in Echtzeit einen Überblick über die Auslastung der eigenen Fertigungslinien und Maschinen zu erhalten. Wo sind noch Kapazitäten, gibt es bremsende Bottlenecks, sind unnötige Energiefresser aktiv, stimmt der Materialfluss, wann sind notwendige Wartungen idealerweise durchführbar, korreliert der Lagerbestand sowie der Materialnachschub mit Auftragseingang – idealerweise ist alles verknüpft mit einer vorausschauenden Analyse der zu erwartenden Kundenaufträge. Künftig sollen in der Smart Factory schließlich die Maschinen untereinander kommunizieren und sich mit dem ERP-System und der Logistikkette automatisch abstimmen.
Neue und zusätzliche Geschäftsmodelle erhoffen sich beispielsweise Maschinenbauer bei Ihrer IIoT-Strategie. Hierzu zählen natürlich Services wie Condition Monitoring der Maschine, Fernwartung, ohne einen Service-Techniker gleich vor Ort zu benötigen, Predictive Maintenance für die rechtzeitige Planung von Wartungsarbeiten ohne Maschinenausfälle. Auch arbeiten Maschinenbauer an Benchmarking-Services: Wie ist die Werkzeugmaschine oder der Roboter beim Kunden im Vergleich zur installierten Basis im Einsatz? Welche Funktionen werden eigentlich genutzt und wie lassen sich die Parameter und der Betrieb optimieren? Natürlich erfordert das Vertrauen beim Kunden, damit er seine Daten dem Hersteller zur Verfügung stellt. Hier gilt es Hirnschmalz hineinzustecken, welche Anreize oder Preisvorteile Kunden mit ihrer „Offenheit“ erhalten. Zu wissen, wie die Maschinen durch ein Monitoring beim Kunden überhaupt im Einsatz sind, hilft natürlich wiederum auch dem Hersteller beim Design und der Optimierung seiner nächsten Maschinengeneration. Die Möglichkeiten, die sich durch das industrielle Internet der Dinge ergeben, sind sehr vielfältig.
Zahlen gibt es ohne Ende
Kein Wunder also, dass mit beeindruckenden Zahlen und Summen rund um das industrielle Internet der Dinge jongliert wird. Global gesehen soll das jährliche wirtschaftliche Potenzial des IIoT 3,7 Billionen Euro im Jahr 2025 betragen, wie die Marktforscher von McKinsey angeben. Etwas „greifbarer“ als diese astronomische Summe wirken die rund 16,8 Milliarden Euro Umsatz, die der deutsche IIoT-Markt im Jahr 2022 erreichen soll. Das entspricht einem jährlichen Wachstum von rund 19 Prozent. Von diesen Zahlen geht die Studie „Der deutsche Industrial-IoT-Markt 2017-2022. Zahlen und Fakten“ von Eco, dem Verband der Internetwirtschaft, und des Consultingunternehmens Arthur D. Little aus. Das heute bereits größte Marktsegment im Bereich des IIoT besetzen die Automobilwirtschaft sowie wenig überraschend der Maschinen- und Anlagenbau. Beide Segmente machen der Studie zufolge gemeinsam über 50 Prozent des gesamten Industrial-IoT-Marktes in Deutschland aus.
Spannend ist auch eine Zahl aus dem McKinsey-Report, welche das Potenzial des IIoT offenbart. Auf einer Ölbohrinsel, die 30.000 Sensoren nutzt, werden zum Entdecken von Anomalien nur ein Prozent der Daten untersucht. Das Potenzial aller Daten für Optimierung und Vorhersagen liegt brach. Das lässt sich natürlich, wenn auch etwas abgemildert, auf die Produktion übertragen. Daten von Sensoren sind genügend vorhanden, nur daraus gemacht wird noch viel zu wenig.
IIoT-Strategie zum Scheitern verurteilt, wenn …
Doch wie geht man als Industrieunternehmen die eigene IIoT-Strategie an? Lässt man die Gespräche mit den CEOs und CTOs der klassischen Anbieter von Automatisierungslösungen Revue passieren, so wird ein Tenor ganz deutlich: Wer einfach nur IT-Firmen und Experten von Cloud-Lösungen einkauft und „assimiliert“, wird keinen Erfolg haben. Den Andersdenkern aus der IT wird durch die Integration in die üblichen gewachsenen Firmenstrukturen der oft traditionell geprägten Industrieunternehmen der Raum zum Atmen und agilen Handeln genommen. Entscheidungen müssen durch zu viele Instanzen durch, Diskussionen ersticken die Kreativität und Handlungsfreiräume.
Wege zum IIoT-Erfolg
Der Schlüssel zum Erfolg, um sich für das IIoT und neue digitale Geschäftsmodelle zu rüsten, mündet in zwei Wegen. Eine Möglichkeit, die viele Industrieunternehmen gehen, ist die Gründung eines unabhängig agierenden Start-ups. Hier können dann Querdenker aus den eigenen Reihen und neu akquirierte ITler Ideen in Lösungen und Produkte schneller und unkomplizierter ummünzen. Dabei werden IIoT-Angebote entwickelt, die mit dem klassischen Geschäft des Mutterkonzerns oft überhaupt nichts zu tun haben. Den Unternehmen dient ihr Start-up aber oft sowohl für neue Geschäfte als auch für die Optimierung der eigenen Produktion und Generierung digitaler Services der Kernprodukte. Wichtig dabei ist, lauscht man den Worten der Firmenlenker, eine räumliche Ausgliederung des Start-ups an einen anderen Standort – sonst wird das Start-up zu sehr von der Präsenz der Finanzgeber erdrückt.
Beispiele für diesen Weg gibt es einige. Phoenix Contact hat beispielsweise Protiq gegründet, ein Start-up, das einen Service von 3D-Druck anbietet. Das für Werkzeugmaschinen und Laser für die industrielle Fertigung bekannte Unternehmen Trumpf hat als Start-up Axoom ins Leben gerufen. Das Tochterunternehmen bietet eine digitale Plattform für die übergreifende Vernetzung von Maschinen, Software und Prozessen an. Oder sehen Sie sich Kuka an: Der Roboterhersteller beschreitet mit Connyun ebenfalls den Weg in die IIoT-Welt. Das in Karlsruhe installierte Start-up tritt als IIoT-Plattformanbieter auf und hilft Unternehmen, beispielsweise digitale Services für ihre Maschinen anzubieten. Lesen Sie hierzu auch unser Interview mit Dr. Christian Schlögel, dem CDO von Kuka, wie der Roboterhersteller die Digitalisierung angeht und worauf es dabei ankommt.
Industrieübergreifende Kooperationen
Der zweite Weg für eine erfolgreiche IIoT-Strategie liegt im Weg der Kooperationen. Hier bringt es Dr. Schlögel von Kuka auf den Punkt: „Genau hier müssen viele Maschinenbauer noch lernen und wegkommen von der typisch deutschen Denke, alles selbst machen zu wollen. So werden wir als Industrie zu langsam sein gegenüber den Leuten, die anders denken.“ Kein Kunde will auf eine proprietäre Cloud-Lösung und selbst gebastelte Plattformen setzen. Auf dem Markt gibt es etablierte Analytics-Dienste ebenso wie zuverlässige und dem EU-Recht entsprechende Cloud-Plattformen. Durch schlaue Kooperationen können Maschinenbauer ihren Kunden so sehr einfach funktionierende und die Wertschöpfungskette verlängernde Services anbieten. Das geht durch White-Label-Lösungen dann auch unter dem eigenen Branding – darunter verbirgt sich unsichtbar eine bekannte IoT-Plattform. Ein weiterer Zugewinn durch Kooperationen ist die gegenseitige Erweiterung der Markt- und Kundenzugänge, die sonst nicht oder nur schwer möglich sind.
Die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen ist somit erfolgsentscheidend, wie auch die Studie von Eco und Arthur D. Little zeigt. Demnach setzen sich IIoT-Lösungen aus rund 30 Kompetenzen zusammen. „Kein Unternehmen ist in der Lage, die gesamte Wertschöpfungskette alleine abzudecken. Bei Industrial-IoT handelt es sich um ein Ökosystem-Geschäftsmodell“, sagt Eco-Geschäftsführer Harald A. Summa und schlägt damit in die gleiche Kerbe wie Dr. Schlögel von Kuka. „Industrieübergreifende Kooperationen sind daher eine Grundvoraussetzung, um für Kunden relevante Services anbieten zu können. Es bedarf einer neuen Orientierung der Unternehmen, die vor allem für Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette offen sein müssen“, so Summa weiter.