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Ackermanns Seitenblicke Diagnose: Cyberkrank

publish-industry Verlag GmbH

Solange es die Elektronikindustrie gibt, begleitet Roland Ackermann sie. Unter anderem als Chefredakteur, Verlagsleiter und Macher des „Technischen Reports“ im Bayrischen Rundfunk prägt er die Branche seit den späten 1950er-Jahren mit.

Bild: Roland Ackermann
06.06.2016

Das Internet macht dumm, digitale Demenz breitet sich fast epidemisch aus. Das ist die Angst so mancher Forscher. Zwischen Digital Only und Digital Detox bezieht der Autor Stellung zum Technik-Pessimismus.

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Als „Thilo Sarrazin der Computerkritik“ ist Manfred Spitzer wegen seiner radikalen Sichtweise bei seinen Kollegen bekannt. Insbesondere warnt er Kinder und Jugendliche, denen er nur Müll in den Köpfen attestiert, aber keinen selbstverantwortlichen Umgang mit der digitalen Technik zutraut. Um auf die Dummheit deutlicher hinzuweisen, knallt er mit seinem neuen Titel „Cyberkrank!“ einen weiteren Trumpf auf den Tisch: Das digitale Leben ruiniert unsere Gesundheit. Apple und Samsung erodieren unsere Gesellschaft von innen. Das Internet bringt Krankheit und Tod. Der Fachautor tritt mit erhobenem Zeigefinger in Talkshows auf und streicht zufrieden seine Honorare ein.

Nun will ich mich weder mit einem renommierten Wissenschaftler messen noch eine übermäßige Nutzung des Smartphones der Generation Head Down gutheißen. Wenn Technik bei drei bis vier Prozent der Bevölkerung zur Sucht wird, dann sind Gegenmaßnahmen angesagt. Durch das Smartphone ausgelöste Aufregung kann ohne Zweifel zu Angst, Stress, Schlafstörungen, Depression und AHDS führen. Der Auslöser kann aber durchaus auch das wirkliche Leben sein.

Professor Gerald Lembke meldet sich mit einer anderen Erkenntnis zu Wort. Die eigentlichen Smartphone-Junkies sind die Erwachsenen! 90 Prozent dieser Generation stufen sich selbst als „abhängig von ihren digitalen Geräten“ ein. Die Experten befürchten, dass das eigenständige Denken der Dauersurfer schwindet. Das menschliche Hirn wird als Zwischenspeicher missbraucht, von dem alles Merkenswerte ins Smartphone wandert. Zugegeben: kaum Vorbild für den Nachwuchs.

Smartphone-Vielnutzer denken zwar schnell und intuitiv, fand der Kanadier Nathaniel Barr heraus, aber weniger achtsam und strukturiert. Sie können immer weniger geistig abschalten, weder im Job noch zu Hause. Ihre Konzentrationsfähigkeit schwindet, und das soziale Verhalten oder, noch schlimmer, tiefere Beziehungen bleiben auf der Strecke. Als Gegenmittel schlägt Professor Lembke eine digitale Entgiftung vor, um in bewusst geplanten digitalen Auszeiten von der virtuellen Welt ins reale Leben zurückzufinden. Dazu gibt es in den USA sogar so genannte „Digital Detox Camps.“ Ich beuge dem übrigens mit gezieltem Stumm- oder Abschalten vor.

Wie immer sind Extreme nicht erstrebenswert und schädlich – ob analog oder digital. Danach müssen vor allem wir als Journalisten uns auch in unserer täglichen Arbeit richten. Noch fahren zwar die meisten Leser/Hörer/Seher mehrgleisig, und die Digital-Onlys sind in der Minderheit. Doch müssen wir anerkennen, dass es keinen nicht-digitalen Journalismus mehr gibt. Wer nicht auf dem Smartphone präsent ist, schreibt der Medienexperte Christian Jakubetz, kann sich genauso gut auch gleich eingraben lassen.

Für viele ist das intelligente Handy das Nachrichtenmedium schlechthin geworden. Es ist mobil, immer präsent, oftmals aktueller und damit auch wichtiger als Zeitung, Radio und Fernseher. Was ist letztlich dagegen einzuwenden? Unter uns gesagt: Für mich, der ich Konrad Zuse mit seiner Z3 noch persönlich gekannt habe, dokumentiert nichts den Fortschritt deutlicher als unser Hochleistungscomputer in der Tasche. Faszination Elektronik eben.

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