P&A: Herr Garbers, 2018 ist ein großes Messejahr für die Pharmabranche. Wie wichtig ist der Austausch, den Events wie die gerade zu Ende gegangene Lounges oder die Achema fördern?
Philipp Garbers: Die Pharmabranche im deutschsprachigen Raum ist ein sehr kleiner und geschlossener Kreis, in dem gefühlt immer die gleichen Leute unterwegs sind. In diesem Kreis kommt ein Austausch automatisch zustande, der auch sehr wichtig ist. Aber auch die Vernetzung innerhalb eines Unternehmens, was etwa den Vertrieb und das Marketing weltweit und besonders innerhalb der drei deutschsprachigen Länder angeht, wird immer wichtiger. Auch bei Endress+Hauser. Wenn heute eine Anlage neu gebaut wird, sitzt der Planer in einem Land, der Betreiber in einem anderen und die Anlagenbauer kommen wiederum aus verschiedenen Teilen der Welt. Deshalb muss man sich innerhalb eines Unternehmens heute anders vernetzen, um das Projekt für den Kunden bestmöglich abzuwickeln. Wenn wir das nicht tun würden, hätten wir ein großes Problem.
Aber sie tun es. Wie kommt das bei den Kunden an?
In Zeiten der Globalisierung, in denen immer mehr Projektbeteiligte aus Asien, den USA oder Russland dazukommen, schätzen Kunden es, wenn ein Partner intern gut abgestimmt ist. Die hervorragende Technologie ist selbstverständlich die Voraussetzung für erfolgreiche Projekte, aber die interne Koordination ist ein menschlicher Mehrwert, den man den Kunden bietet. Die Technologie beherrschen zwar viele, jedoch wird es immer schwieriger, sich zu differenzieren. Endress+Hauser gelingt dies aber immer wieder.
Ein Trend neben der zunehmenden weltweiten Vernetzung sind Biopharmazeutika. Wohin geht die Reise?
Biopharmazeutika machen heute aus unserer Umsatzsicht 80 bis 90 Prozent der Investitionen im DACH-Raum aus. Man sieht aber auch, dass die Industrie in der Regel immer häufiger biopharmazeutische Ansätze sucht, wenn es um die schlimmen Krankheiten geht, für die noch keine umfassende Heilung verfügbar ist. Denn mit chemischen Wirkstoffen stößt man da an Grenzen. Der eine oder andere hat länger gebraucht, um in diesem Bereich groß zu werden, aber mittlerweile sind nahezu alle großen Pharma-Firmen auf diesen Zug aufgesprungen. Heute werden außerdem laut dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller schon 30 Prozent der in Deutschland neu zugelassenen Medikamente gentechnisch hergestellt; vor fünf Jahren waren es noch 10 bis 15 Prozent. Und es gibt heute einige Lichtblicke. Früher waren Biopharmazeutika bei schweren Erkrankungen wie Krebs eher lebensverlängernd, aber jetzt gibt es immer mehr Ansätze, die zeigen, dass man in der Lage sein wird, Krebs zu heilen.
Wo liegt Ihrer Meinung nach größeres Potenzial: Bei Biopharmazeutika oder chemisch-synthetischen Medikamenten?
Man sieht bereits jetzt, dass ein Großteil der Investitionen vor allem im Bereich der Biopharmazeutika getätigt werden. Man muss aber auch abwarten, wie sich das Thema ethisch weiterentwickelt. Biopharmazeutika sind momentan noch sehr teuer. In Zukunft wird sich die Frage stellen, ob sich dann nur noch Wohlhabende solche Medikamente leisten können oder ob sie über entsprechende Skaleneffekte weiten Teilen der Bevölkerung zugutekommen können. Eine solche Schiene gibt es derzeit schon. Biosimilars springen heute auf Patente auf, die seit den 80er- und 90er-Jahren existieren. Es geht also darum, den Preis zu senken und damit auch mehr Menschen Therapiemöglichkeiten zugänglich zu machen. Das spielt sich teilweise im deutschsprachigen Raum ab, teilweise aber auch in Korea und anderen Ländern.
2018 ist Achema-Jahr und auch dort wird Biotechnologie als eines der drei großen Fokusthemen vertreten sein. Welchen technologischen und strategischen Fokus plant Ihr Unternehmen für die Messe?
Wir werden auf der Achema zeigen, was wir in den Bereichen der roten Biotechnologie, also der Herstellung pharmazeutischer Proteine für therapeutische Zwecke, und bei der weißen Biotechnologie, der Verfahrenstechnik zur Herstellung von Proteinen und Biomolekülen für technische Zwecke, zu bieten haben. Auch im Bereich der weißen Biotechnologie hat es große Investitionen gegeben. Weil Endress+Hauser sowohl in der Chemie als auch in der Pharmazie stark ist, können wir hier eine sehr gute Schnittmenge darstellen.
Gerade die weiße Biotechnologie vereint viele verfahrenstechnische Anforderungen aus beiden Bereichen. In der Biotechnik gibt es zum Beispiel hygienische Anforderungen, wie gewisse Oberflächenqualitäten und Zulassungen. In der Chemie geht es eher in den ATEX-Bereich und man braucht SIL-Zulassungen und hat häufig deutlich korrosivere Medien. Diese Anforderungen können wir sehr durchgängig bedienen und das wollen wir auf der Achema 2018 darstellen.
Gibt es ein Highlight, zu dem Sie schon etwas mehr verraten können?
In der roten Biotechnologie geht es viel um Sterilisationsprozesse. Die größte Innovation, die wir auf der Achema 2018 dazu zeigen werden, ist unser selbstkalibrierender Temperaturfühler Trustsens. Dazu bekommen wir bereits ein herausragendes Feedback von unseren Kunden, weil es ihnen die Arbeit deutlich erleichtert.
Ein weiteres Thema, an dem niemand vorbeikommt, ist Industrie 4.0: Wo steht die Pharmabranche derzeit?
Der Gedanke hinter Industrie 4.0 ist die zunehmende Vernetzung von Unternehmen und Anlagen. Das wird in Zukunft große Vorteile bringen, was zum Beispiel die Gestaltung effizienter Arbeitsabläufe angeht. Es ist aber heute aus meiner Sicht sehr heterogen, was sowohl die Hersteller von Wirkstoffen als auch die Anlagenbauer hier tun. Gerade in der Pharmazie gibt es aus meiner Sicht noch keine wirklich neuen Geschäftsmodelle. Man versucht oft, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Fernzugriff auf Anlagen, um Diagnosen durchzuführen, gab es schon vor zehn Jahren, nur sagt man heute Industrie 4.0 dazu. Sehr wenige Ansätze beinhalten heute neue Gedanken. Da sind aber einige Dinge in der Mache. Industrie 4.0 war anfangs eine industrielle Revolution, die von oben diktiert war und damit fing die Ideenfindung erst an. Es war teilweise abstrus, was unter dem Begriff vorgestellt wurde. Jetzt aber formen sich Gedanken darüber, was daraus konkret werden kann.
Wo hakt es aus Ihrer Sicht in der Pharmabranche bei der Umsetzung von Industrie 4.0 noch?
Viele Pharmakunden sträuben sich noch vor dem Gedanken der Vernetzung. Digitalisierungs- und Innovationsthemen werden manchmal kontrovers gesehen, wenn es etwa um die Erfüllung von GMP-Anforderungen geht. Was in anderen Industrien einfach wäre, nämlich ein paar Prozessdaten herauszugeben, damit externe Analysen durchzuführen und daraus echte Mehrwerte generieren zu können, ist heute in Pharmaunternehmen noch kaum denkbar.
Wie geht Endress+Hauser mit dem Thema um?
Für uns spielt die Digitalisierung auch in unseren eigenen Abläufen und in der Zusammenarbeit mit Kunden eine riesige Rolle. Rein technologisch zielen wir darauf ab, dass es Technologieplattformen aus einem Guss gibt, zum Beispiel für einheitliche Analysenmesstechnik in Labor und Prozess. Auch da wird man auf der Achema bei Endress+Hauser einiges sehen können.