Fahrerlose Transportfahrzeuge einführen Die ersten Schritte zur autonomen Fahrzeugflotte

Dr. Nicola Tomatis, CEO von BlueBotics

Bild: BlueBotics
08.03.2023

Die Intralogistik befindet sich in einem rasanten Wandel. Immer stärker treten dabei Fahrerlose Transportsysteme in den Vordergrund. Für wen aber eigenen sich die autonomen Flotten – und wie kann ein Unternehmen die Technologie richtig einführen?

Immer mehr Unternehmen setzen auf fahrerlose Transportsysteme (FTS), um ihre Effizienz zu steigern und die Abläufe robuster zu gestalten. Sei es aus Gründen der Effizienzsteigerung oder des Arbeitskräftemangels – der FTS-Markt boomt. Dieser Markt wird voraussichtlich von 2,17 Milliarden USD im Jahr 2022 auf 4,11 Milliarden USD im Jahr 2029 wachsen, mit einer CAGR von 9,6 Prozent während des Prognosezeitraums.

Sie beabsichtigen ebenfalls, in diese Technologie zu investieren, doch wo sollten Sie anfangen?

An erster Stelle: der Prozess

Machen Sie sich zunächst keine Gedanken darüber, wie die Technologie funktioniert. Denken Sie stattdessen an die Prozesse, die Sie automatisieren möchten.

Um erfolgreich automatisiert werden zu können, müssen die manuellen Prozesse standardisiert und harmonisiert werden. Überlegen Sie also, wie Sie jeden Prozess so strukturieren können, dass er das ausführt, was Sie brauchen, und vereinfachen Sie ihn gleichzeitig so weit wie möglich.

Schließlich können FTS nur das tun, wofür sie programmiert sind. Daher ist das Verständnis der Details einer Anwendung, einschließlich der zu transportierenden Material- oder Produktmengen, der Häufigkeit und der zurückgelegten Entfernungen, ein wesentlicher Teil dieser Vorbereitungsphase.

Nachdem der Prozess genau festgelegt ist, können Sie dazu übergehen, das Fahrzeug zu bestimmen, das Ihre Anforderungen am besten erfüllt. Erfahrene FTS-Integratoren können bei diesem Prozess helfen und die Verbindung zwischen der Technologie und ihrer Anwendung herstellen, um sicherzustellen, dass Sie den erwarteten Nutzen erhalten.

Denken Sie dann über Lösungen nach

Wenn Sie Ihre Fahrzeugoptionen prüfen, sollten Sie mit den Spezifikationen der Nutzlasten beginnen, die befördert werden sollen. Finden Sie dann die Unternehmen und Technologien, die solche Nutzlasten einfach und effizient transportieren können. Das Ziel ist natürlich immer, Ihre Kapitalrendite (ROI) zu maximieren.

Ein entscheidender Teil der technischen Gleichung ist dabei das Navigationssystem, auf dem ein Fahrzeug aufgebaut ist. Mit anderen Worten: Wie genau es weiß, wo es sich gerade befindet und wie es sich von dort aus in seiner Betriebsumgebung bewegt. Diese Automatisierungsebene wirkt sich nicht nur auf die Zeit und die Kosten für die Erstinstallation des Fahrzeugs aus, sondern auch auf den Grad der Flexibilität, den Ihr FTS bieten kann, was künftige Aktualisierungen der Installation entweder schnell und einfach oder langwierig und mühsam macht.

Bei der Prüfung dieser Navigationskomponente lohnt es sich zu berücksichtigen, ob sich die betreffende Technologie in der Praxis bewährt hat, welche Fahrzeugtypen (und möglicherweise andere Marken) das Navigationssystem unterstützt und welche Kosten anfallen, wenn Sie die Funktionsweise Ihrer FTS in Zukunft ändern müssen – wie flexibel ist es dann?

Lassen Sie uns dieses Thema ein wenig vertiefen!

Navigationstechnologien: eine kurze Einführung

Line Following (Linienverfolgung) ist die erste Generation und die einfachste Form der autonomen Navigation. Die Fahrzeuge folgen einem vordefinierten Weg mit Hilfe von installierten Linien, Magnetbändern oder Induktionsdrähten. Sensoren an den Fahrzeugen verfolgen den Weg. Diese Technologie bewegt Fahrzeuge präzise, erfordert aber auch erhebliche Änderungen an der Infrastruktur eines Standorts, was die Installation und Wartung kostspielig und die Umstellung aufwändig macht.

Tag Following ist wie Line Following, verwendet aber im Betriebsgelände installierte QR-Codes, RFID-Tags oder magnetische Punkte. Auch hier werden Präzision und Zuverlässigkeit geboten, aber die erforderlichen Modifikationen an der Infrastruktur bedeuten höhere Installationskosten und erschweren Änderungen.

Bei der Lasertriangulation (Laserführung) dienen drei oder mehr Referenzen dazu, die Position des FTS in seiner Umgebung zu triangulieren, was für seinen effektiven Betrieb entscheidend ist. Die Laser auf dem Fahrzeug prallen an den Reflektoren ab, die auf dem Gelände installiert sind. Die Installation solcher Fahrzeuge kann viel Zeit in Anspruch nehmen, und die Laser müssen hoch auf dem Fahrzeug angebracht sein; deshalb ist diese Technologie für niedrige Fahrzeuge (wie zum Beispiel FTS, die etwas unterfahren) nicht geeignet. Da die Fahrwege des Fahrzeugs jedoch virtuell sind und mit Hilfe von Software leicht neu konfiguriert werden können, bietet diese Technologie Flexibilität, wenn Änderungen erforderlich sind.

Bei der Sichtführung (Vision Guidance) werden Merkmale des Betriebsgeländes anhand von am FTS installierten Kameras erfasst. Es sind keine Änderungen an der Infrastruktur erforderlich, und die Installation ist schnell und einfach. Das System ist jedoch empfindlich gegenüber den Lichtverhältnissen vor Ort, die in vielen Fällen die Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit eines Fahrzeugs beeinträchtigen können.

Bei der natürlichen Navigation werden 2D-Scanner (häufig die im Fahrzeug eingebauten Sicherheits-LiDAR-Scanner) verwendet, um die Umgebung mit einer zuvor erstellten Rasterkarte zu vergleichen und den Standort des FTS zu bestimmen. Dieser Ansatz bietet Flexibilität und erfordert nur geringe Änderungen an der Infrastruktur, beispielsweise mit einigen reflektierenden Aufklebern zur Unterstützung des Systems. Allerdings muss das FTS in der Regel 60 Prozent seiner Umgebung erkennen, um sich selbst genau zu positionieren. Daher kann sich jede Veränderung in der Umgebung auf die allgemeine Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Genauigkeit auswirken.

Im Fall von BlueBotics, unserer Form der natürlichen Navigation, verhält es sich ein wenig anders. Anstatt die gesamte Umgebung mit einer Rasterkarte zu vergleichen, vergleicht unser System nur ausgewählte dauerhafte Merkmale – wie Wände – mit denen einer Feature Map. Dieser Ansatz erhöht die Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Robustheit des Systems. Änderungen am Layout eines Standorts machen ihm nichts aus – es braucht nur 5 Prozent oder noch weniger der Umgebung zu sehen, um perfekt zu funktionieren, immer und immer wieder.

Diese so genannte „Natural Feature Navigation“ bietet eine Genauigkeit und Zuverlässigkeit, die mit der von Lasertriangulationssystemen vergleichbar ist, ohne dass permanente Modifikationen an der Infrastruktur erforderlich sind, was einen geringeren Installationsaufwand und einfache Änderungen ermöglicht.

Berücksichtigung der Interoperabilität

Bei der Einführung von FTS in Mehrbetriebsunternehmen werden die Interoperabilität der Fahrzeuge und die einfache Installation sehr wichtig. Ein Unternehmen könnte mehrere verschiedene FTS-Marken benötigen, um seine perfekte Flotte zusammenzustellen, aber der Einsatz mehrerer Flottenmanager mit unterschiedlichen Benutzeroberflächen macht dies schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

Damit eine vielfältige Fahrzeugflotte effektiv zusammenarbeiten kann, sind in der Regel Interlocks und Interaktionen mit verschiedenen Verkehrsmanagementsystemen erforderlich. Wenn sie nicht auf einer gemeinsamen Navigationsplattform betrieben werden, müssen solche Interlocks in jedem System implementiert werden, damit die Fahrzeuge Kreuzungen und Betriebsabschnitte gemeinsam nutzen können. Dies ist die effektivste Art der Interoperabilität, macht aber die Systemintegration und Inbetriebnahme schwierig und zeitaufwändig, während die Rentabilität auf die Effizienz der verschiedenen beteiligten Teilsysteme beschränkt ist.

Wie lässt sich dieses heikle Thema umgehen? Die Logistikbranche bemüht sich derzeit um die Standardisierung von Kommunikationsprotokollen für die Interoperabilität, doch diese sind noch lange nicht endgültig. Es gibt Standards, die in verschiedenen Regionen auftauchen. Der in Europa am weitesten fortgeschrittene ist die Version 2.0 der VDA 5050, die im Januar 2022 als das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen dem Verband der Automobilindustrie (VDA) und dem VDMA Fachverband Fördertechnik und Intralogistik veröffentlicht wurde. In den USA konzentrieren sich die Interoperabilitätsstandards auf automatisierte mobile Roboter (AMR). Der erste Standard wurde von MassRobotics veröffentlicht, einem Konsortium zur Verbesserung der Interoperabilität zwischen AMRs. Seit einigen Wochen ist auch China um eine Standardisierung der FTS/AMR bemüht, was von der China Mobile Robot (AGV/AMR) Industry Alliance vorangetrieben wird.

Während sich noch kein Standard als Sieger herauskristallisiert hat, kämpfen die FTS-Lieferanten darum, eine optimale Lösung für den Markt zu finden, auf dem die Endnutzer zunehmend viele verschiedene Fahrzeuge benötigen, die zusammenarbeiten, um den von der Automatisierung erwarteten Nutzen zu erzielen.

Aktuell schon da

In der Zwischenzeit hat BlueBotics mehr als die Hälfte des Weges zu dem hochgesteckten Ziel zurückgelegt, dass jedes Fahrzeug vernetzbar ist.

Dank des breiten Ökosystems von Fahrzeuganbietern, die ihre Lösungen jetzt auf unserer ANT-Navigationstechnologie aufbauen, sind viele Fahrzeuge unserer Kunden – von FTS bis zu AMR und automatisierten Gabelstaplern – jetzt über unseren ANT-Server-Flottenmanager interoperabel. Interessenten können auf unserer neuen Website ANTdriven.com durch dieses Angebot stöbern. Rufen Sie dazu einfach die Fahrzeugsuche („Find vehicles“) auf und wählen Sie den Filter „Multi-Brand Fleet“ aus.

Zusammenfassung

Unternehmen, die in FTS investieren wollen, sollten zunächst einmal im Detail verstehen, was ein FTS leisten und erreichen soll. Denken Sie über diese Prozesse nach, versuchen Sie, diese zu vereinfachen und zu standardisieren, und überlegen Sie dann, welche Art von automatisiertem Fahrzeug dafür in Frage kommt.

Es gibt einige Fallstricke zu vermeiden, aber Hilfe und Erfahrung sind vorhanden. Erfahrene FTS-Integratoren können Sie bei der Auswahl einer Technologie unterstützen, die den ROI maximiert und gleichzeitig die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bietet, die erforderlich sind, um die sich entwickelnden Anforderungen Ihres Unternehmens zu erfüllen. Die Interoperabilität zwischen FTS- und AMR-Marken ist bereits heute möglich, so dass Sie sich eine individuelle Flotte zusammenstellen können. Was auch immer Ihr Unternehmen benötigt.

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