Welche Herausforderungen sieht Siemens im Bereich der elektrotechnischen Ausrüstung von Wasseranlagen?
Dr. Andreas Pirsing:
Ein großes Thema, das auch die Wasserbranche beschäftigen wird, ist die Digitalisierung. Vernetzte Systeme, virtuelle Anlagen und 3D-Visualisierung prägen zunehmend die Industrie. Dies bietet erhebliche Vorteile für Datentransparenz und -durchgängigkeit, wie beim Engineering. Siemens setzt hier auf die Engineeringlösung Comos und die Prozessleittechnik Simatic PCS 7 und entwickelt diese konsequent weiter. Mithilfe von dynamischen Simulationsrechnungen lassen sich wichtige oder kritische Automatisierungsfunktionen zu einem frühen Zeitpunkt im Anlagenlebenszyklus validieren; für den Nutzer lässt sich Zeit bei der Inbetriebnahme gewinnen, er kann Kosten einsparen – beispielsweise mit dem Simit Simulation Framework. Auch können mit Konfiguratoren wie dem PIA Life Cycle Portal Feldgeräte nahtlos in Comos engineert werden: Digitalisierung ermöglicht ein Plus an Effizienz und Flexibilität und damit mehr Produktivität. Einen weiteren Aspekt der Digitalisierung stellen Assistenzsysteme für die sichere, zuverlässige und effiziente Betriebsführung von Wasserversorgungssystemen dar, bekannt unter dem Oberbegriff Decision Support Systems. Diese Systeme unterstützen das Betreiberpersonal durch Module für Simulation, Optimierung und Wasserverlust-Management. Siemens verwendet dafür das auf dem Prozessleitsystem Simatic PCS 7 aufsetzende Wassermanagement-System Siwa.
Wie kann die Automatisierungstechnik Betreiber von industriellen Wasser- und Abwasseranlagen hinsichtlich Anlagenverfügbarkeit, -performance und -sicherheit unterstützen?
Methoden der gehobenen Regelungstechnik, die unter dem Stichwort Advanced Process Control in Branchen wie der Chemie oder in Raffinerien bekannt geworden sind, bieten Potenzial zur Optimierung der Prozessführung auch in der Wasser- und Abwasserbranche. Insbesondere das Verfahren der modellbasierten Prädiktivregelung erscheint in diesem Zusammenhang attraktiv. MPC erlaubt eine „vorausschauende Fahrweise“ der Anlage, da sowohl physikalische/chemische/biologische Quereinflüsse zwischen verschiedenen Variablen als auch messbare Störeinflüsse, beispielsweise aus dem Zulauf, berücksichtigt werden. APC-Funktionen wie MPC können als Standard-Software-Baustein nahtlos in Simatic PCS 7 integriert werden und ermöglichen so eine zuverlässige, übersichtliche und transparente Automatisierung der Abwasseraufbereitung. In einer Pilot-Untersuchung konnte für zwei Kläranlagen mit unterschiedlicher Verfahrensweise nachgewiesen werden, dass nicht nur die Ablaufkonzentrationen verbessert werden, sondern erheblich Energie bei der Belüftung eingespart werden kann.
Wasseranlagenplaner und -betreiber müssen Projektzeiten und -kosten reduzieren, gleichzeitig Qualitätsstandards sichern und Risiken minimieren. Welche Lösungen helfen beim Meistern des Spagats?
Hervorragende Instrumente, um diese Anforderungen zu erfüllen sind die Standardisierung und die Modularisierung. Seit Jahren gibt es standardisierte Hardware, Siemens bietet die Komponenten unter dem Begriff TIA (Totally Integrated Automation) an, welches den „Plug and play“-Gedanken verfolgt. Seit einiger Zeit gibt es auch standardisierte Software-Bausteine und Bibliotheken für spezifische Applikationen. Diese verkürzen die Engineering- und Inbetriebnahmezeit erheblich und geben Planern, Systeintegratoren und Betreibern hohe funktionale Sicherheit, da sie bereits durch den Hersteller der Automatisierungs-Hardware getestet sind. Solche wasserspezifischen Bausteine bietet die Industry Library für Simatic PCS 7. Darüber hinaus werden derzeit vorkonfektionierte, getestete modulare Teilapplikationen entwickelt und als sogenannte Water Templates angeboten. Damit können sowohl in einfachen wie auch komplexen Anlagen mit Simatic S7-300 / S7-400 HW und Simatic PCS 7 wasserspezifische Funktionen eingebunden werden. Auch die Implementierung der Instrumentierung sowie die Integration von Energieerfassung, Regelungen, Antrieben, Schiebern, Ventilen und Frequenzumrichtern ist vorbereitet. Zusätzlich ist die Anbindung dezentraler Bauwerke über Fernwirktechnik möglich und garantiert eine aufwandarme Umsetzung.