Die Akzeptanz von Oszilloskop-Neuentwicklungen im Markt ist praktisch garantiert, denn ständig kommen sowohl dem Elektronik-Entwickler als auch dem Labor- und Feld- Ingenieur neue Einsatzgebiete und Anwendungen auf den Tisch, die erfasst, überwacht und gemessen werden müssen. Darauf reagieren die Scope-Hersteller mit teils in hohem Maße applikationsspezifischen, dabei jedoch flexibel anpassbaren Hard- und Softwarekonzepten. Wobei indessen die PC-Messtechnik sowie Digitalisierer (Digitizer) für eine durchaus ernst zu nehmende Konkurrenz sorgen.
Das Branchensegment vermag mit einer ganzen Reihe von technischen Trends aufzuwarten. Bei allen Herstellern nimmt der Softwareanteil zu, wobei Echtzeitfähigkeit, Selbstkonfigurierung und automatische Optimierung die Attraktivität noch steigern. Das kommt vor allem der raschen und bequemen Auswertung entgegen: Die in den großen Speichern abgelegten riesigen Datenmengen werden zuverlässig auf anwendungsspezifische Auffälligkeiten oder Fehler analysiert, und zwar - dank oft speziell dafür neu entwickelter DSPs oder ASICs - äußerst schnell und zuverlässig. Im Angebot steht eine Vielzahl von Applikationspaketen; beispielsweise bietet Agilent allein 80 Pakete für Debugging, Analyse, Compliance und Charakterisierung an.
Mixed-Signal-Oszilloskope (MSO) und Hybridmessgeräte sind, obwohl seit langer Zeit bekannt, inzwischen wieder hochaktuell geworden. Die Möglichkeit zur intuitiven Bedienung, die sie bieten, erlaubt Cross-Triggering, also kombinierte Triggerbedingungen über alle analogen und digitalen Signale hinweg. Die Grenzen der Messgerätekategorien lösen sich gewissermaßen auf: So stellt etwa das Mixed-Domain-Oszilloskop MDO4000 von Tektronix, das Oszilloskop-, Spektrumanalyse- und Logikanalysefunktionen vereint, ein vollständiges Analysegerät mit der zeitkorrelierten Anzeige von analogen, digitalen und HF-Signalen dar. MSOs werden beispielsweise für Mixed-Signal-Schaltungen der Kraftfahrzeugelektronik dringend benötigt und sind in brauchbarer Ausführung oft schon für deutlich unter 2.000 Euro erhältlich.
Leistungssteigerung im unteren Preissegment
Auffällig und durchaus erfreulich ist die durch Software ermöglichte, beeindruckende Leistung der Geräte im unteren Preisbereich bis ungefähr 2.000 Euro, darunter auch Handhelds: Sie erreichen und übertreffen in ihrer Leistungsfähigkeit nicht selten die früheren Midrange-Modelle, und das zum halben Preis. Agilent präsentierte hier zwei Mixed-Signal- und Digitaloszilloskop-Produktfamilien der nächsten Generation: InfiniiVision 2000 und 3000 X(26 Modelle) basieren auf einer neuentwickelten Technologie, durch die auch Scopes der Einstiegsklasse mit hochentwickelten Messfunktionen ausgestattet werden können.
Diese Verschiebung der Grenzen setzt sich auch nach oben fort und bedeutet eine ständige Herausforderung nicht nur für die Spitzenmodelle. Letztere halten mit immer noch höheren Bandbreiten und Abtastraten dagegen. Seit dem vergangenen Jahr sind 30, 32 und 33 GHz und mehr fast schon Standard; für das laufende Jahr haben die Anbieter sogar die 60 MHz ins Visier genommen: LeCroy brachte Anfang Januar den LabMaster 10Zi auf den Markt, der mit bis zu 20 Kanälen Bandbreiten mit 36 GHz und 80 GSamples/s erreicht. Für Bandbreiten von 50 und 60 GHz wird zusätzlich noch DBI (Digital Bandwidth Interleave) eingesetzt. Damit und mit dem im Vorjahr eingeführten WaveRunner HRO 6 Zi (mit hoher Vertikalauflösung durch 12-Bit-ADC und schwenkbarem Bildschirm) will LeCroy neue Meilensteine setzen.
Die im Embedded-Design mittlerweile dominierenden seriellen Busse, vor allem die der dritten Generation wie USB 3.0 oder PCI-Express 3.0, zwingen infolge ihrer Geschwindigkeiten zu höchsten Anforderungen an die Signalintegrität. Rauschen und Jitter der Messausstattung einschließlich der Sonden müssen drastisch reduziert werden, um die benötigte Marge beim Design zu erreichen. Heutzutage wird zudem vorausgesetzt, dass sich die Bandbreiten nachträglich aufrüsten lassen, damit der Anwender nicht ständig neue Geräte kaufen muss. Und die Analyseprogramme müssen an neue Protokolle und aktualisierte Protokollversionen anpassbar sein.
Hinzu kommt, dass diese hoch leistungsfähigen Geräte nach Möglichkeit tragbar sein müssen - und es mittlerweile oft auch sind. In der Vergangenheit wären hohe Bandbreiten, ein schneller und tiefer Speicher, hohe Bildwiederholraten sowie Hardware- beschleunigte Funktionen für Triggerung und Dekodierung von seriellen Signalen nur mit einem schweren, sperrigen Scope mit großer Standfläche erhältlich - das hat sich aber grundsätzlich geändert. Gleichzeitig ist die Anwendungsflexibilität gestiegen. Moderne Universal-Oszilloskope lassen sich verhältnismäßig einfach an spezielle Anforderungen anpassen. Es stehen zahlreiche Softwarepakete für diese Kategorie zur Verfügung, die diese Vorhaben unterstützen: Dekodierpakete für serielle Protokolle, Vektoranalyse-Software, Pakete zur Leistungsanalyse oder Offline-Analysesoftware.
Hohe Erwartungen an Displays
Darüber hinaus erwartet der Nutzer hellere, größere und farbige Bildschirme - nicht zuletzt, weil diese in der Unterhaltungselektronik nahezu selbstverständlich geworden sind. Ergo glänzen die neuen High-End- Oszilloskope meist mit hochauflösenden 15-Zoll-Bildschirmen, bei tragbaren Modellen sind 12-Zoll-Bildschirmdiagonale keine Seltenheit mehr. Selbst im Preisbereich um 1.000 Euro sind die Displays deutlich besser geworden, sie sind außerdem mit einem weiteren Blickwinkel und VGA-Auflösung erhältlich. Die deutlich verbesserte Darstellung ist freilich auch unumgänglich, um mehr Signale gleichzeitig wiederzugeben, die sich farblich unterscheiden und bei denen man die zugehörigen Beschriftungen gut lesen kann. Mithilfe einer sinnvollen Helligkeitsmodulation werden darüber hinaus Analogsignale mit bis zu 256Helligkeitsstufen aufgelöst. Die auf diese Weise erreichte Darstellung ist mit der früherer Analogoszilloskope vergleichbar.
Auch die Anwendungsbereiche der Oszilloskope sind im Fluss: Zwar sind Design und Debugging immer noch Haupteinsatzgebiete für Ingenieure und Techniker, so um fehlerhafte elektronische Komponenten zu eruieren oder bestimmte Signale zu charakterisieren. Indessen setzen immer mehr Anwender das Gerät (auch oder hauptsächlich) zur automatischen Verifikation ein - so um nachzuweisen, dass die Messobjekte einen bestimmten seriellen Standard oder bestimmte Spezifikationen einhalten.
Auf seriellen Daten zu triggern ist erheblich schwieriger als auf parallelen Daten, weshalb die Scope-Hersteller zahlreiche Triggermöglichkeiten, Suchfunktionen und Protokolldarstellungen anbieten. Die heute üblichen höheren Datenraten fordern den Oszilloskopen besonders bei der Messung der Signalintegrität und bei Augendiagrammen eine eindrucksvolle Leistungsfähigkeit ab. Dabei darf auch das Testobjekt möglichst wenig belastet werden, weshalb die gehobenen Ansprüche auch vor den aktiven und differenziellen Sonden nicht Halt machen.
Digitizer übernehmen immer mehr die Funktionen der herkömmlichen (Labor-) Oszilloskope, vor allem im unteren und mittleren Leistungsbereich. Bei diesen uneingeschränkt systemfähigen Modulen (PCI-Express beziehungsweise PXI-Express) entfällt das Display. Sie sind aus diesem Grund besonders kompakt und lassen sich in wenigen Minuten in unterschiedliche Aufbau-Kon- figurationen einbinden. Ihre leichte Anpassbarkeit und Konfigurierbarkeit, wie sie von Stand-alone-Oszilloskopen nicht geboten werden kann, sorgt für höchstmögliche Flexibilität.