Gerade zu Weihnachten jubilieren sie wieder und erfüllen Kirchenschiffe und Herzen mit festlichem Klang: die rund 50.000 Kirchenorgeln in Deutschland. Hergestellt, gewartet und restauriert werden sie von etwa 400 Orgelbauwerkstätten, darunter der Betrieb von Siegfried Schmid in Knottenried bei Immenstadt im Allgäu.
Jedes Jahr haben die fünf Mitarbeiter ein bis zwei Orgeln in Arbeit, je nach Größe und Ausführung. Darunter auch beeindruckend große Exemplare mit bis zu 60 Registern und ungefähr zwei bis zweieinhalb Jahren Bauzeit.
Orgelregister, was ist das gleich nochmal? Sichtbar davon sind die Zugknöpfe, Wippen oder Tasten mit Aufschriften wie Soloflöte, Horn, Trompete oder Choralbass. Damit schaltet die Organistin oder der Organist jeweils eine bestimmte Reihe von Pfeifen gleicher Klangfarbe ein oder aus. Soll es besonders mächtig tönen und dröhnen, werden „alle Register gezogen“. Daher also dieser Ausdruck. Art und Gesamtheit der Register ergeben die individuelle Disposition der Orgel, die der Erbauer mit dem Auftraggeber genau abspricht.
Nahezu baugleich wie zu Bachs Zeiten
Die heutigen Orgeln ähneln immer noch jenen aus der Epoche Johann Sebastian Bachs. Der Barockmeister erreichte in seinen Kompositionen eine unerhörte Klangpracht und fand neue Wege der Harmonik, kaum spielbar mit den damals üblichen Pfeifenorgeln. Also wirkte er persönlich mit an der Weiterentwicklung in puncto Präzision und Mechanik.
Seitdem gilt die Orgel als Königin der Instrumente. Auch heute noch ist im Orgelbau die Wiedergabequalität von Bachs Musiksprache das Maß aller Dinge. Folglich hat sich bei den Materialien wenig verändert: Es bleibt bei viel Holz, Zinn-Blei-Legierungen für die Pfeifen, Leder und Filz. Allerdings steuert man seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts Windgebläse, Magnete, Ventile und einiges mehr mitunter auch elektrisch oder elektropneumatisch.
Schaltnetzteile statt Gleichrichter
So sind bei den großen Orgeln heutzutage große Schieber (Schleifen) luftdicht elektrisch zu bewegen. Daher setzt man entsprechend starke Magnete ein, die beträchtliche Stromstärken benötigen: rund 2 A pro Magnet, was sich bei 50 Registern auf 100 A und mehr addiert.
Eine große Orgel verlangt so durchaus auch mal nach 160 A. Konventionell arbeitete man lange Zeit mit entsprechend dimensionierten Gleichrichtern. Immer mit den Sorgen um problematische Wärmeentwicklung, Restwelligkeit und Störanfälligkeit. Ging der verbaute Gleichrichter defekt, gab selbst das mächtigste Orgelwerk keinen Ton mehr von sich.
Mittlerweile sind Schaltnetzteile Stand der Technik, gesegnet mit den Vorteilen günstiger Anschaffung und großer Auswahl auf dem Markt. Und beim Ausfall eines Geräts ist die Orgel zumindest teilweise noch bespielbar. Orgelbaumeister Schmid verwendet Schaltnetzteile von Lütze. Ein Kollege in Vorarlberg, der größte Orgelbauer Mitteleuropas, hatte deren Technik in den höchsten Tönen gelobt.
Das Beispiel in St. Stephan
Ein Beispiel sei die Orgel der Pfarrkirche St. Stephan in Mindelheim im Unterallgäu. Dort sollen fünf Lütze-Schaltnetzteile (primär getaktet, einphasig, 480 W) für die zuverlässige Steuerung vieler mechanisch hochkomplex zusammenwirkender Komponenten sorgen. Schmid erneuerte das Instrument mit fast 150-jähriger Geschichte in weiten Teilen, wo möglich unter Erhalt vieler der ursprünglichen Register (Orgelpfeifen).
Ziel war die Schaffung eines modernen, zeitgemäßen und vor Allem zuverlässigen Instruments mit mechanischen Tontrakturen und elektrischer Koppel- und Registersteuerung. Dazu musste zunächst die Statik der Empore, insbesondere im Hinblick auf die mechanischen Tontrakturen ertüchtigt werden.
Die gesamte technische Anlage, Windversorgung, Windladen und Trakturen wurden darüber hinaus neu konstruiert und gebaut. Dazu zählt auch ein neuer Orgelprospekt inklusive der architektonischen Gestaltung der Orgelfront mit Gehäuse, welches das gesamte Pfeifenwerk umgibt.
Erneuert wurde auch der Arbeitsplatz des Organisten: der Spieltisch, hier mit drei Manualen und Pedal. Viel hochwertige Schreinerarbeit steckt in einer Orgel, aber auch Metallbearbeitung und Elektrohandwerk muss der Orgelbauer beherrschen, ebenso die Bearbeitung von Leder und Filz
Orgelbau in Portugal
Ein dissonantes Intermezzo begleitete kürzlich den Aufbau der 36-registrigen Orgel für eine Kirche im portugiesischen Maia bei Porto. Als Ouvertüre gut gelungen war der Transport der Orgelbestandteile in zwei Sattelzügen nach Portugal. Dann der mehrmonatige Zusammenbau. Bis eine Woche vor der Einweihung ein technisches Problem auftauchte, das sich nicht näher eingrenzen ließ. Würde man die Weihe und das Eröffnungskonzert absagen müssen?
Nur ein zusätzliches Schaltnetzteil konnte die Orgel zum Klingen bringen. Bei Lütze zog man alle Register, um innerhalb von zwei Tagen ein dreiphasiges 960-W-Schaltnetzteil nach Portugal zu liefern: grand opéra mit Drama, aber die feierliche Einweihung samt Eröffnungskonzert war gerettet.