Hintergrund dieses Projektes ist eine Machbarkeits-Studie, wobei das Fraunhofer FHR die dielektrische Resonatorantenne und die Mechanik entwickelt hat. Die RWTH Aachen (Institut IHF) hat die ASTM-Implementation für die Extrahierung der Materialeigenschaften entwickelt, und Anritsu unterstützt das Projekt mit einem Millimeterwellen-VNA-Konzept mit neuem Frequenzband.
Die Festlegung der intrinsischen Mikrowelleneigenschaften von Materialien ist für eine Reihe von Anwendungen wichtig, angefangen von der zerstörungsfreien Mikrowellenprüfung (MNDT) über den Entwurf von Antennen und elektronischen Schaltkreisen, bis hin zu Fernerkundung und der Minderung elektromagnetischer Störungen oder der Prüfung von Kfz-Radar-Antennen-Radomen.
Die Nutzung eines Versuchsaufbaus für solche Messungen im Freiraum hat deshalb Beliebtheit erlangt, weil er benutzerfreundlich ist und eine ausreichende Genauigkeit garantiert. Messverfahren im Freiraum haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen geführten Messverfahren mit Übertragungsleitung, da keine „Schnittstelle“ zwischen der Materialprobe und einer Leitwand besteht. Zudem ist es auch möglich, quasi parallel die dielektrischen (Permittivität) und magnetischen Materialeigenschaften (Permeabilität) zu ermitteln, indem die Ergebnisse einer normalen Zwei-Tor-Streuparameter-Messung mathematisch ausgewertet werden. Zudem ist dieser Versuchsaufbau in der Lage, mit inhomogenen Verbundmaterialien wie Wabenkernen oder verbauten Metamaterialien umzugehen. Es wird damit auch für den Nicht-Wissenschaftler sehr einfach, Materialproben in Fertigungsumgebungen zu charakterisieren.
Die Abbildung 1 zeigt eine schematische Darstellung des historisch VNA-basierten Mikrowellen-Messsystems im Freiraum (Free-Space-Setup), in dem eine Materialprobe eines homogenen Feststoffes zwischen einem Antennenpaar mit gewellten punktfokussierten Hornantennen angeordnet ist, die einen Gauß-Strahl erzeugen, der anschließend durch eine vor den Antennen befindliche Linse geleitet wird. Beim Free-Space-Setup können die Materialeigenschaften entweder nur durch Messung der Reflektionsparamter (S11) oder in Kombination mit den Transmissionsparametern (S21) bestimmt werden. Die Nutzung von normalisierten Transmissionsmessungen (|S21| und Phase) ist ebenfalls möglich. Das Bewerten der dielektrischen Eigenschaften auf Grundlage der Reflexionsdaten führt bei Millimeterwellenfrequenzen zu potenziellen Schwierigkeiten. Es müssen beispielsweise Mehrfachreflexionen beherrscht werden, die an den Schichtgrenzen in mehrschichtigen Systemen auftreten, und der Zustand der Oberfläche des Materials wird zum entscheidenden Faktor für die Wellenreflexion bei hohen Frequenzen. Diese Schwierigkeiten lassen sich durch eine Filterung der Messwerte im Zeitbereich (Time Domain Gating) beheben.
Alternative Antennentechnik
Die Grundlage des hier erörterten Konzepts ist die Verwendung einer alternativen Antennentechnik, die eine sehr große Nutzbandbreite, einen gleichmäßigen Gewinn über der Frequenz, geringe Nebenkeulen und eine gute Anpassung gewährleistet. Somit eignet sie sich optimal für Millimeterwellenanwendungen. Letztendlich zum Einsatz kommt eine dielektrische, auf einer Resonatorlinse basierende Antenne (DRA), die zahlreiche Vorteile bietet. Unter anderem die geringe Größe, verglichen mit konventionellen Bauformen (Horn-Antenne mit dielektrischer Linse), wobei die Größe um einen Faktor der Quadratwurzel der Dielektrizitätskonstante des Materials geringer ist. Weitere Vorteile sind ein hoher Antennenwirkungsgrad von über 95 Prozent aufgrund fehlender Leitungsverluste beziehungsweise fehlender Oberflächenwellen-Verluste, sowie die schon erwähnte höhere Bandbreite und geringere Kosten.
Die Antenne ist als massiver Linsenkörper ausgeführt, die von einem Hohlleiter direkt in die dielektrische Linse hinein gespeist wird. Eine standardmäßige Herangehensweise zur Umwandlung der sphärischen Phasenvorderseite des Speiseelements in ebene Phasenvorderseiten hat einen Ellipsoiden zum Ergebnis, der von einem der Brennpunkte des Ellipsoiden gespeist wird. Zur Speisung der Antenne wird ein WR-12-Hohlleiter mit einem mit Viertelwellen abgestuften Impedanzwandler verwendet. Von der Einspeisestelle breitet sich die elektromagnetische Welle zur Außenfläche des Ellipsoiden aus, von der ein Teil nach Innen zurück reflektiert wird und nach einer zweiten internen Reflexion wieder an der Einspeisestelle ankommt. Der andere Teil wird beim Verlassen des Ellipsoiden gebrochen und bildet – orthogonal zur kleinen Halbachse der Ellipse – eine Wellenfront. Die Summe aus allen diesen Strahlen erzeugt eine planare Wellenfront in Richtung des zu prüfenden Materials. Da das Radius-Längen-Verhältnis durch das Linsenkonzepte und die Materialeigenschaften vorgegeben ist, verhält sich die Länge proportional zum Durchmesser. Diese Antennenart eignet sich hervorragend für Anwendungen mit hohem Antennengewinn im Millimeterwellenbereich.
E-Band-Vektornetzwerkanalysator
Ein weiterer neuer Technologieansatz, der in diesem Messsystem genutzt wird, ist der Vektornetzwerkanalysator MS46522B von Anritsu mit der Option 82, ein spezieller und kostengünstiger E-Band-VNA für Anwendungen im Bereich von 55 bis 92 GHz. Im Bereich der Antennencharakterisierungen und Materialprüfungen eignet sich dieser VNA-Typ bestens für industrielle Anwendungen, bei denen Benutzerfreundlichkeit, Einsatz in industriellen Umgebungen und die Anbindung an bestehende IT-Systeme wichtige Anforderungen sind. Der E-Band-VNA besteht aus kleinen miteinander verketteten Sende- und Empfängermodulen und einem Grundchassis. Die Module sind in der Grundversion mit einem Meter langen Spezialkabeln mit dem Chassis permanent verbunden. Das macht das Gerät als sofort einsatzfähiger E-Band-VNA kompakter. Andere Versionen mit bis zu fünf Meter langen Spezialkabeln sollen sich sehr gut für planare Antennen Nahfeld-Prüfanwendungen oder robotergestützte Anwendungen eignen. Die Testportmodule haben einen außerordentlich kleinen Formfaktor (6 × 10 × 4 cm) und bieten einen WR-12 Hohlleiteranschluss. Das 19-Zoll-Basisgerät (drei UE) enthält im Wesentlichen nur den Steuerrechner und stellt die Verbindung zur Außenwelt her. Die grafische Shockline-Benutzeroberfläche bietet den gleichen Funktionsumfang wie der Rest der Shockline-Gerätefamilie von Anritsu. Die Time-Domain-Messoption kann jederzeit über ein Softwareupgrade nachgerüstet werden.
Immun gegen Störeinflüsse
Die Einfügedämpfung und Phasenstabilität der Koaxialkabel bei Millimeterwellenanwendungen verschlechtern sich mit der Frequenz. Das kann letztendlich die Messgenauigkeit und Messwiederholbarkeit negativ beeinflussen. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, hat Anritsu eine Reihe von Miniatur-Reflektometern entwickelt. Sie basieren auf der nichtlinearen leitungsgebundenen Übertragungstechnologie (NLTL), die zur Erweiterung des Frequenzbereichs eines Mikrowellen-VNA auf 145 GHz und höher verwendet werden kann. Zusätzlich zu ihrer Miniaturausführung bieten diese Reflektometer eine kurz- und langfristige thermische Stabilität, eine hohe Amplitude und Phasenstabilität sowie eine überaus hohe Richtschärfe des unkalibrierten Richtkopplers. Zur Verringerung der mechanischen Komplexität sowie der damit verbundenen Kabelführungen und im Hinblick auf den Trend hin zu immer höheren Messfrequenzen wurde eine E-Band-Version von Reflektometern entwickelt, die auf einem modularen AXIe-Format basiert.
Fazit und Ausblick
Diese Machbarkeitsstudie hatte zum Ziel, ein benutzerfreundliches, intuitives Materialprüfsystem zu entwickeln, welches im so genannten E-Band funktioniert. Die Studie hat gezeigt, dass eine neuartige VNA-Architektur im Einklang mit einer neuen dielektrischen Resonatorantenne, die einen gebündelten gaußähnlichen Strahl hervorbringt, in der Lage ist, die Komplexität eines so genannten Freiraum-Versuchsaufbaus wesentlich zu vereinfachen. Darüber hinaus kann diese Herangehensweise auch von Laien genutzt werden, um in fertigungsnahen Umgebungen entsprechende Ergebnisse zu erzielen.