Verpackungstechnik Durchblick im Pharma-Boom

Bild: Mettler-Toledo
07.09.2015

Weltweit ist die Pharmaindustrie am Wachsen. Doch um diesen Boom nicht zu gefährden, müssen Pharmahersteller Lösungen gegen die Bedrohung gefälschter Arzneimittel finden. Vor diesem Hintergrund gewinnen Inspektionssysteme an Bedeutung.

Die globale Pharmaindustrie boomt. Nordamerika steht mit 41 Prozent aller weltweit verkauften Pharmazeutika nach wie vor an der Spitze, doch Europa holt mit derzeit 26,7 Prozent kräftig auf. Laut Angaben des Europäischen Dachverbands der Arzneimittelunternehmen (EFPIA) erwirtschaftete 2011 allein der europäische Markt einen Umsatz von 205 Mrd. Euro, wobei Italien mit 25 Mrd. zum Umsatz beitrug. Zusätzlichen Rückenwind erhält die globale Gesundheitsindustrie durch die Entwicklung in aufstrebenden Volkswirtschaften wie Brasilien, China und Indien, die zu einer schrittweisen Auslagerung der Wirtschafts- und Forschungsaktivitäten von Europa in diese rasant wachsenden Märkte führt.

Um dieses Wachstum nachhaltig zu gestalten, müssen multinationale Pharmahersteller effektive Methoden zur Lösung verschiedener Probleme entwickeln, insbesondere im Kampf gegen die zunehmende Bedrohung durch gefälschte Arzneimittel, die Jahr für Jahr immense Umsatzeinbußen in Höhe von ca. 75 Mrd. Dollar innerhalb der Branche zur Folge haben. Hinzu kommt der wachsende Druck auf Pharmaunternehmen, die Sicherheit und Qualität ihrer Produkte zu gewährleisten. Bereits ein einziges Produkt, das eine mangelhafte Qualität aufweist oder Fremdkörper wie Glas oder Metallsplitter enthält, kann nicht nur den Ruf des Herstellers unwiderruflich schädigen, sondern auch Leben kosten.

Regulierungsbehörden wie die FDA (Arznei- und Lebensmittelzulassungsbehörde in den USA) und der PICS (Pharmaceutical Inspection Co-operation Scheme) arbeiten an der Durchsetzung gemeinsamer GMP-Richtlinien (Good Manufacturer Practice), um diese Gefahren zu minimieren und Produktsicherheit zu garantieren. Bislang existiert keine zentrale Aufsichtsbehörde für die globale Pharmaindustrie, doch es gibt aktive Bestrebungen zum Aufbau eines umfassenden Netzwerks zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit.
Infolge der Globalisierung ist die Herstellung von Arzneimitteln heute diversifizierter als je. Firmen, die entlang der Lieferkette agieren, müssen nicht nur viele globale und lokale GMP-Standards einhalten, um sich Zugang zu Märkten zu sichern, sondern auch die Optimierung der CO2-Bilanz im Blick behalten und den Preisdruck bei Rohstoffen auffangen. Dabei sind Produktinspektionstechnologien und Track & Trace-Systeme entscheidende Faktoren für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit.

Der Weg durch die Lieferkette

Die Lieferketten in der pharmazeutischen Fertigung werden zunehmend komplexer. Immer häufiger erfolgen der Einkauf von Rohstoffen, ihre Verarbeitung und die anschließende Vermarktung des Endprodukts in jeweils unterschiedlichen Ländern. Für multinationale Unternehmen ist Globalisierung gleichbedeutend mit der Einhaltung immer zahlreicherer lokaler Vorschriften, vor allem im Hinblick auf den Einsatz von Produktinspektionstechnologien zur Eliminierung von Fremdkörpern in Endprodukten. Darüber hinaus müssen die Unternehmen internationale Lieferkettenstandards sowie Richtlinien des Handels und nationaler Gesundheitsbehörden erfüllen. Dies erfordert einen geschickten Balanceakt zwischen globaler Präsenz und gleichzeitiger Einhaltung lokaler Sicherheitsbestimmungen.

Angesichts der zunehmend strengen Vorschriften gilt es, potenzielle Probleme und Risiken von vornherein zu identifizieren und auszuschalten. Hersteller müssen die Herkunft von Rohstoffen, den Fertigungsprozess und das Verpackungsformat genauestens analysieren, um festzustellen, durch welche Fremdkörper (zum Beispiel Metall, Glasscherben oder Kunststoff) ihre Produkte am meisten gefährdet sind. Sie müssen zudem ermitteln, wo in der Produktionslinie am ehesten Fremdkörper wie beispielsweise Siebdraht in die Produkte gelangen können, und an diesen Schwachstellen Inspektionssysteme installieren, um das Risiko von Verunreinigungen wirksam einzudämmen.

Im Zuge der steigenden Anforderungen entwickeln sich moderne Produktinspektionstechnologien immer mehr zur Norm, darunter Track & Trace-Systeme, Präzisionsmetallsuch- und Röntgeninspektionssysteme, die Fremdkörper erkennen und die betroffenen Packungen und Medizinprodukte aus dem Produktionsprozess entfernen. Strengere Vorschriften zur Angabe von Inhaltsstoffen auf Produktverpackungen veranlassen Hersteller auch, in optische Inspektionssysteme zur automatischen Kontrolle der Etiketten zu investieren. Die im Juli 2013 in Kraft getretene EU-Richtlinie für gefälschte Arzneimittel schreibt vor, dass in Drittländern hergestellte und für den Import in die EU bestimmte Pharmaka mit einer schriftlichen Erklärung der zuständigen Behörde im Exportland versehen sein müssen, um die Einhaltung der GMP-Anforderungen nachzuweisen. Die Richtlinie soll die Rückverfolgbarkeit erleichtern und Verbraucher vor Produkten minderwertiger Qualität schützen.

Verschlankung der Produktion

Unter diesen Bedingungen ist eine strikte Kontrolle der Produktionsprozesse wichtiger denn je. Angesichts steigender Rohstoff- und Arbeitskosten sind weltweit tätige Hersteller gezwungen, die Kosteneffizienz genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie suchen nach geeigneten Lösungen, darunter Kontrollwäge- oder Röntgeninspektionssysteme, um Qualitätsparameter wie Füllstand, Form und Größe der Produkte zu überwachen und so kostspielige und potenziell gefährliche Unter- bzw. Überfüllungen zu vermeiden. Auslöser für die Bemühungen um höhere Produktivität sind akute wirtschaftliche Zwänge. Eine hohe Verfügbarkeit der Produktionslinien ist unverzichtbar für die Deckung des Kundenbedarfs. Die Anlagen müssen schnell, zuverlässig, einfach einzurichten und in kürzester Zeit auf neue Produkte umrüstbar sein. Hersteller von Arzneimitteln stehen unter strenger Kontrolle nationaler wie internationaler Aufsichtsbehörden, wie der FDA. Sie benötigen Zugriff auf einschlägige Daten zur Erstellung von Audit-Trails, die zum Nachweis lückenloser Prozesssicherheit dienen.

Praktisch alle pharmazeutischen Produktionslinien zeichnen sich durch individuelle Anforderungen aus. Deshalb muss für jede einzelne Linie die bestgeeignete Produktinspektionslösung gewählt werden. Regulierungsbehörden weltweit arbeiten an der Kontrolle, Optimierung und Durchsetzung von GMP-Richtlinien. Hierzu gehören Kontrollen der Produktionsprozesse von Herstellern auf etwaige Mängel, die Gefahren für Verbraucher bergen oder nicht die Anforderungen an eine legale Vermarktung erfüllen. Die GMP-Richtlinien basieren auf einigen wenigen Grundprinzipien, deren wichtigste Ziele die Vermeidung von Verunreinigungen durch Fremdkörper, die Validierung und die Dokumentation des Produktionsprozesses (einschließlich der Distribution) zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit sind.

Um diese Anforderungen zu erfüllen, werden immer modernere und intelligentere Produktinspektionstechnologien entwickelt. Jüngste Fortschritte in der Metallsuchtechnik beispielsweise ermöglichen es Herstellern, den sogenannten Orientierungseffekt auszuschalten. Dieser führte bisher dazu, dass die Erkennungswahrscheinlichkeit von Metallsplittern wie Spänen oder Draht von der Ausrichtung der Fremdkörper im Produkt abhängig war. Moderne Pharma-Metallsuchgeräte schleusen verunreinigte Tabletten, Kapseln und Pulver zuverlässig aus. Sie verhindern auf diese Weise, dass minderwertige Arzneimittel in den Handel gelangen und schützen die Gesundheit der Verbraucher. Hersteller von Medizinprodukten sind gut beraten, auch die Installation von Röntgeninspektionssystemen in ihren Produktionslinien zu erwägen. Die jüngsten Innovationen auf diesem Gebiet erlauben neben der Erkennung von Fremdkörpern wie Metall- und Glassplittern sowie Kunststoffen und Gummiverbindungen hoher Dichte die gleichzeitige Überprüfung der Versiegelung, die Erkennung beschädigter Komponenten und die Füllstandkontrolle.

Die Europäische Kommission erließ 1992 eine Richtlinie zur Etikettierung und Packungsbeilage von Arzneimitteln mit dem Ziel, die Sicherheit der Verbraucher zu verbessern. Diese bildete die Grundlage für die Einführung der Beipackzettel, auf denen sämtliche Informationen in vorgegebener Reihenfolge und in für Verbraucher verständlicher Form angegeben sein müssen. In Europa ist die Europäische Arzneimittelagentur EMA für Schutz und Förderung der öffentlichen Gesundheit zuständig. Sie prüft gezielt Arzneimittel und koordiniert Kontrollen in pharmazeutischen Produktionsstätten. Dabei sind auch Kontrollen auf Einhaltung der GMP-Richtlinien möglich. Hersteller können sich absichern, indem sie Kontrollwäge- oder Röntgeninspektionssysteme zur Erkennung fehlender Beipackzettel bzw. optische Inspektionssysteme zur Überprüfung der Lesbarkeit und Vollständigkeit der Angaben in ihre Produktionslinien integrieren.

Die Installation eines Produktinspektionssystems garantiert jedoch nicht automatisch die Einhaltung der GMP-Richtlinien. Das System muss ordnungsgemäß gewartet werden, um jederzeit eine optimale Leistung und Erkennungsempfindlichkeit sicherzustellen. Darüber hinaus sind regelmäßige Überprüfungen der Inspektionssysteme mit zertifizierten Testkörpern und -gewichten erforderlich. In dem unwahrscheinlichen Fall eines fehlgeschlagenen Tests müssen alle seit dem letzten erfolgreichen Test hergestellten Produkte unter Quarantäne gestellt und erneut inspiziert werden. Ein professioneller Zulieferer unterstützt multinationale Unternehmen bei der Durchführung entsprechender Audits und stellt umfassende Dokumentationssysteme zum Nachweis lückenloser Prozesssicherheit und Transparenz zur Verfügung.

Wachstum auf dem Weltmarkt

In ihrem Bestreben, durch Harmonisierung der Prozesssysteme die Produktionskosten zu senken und gleichzeitig die Qualität und Sicherheit ihrer Produkte zu gewährleisten, suchen Pharmahersteller nach Anbietern, die komplette Produktinspektionslösungen aus einer Hand liefern. Ziel ist die Vernetzung der an verschiedenen Produktionslinien installierten Inspektionssysteme in einem zentralen Datennetzwerk mittels innovativer Software. So erhalten Pharmahersteller aussagekräftigere Leistungsdaten und mehr Kontrolle über die Produktqualität in Form vollständiger Audit-Trails zum Nachweis der Prozesssicherheit. Die zentralisierte Datenspeicherung verbessert die Rückverfolgbarkeit von Produktchargen und sorgt dafür, dass im Falle eines Produktrückrufs die betroffenen Chargen schneller identifiziert und behebende Maßnahmen getroffen werden können.

Das weltweite Bewusstsein der Öffentlichkeit für Arzneimittelsicherheit stellt multinationale Pharmaunternehmen vor große Herausforderungen. Nationale und auch internationale Aufsichtsbehörden überwachen die Produktionsprozesse der Hersteller genauer als je zuvor. Die weltweite Präsenz und komplexe Lieferketten zwingen multinationale Unternehmen dazu, die Einhaltung sämtlicher lokalen Standards sicherzustellen und ihre gesamte Produktion an die sich ändernden globalen Richtlinien anzupassen.

Bis zur Ausarbeitung eines gemeinsamen, international anerkannten Sicherheitsstandards für Hersteller ist es noch ein langer Weg, doch die Harmonisierung internationaler Bestimmungen durch Initiativen wie PICS fördert die Expansion der Branche auf globaler Ebene und trägt gleichzeitig zum Schutz der Verbraucher bei. Darüber hinaus ist ein wachsender Trend zum Wissensaustausch spürbar, der sich in gemeinsamen Inspektionen und in Diskussionen über Wege zur Angleichung globaler Fertigungsverfahren und Vorschriften für die Pharmaindustrie äußert.

Die GMP-Richtlinien stellen keine Vorschriften zur Herstellung von Produkten dar, sondern sind jeweils als einzuhaltende Grundprinzipien bei der Fertigung zu verstehen. Es gibt viele Methoden zur Einhaltung von GMP-Anforderungen. Die Wahl des effektivsten und effizientesten Prozesses unterliegt jedoch der Verantwortung des jeweiligen Unternehmens. Durch die Zusammenarbeit mit Anbietern von Produktin­spektionssystemen, die über internationale Erfahrung und das nötige Know-how zur Betreuung lokaler Accounts verfügen, können multinationale Unternehmen diese Herausforderungen mühelos meistern. Eine enge Kooperation mit ihren Zulieferern unterstützt Pharmaunternehmen dabei, die Gesundheit der Verbraucher zu schützen, den Markenruf zu wahren und ihr Geschäft auszubauen.

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  • Die 1,2m-Version der X36 x-ray Röntgeninspektionssystem-Serie wurde für Hersteller entwickelt, denen nur begrenzter Produktionsraum zur Verfügung steht

    Die 1,2m-Version der X36 x-ray Röntgeninspektionssystem-Serie wurde für Hersteller entwickelt, denen nur begrenzter Produktionsraum zur Verfügung steht

    Bild: Mettler-Toledo

  • Die X36-Serie von Mettler-Toledo Safeline X-ray ist fünf mal empfindlicher als herkömmliche Röntgeninspektionssysteme.

    Die X36-Serie von Mettler-Toledo Safeline X-ray ist fünf mal empfindlicher als herkömmliche Röntgeninspektionssysteme.

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