Branchenreport Backmischungen Die Helfer in der Backstube

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19.02.2016

Vorteig, Backmittel, Fertigmehl – vorgefertigte Backmischungen sind aus Bäckereien und Brotfabriken nicht mehr wegzudenken. Für den Konsumenten bedeutet das gleichbleibende Qualität und bezahlbare Lebensmittel, für den Bäcker eine willkommene Finanzierung kostenintensiver Maschinen.

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Wer früher einen Kuchen backen wollte, griff oft und gern zur Backmischung: Dr. Oetker und Aurora im Westen und Kathi im Osten waren beliebte Hilfsmittel der Hausfrau. Inzwischen haben die Fertigmischungen, die nur noch um Eier, Milch und Butter ergänzt werden, dagegen einen deutlich niedrigeren Stellenwert – zugunsten von Fertigkuchen aus der Convenience-Food-Abteilung oder der Tiefkühltruhe. Wer faul ist, findet so Kuchen und Torten für jeden Geschmack und Geldbeutel, der Kreative kann dagegen in jedem Supermarkt unterschiedliche Mehle, Zucker und andere anspruchsvolle Backutensilien erwerben, für Anfänger gibt es Frischteige zum Belegen.

Hauptgeschäft im B2B-Markt

Das Augenmerk der Branche liegt daher inzwischen eher im gewerblichen Bereich. Ohne Hilfsmittel und Vorprodukte ist eine wirtschaftliche Produktion von Backwaren in Handwerk und Industrie schwierig. Der Bäcker steht heute vor der Herausforderung, das Brot auf Grund von Kostendruck und Personalmangel rationell herzustellen. Gleichzeitig soll das Brot aber auch in Spitzenqualität in den Laden kommen.

Bei den Hilfsprodukten in der Backstube muss man zwischen „Backmittel“ und „Backmischung“ unterscheiden. Letztere nennt der Profi „Fertigmehl“. Das beinhaltet außer Wasser bereits alles, was zum Teig gehört. Im Privatkundenbereich gibt es solche Mehle für den Brotbackautomaten oder die klassische Backmischung, der Pizzabäcker holt sich die Säcke mit Pizzafertigmehl im Großhandel, der Bäcker bekommt sie geliefert. „Backmittel“ hingegen sind die Hilfsmittel, die man braucht, um einen bestimmten Teig herzustellen. Klassiker, die sich auch in Privathaushalten finden, sind Hefe und Backpulver (Carbonat und Säuerungsmittel).

Den Anstoß, für die Bäckerei Hilfsmittel zu entwickeln, war die Erfindung der Presshefe 1847. Diese konnte die langwierige Vorteigführung entscheidend verkürzen. Allerdings bedurfte es dazu besonders gärfreudiger Mehle. Um die zu bekommen, entstand mit maschinell produzierten Malzextrakt das erste Backmittel für Weißbrot und Brötchen.

Einer der ganz großen Player der Branche ist die Kulmbacher Firma Ireks, der es schon 1930 gelang, den ersten „Fertigsauer“ herzustellen, der die 24-stündige Teigführung von Sauerteig auf zwei Stunden reduziert. Man muss also nicht mehr auf das Werk der in der Luft vorhandenen Milchsäurebakterien warten, man säuert mit Milchsäure oder ähnlichen Säuren.

Heute bietet das Unternehmen Backmittel für alle gängigen Backwaren an. So gibt es Mittel, die speziell für ein Roggenbrot gemacht sind und andere, die bestimmte Eigenschaften, wie Gärstabilität, Volumen und Frischhaltung verbessern sollen. Es sind dem Endprodukt angepasste Mischungen aus Malz, Enzymen, Quellstoffen, Zuckern und natürlichen Säuren wie etwa Vitamin C oder Zitronensäure.

Maschinenfreundliche Teige senken Kosten

Die Inhaltsstoffe ergänzen sich in ihrer Wirkung und sollen so zum optimalen Gebäck führen. So sorgt etwa der Malzzucker sowohl für eine bessere Gasbildung als auch für eine schmackhafte Krume und das typische Brotaroma. Quellstoffe wie Johannesbrotkernmehl verhindern das Austrocknen. Backmittel sorgen für einen optimalen Teig, der ein einheitliches und qualitativ hochwertiges Endprodukt liefern soll. Manche dieser Mittel machen dem Bäcker auch die Arbeit leichter. „Aufschlagmittel“ wie Monoglycerid ermöglichen dem Bäcker Biskuitteig als Ganzes anzurühren anstatt Eiklar und Eigelb getrennt zu behandeln und erst später zusammenzufügen.

Eine wichtige Funktion zeitgemäßer Backmittel ist es, den Teig maschinenfreundlich zu machen. Moderne Knet- und Formmaschinen sorgen zwar für bessere Krumen und für eine allgemeine Steigerung der Gebäckqualität, sie benötigen auch Rezepturen, die zur Maschine passen.

Interessanterweise entsteht aber gerade in der industriellen Produktion die Tendenz weg von Backmitteln und hin zu einer natürlichen Produktion übersetzt in moderne Maschinentechnik. So übertragen die Vorteig- und Sauerteigsysteme der Kölner Firma W&K Automation das alte Handwerk einer traditionellen Sauerteigführung in industrielle Bedingungen. Der Teig wird wie beim traditionellen Bäcker – allerdings in ganz anderen Quantitäten – dreistufig geführt, und der Industriebäcker kann dann beispielsweise den pH-Wert oder die Temperatur regeln, die für gelungenen Sauerteig entscheidend ist. „Hochwertige Brote haben heute oft keine Zusatzstoffe mehr“, sagt Harald Königstein, Geschäftsführer des Unternehmens.

Der Markt boomt; Nachfrage besteht weltweit. Auch in Kanada, Australien oder der Türkei hat man inzwischen die Möglichkeiten erkannt, kostengünstig hochwertiges Brot zu produzieren. Im Prinzip ist so eine Vorteiganlage nichts anderes, als ein Tank mit Rührwerk. Entscheidend für die Sauerteigproduktion ist laut Königstein die Exaktheit. „Man kann auch Teig totrühren“, sagt der Ingenieur. Das heißt, dass Rührwerk, Kühlung und Wassertemperatur exakt aufeinander abgestimmt sein müssen. So muss etwa ein Teig später schnell von 24 auf acht Grad heruntergekühlt werden, um ein optimales Ergebnis zu erreichen. Das erreicht das Unternehmen durch entsprechende Materialien und ausgefeilte Automationstechnik. „Inzwischen kommen 80 Prozent unserer Kunden aus der Industrie“, sagt Königstein.

Nicht nur Fabriken setzen auf Vorproduziertes

Backmischungen und Backmittel sind heute in handwerklichen Bäckereien zu finden, da der Handwerksbäcker eine große Produktvielfalt brauche, um konkurrenzfähig zu bleiben. Das sage allerdings nichts über die Qualität der Backmittel aus, da auch Backmittelproduzenten auf Hochwertigkeit und Gesundheit setzten, erklärt Königstein. Vorteig- und Sauerteigsysteme hielten zwar Jahrzehnte, seien aber für kleine Bäcker kaum finanzierbar. Ein Handwerksbäcker hat eben die Wahl: Entweder spezialisiert er sich, setzt beispielsweise auf Tradition und vermarktet sein Brot als „naturbelassen“, „nach alter Art“ und bietet vergleichsweise wenig Sorten an oder er muss auf Fertigmehle zurückgreifen.

Dabei setzt die Branche auf Kundenbindung. So ist es nach Aussage eines Insiders nicht unüblich, dass Backmittelhersteller Bäckereibetrieben eine Produktionsanlage oder Maschine finanzieren und im Gegenzug den Backwerkproduzenten vertraglich an sich binden. Das Prinzip ist das Gleiche, das auch Brauereien benutzen, um den Wirt an ihr Bier zu binden.

Backmittel sind allgemein akzeptiert. Selbst die Verbraucherschützer von Foodwatch konnten keinen Gesprächspartner nennen, der sich kritisch zu bestimmten Inhaltsstoffen äußern kann. Die Organisation kritisiert in ihren Pressemeldungen lediglich „die vielen E-Nummern“ bei einem Toastbrot sowie den Bezug auf das Landleben und den „umstrittenen Zusatzstoff Carrageen“ bei einer Backmischung für den Endkundenbereich. Dennoch gilt auch für Backmittel: je mehr Inhaltsstoffe, desto mehr potenzielle Allergene.

Branche legt Wert auf Transparenz

Um möglichen Gesundheitsgefährdungen, besonders durch Allergien, entgegenzutreten, setzt die Branche auf Transparenz und darauf, die Datenquellen der Rohstofflieferanten in einer Datenbank zu verknüpfen. „Die neue Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) verpflichtet die Backbetriebe, auch bei unverpackter Ware alle enthaltenen Allergene zu kennzeichnen. Damit steigt die Komplexität gerade für handwerklich arbeitende Bäckereien“, sagt Wilko Quante vom Wissensforum Backwaren.

Obwohl manche Backmittel schon uralt sind, Forschung, um Textur, Farbe und Aroma von Backwaren zu verbessern, findet weiterhin statt. Das Hans-Dieter-Belitz-Institut für Mehl- und Eiweißforschung untersucht gemeinsam mit Partnern aus der Industrie Aromen auf Malzbasis, die glutenfreie Brote schmackhaft machen und so auch Zöliakiepatienten zu einem leckerem Frühstück verhelfen. Das gleiche Institut arbeitet mit universitären Partnern daran, die Kleberqualität in Weizensauerteiggebäcken zu verbessern. Die Hochschule Anhalt forscht gemeinsam mit einer Mühle über Getreideprodukte, die Wasser besser binden.

Auch in der Zukunft werden Backmittel eine wichtige Rolle in der Fertigung spielen, um Qualität bei für den Verbraucher vertretbarem Preisniveau zu ermöglichen. Dabei müssen alle Beteiligten Hand in Hand gehen: Saatgutzüchter, die das Getreidekorn weiter verbessern, Bauern mit innovativen Anbaumethoden, Müller, die geeignete Mehle herstellen und Backmittelhersteller, die für jedes Endprodukt optimale Hilfen herstellen.

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