A&D:
Der Bedarf an Sicherheitstechnik in der Produktion steigt. Gilt das auch für den Explosionsschutz?
Böhm:
Ex-Schutz und Safety sind zwei Themen, die unseres Erachtens kaum voneinander zu trennen sind. Bei Wago sind beide Bereiche bereits soweit miteinander vereint, dass wir mit einem speziellen I/O-Modul die funktionale Sicherheit und die Eigensicherheit kombinieren. Auf diese Weise lässt sich beispielsweise eine Sicherheitsabschaltung über die SPS durch einen Not-Aus-Taster ermöglichen, via Profisafe über Profinet oder Profibus.
Adelmann:
Die Nachfrage nach Sicherheitstechnik für den Ex-Bereich ist nicht neu. Allerdings verstärkten erst innovative Systemlösungen die Nachfrage bei Wago. Klassische Zündschutzarten wie die druckfeste Kapselung oder die Vergusskapselung werden zunehmend ersetzt. Das macht den Ex-Schutz für neue Anwendungen und für Wago interessant.
A&D:
Die Ex-Schutz-Nachfrage wird also von der technischen Veränderung angetrieben?
Adelmann:
Ja auch, aber das Marktwachstum entsteht vor allem durch die steigenden technischen Herausforderungen bei der Erschließung neuer Energiereserven und dem damit verbundenen erhöhten Bedarf an Automatisierungslösungen im Prozessbereich. Das führt dazu, dass immer mehr Ex-relevante Anlagen entstehen.
A&D:
Wie stellt sich der Markt momentan dar?
Böhm:
Die Anlagenhersteller, die unsere Produkte verbauen, haben teils hohe Exportanteile. Daher müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Module die nötigen nationalen Zertifizierungen haben, beispielsweise für Nord- und Südamerika, für Russland und Japan, und auch für die jeweiligen Branchen, die teilweise unterschiedlichen Anforderungen unterliegen.
A&D:
Welche Branchen sind das konkret?
Böhm:
Neben den fossilen Brennstoffen ist natürlich auch der Bereich der regenerativen Energiegewinnung zu nennen. Und es gibt durchaus andere Anwendungsgebiete, an die man nicht gleich denkt. Beispielsweise Kohle- und Kornmühlen, bei denen die Explosionsgefahr aus dem Staub gegeben ist, oder wenn bei der Flaschenreinigung Alkohole oder andere brennbare Flüssigkeiten zum Einsatz kommen. Sie finden heute eigentlich in allen Branchen explosionsgefährdete Bereiche.
A&D:
Ihre Steuerung kommt ja auch bei Biogas-Anlagen zum Einsatz. Sind da Besonderheiten zu beachten?
Böhm:
Das Entscheidende bei Biogas-Anlagen ist, dass sie die Bakterien, die das Gas erzeugen, nicht einfach stoppen können. Bestimmte Funktionen der Anlage müssen deshalb auch dann gewährleistet werden, wenn der Notfall eintritt – man kann nicht einfach alles abschalten.
Adelmann:
In der Regel deckt unser Portfolio die Anforderungen dieses Anwendungsbereichs bereits ab, da es keine Signale gibt, die nur bei regenerativen Energien vorkommen und spezielle I/O-Module erfordern. So stehen selbst eigensichere Module mit integrierter funktionaler Sicherheit für Profisafe-Anwendungen zur Verfügung.
A&D:
Wie treiben Sie die Innovation im Sortiment voran?
Adelmann:
Grundsätzlich sind die Produktideen, die aus engen Kundenkontakten entstehen, die besten, da sie eine hohe Erfolgsquote versprechen. In Gesprächen mit Anwendern entwickeln sich diese Ideen auch weiter und führen schließlich zum marktreifen Produkt. So verschaffen wir dem Anwender Innovationsspielräume, was zu einer verstärkten Nachfrage führt.
Böhm:
Das Wago-I/O-System 750 war stets ein sehr offenes System, das beispielsweise auch für alle gängigen Feldbus-Systeme geeignet ist. Der Anlagenbauer kann daher sein System konzipieren und je nach Kunde den Systemkopf mit dem gewünschten Feldbus auswählen, zum Beispiel Modbus, Profibus, Profinet, Devicenet oder Ethernet.
A&D:
Ethernet ist in der IT unangefochten. Wie sieht das im Automatisierungsbereich aus?
Adelmann:
Ethernet ist inzwischen als Feldbus in der Industrieautomation ein etablierter Standard. In der Prozesstechnik ist er allerdings noch nicht so häufig zu finden. Der Trend geht aber deutlich in Richtung Ethernet-basierter Feldbusse.
Böhm:
Ethernet gewinnt auch deshalb zunehmend an Bedeutung, weil durch die Verschmelzung von IT und Prozessautomatisierung eine vertikale Integration von Prozessdaten in das Controlling und Management erfolgt. Dort gibt es großen Bedarf nach mehr Daten.
A&D:
Welche nennenswerten Entwicklungen gibt es beim Ex-Schutz?
Adelmann:
Da gibt es regelmäßige Anpassungen der nationalen und internationalen Normen. Die lassen wir fortlaufend in die Produktentwicklung einfließen.
Böhm:
Eine Erneuerung der Atex-Richtlinie steht beispielsweise für 2016 an, die bezieht sich aber vor allem auf Dokumentationspflichten. Zertifizierungen und Prüfergebnisse müssen den Kunden dann direkt zur Verfügung gestellt werden.
A&D:
Stellen Sie dann als Komponenten-Lieferant die nötigen Dokumentationen für den Anlagenbauer bereit?
Adelmann:
Ja, aber das ist bei Weitem nicht alles. Ein Anlagenbauer kann beispielsweise Equipment einsetzen, bei dem die Ex-Tauglichkeit über eine vom Hersteller selbst ausgestellte Erklärung erfolgt. Wago arbeitet eng mit den zuständigen Zertifizierungsstellen zusammen, um von einer unabhängigen Stelle den Nachweis der Ex-Tauglichkeit zu erhalten. Dies macht es für den Betreiber oder Errichter einer Anlage deutlich einfacher. Unsere Produkte sind ja umfassend zertifiziert, zum Beispiel gemäß Atex, IECEx, ANSI/ISA sowie für den Schiffbau unter anderem ABS, GL und LR.
A&D:
Wie sehen Sie die künftigen Herausforderungen?
Böhm:
Wichtig wird nach wie vor sein, ein offenes Ohr für die Bedürfnisse des Marktes zu haben. Hierzu haben wir ein weltweites Netzwerk an Ansprechpartnern aufgebaut. Unser Ziel ist es, unseren Kunden immer eine optimale Lösung für die Anforderungen ihrer Prozesse bereitzustellen.
Adelmann:
Wir beabsichtigen natürlich weiterhin, durch eigene innovative Produktideen den Markt aktiv mitzugestalten. Dazu werden wir auch in Zukunft unser Produktportfolio sukzessive weiterentwickeln.