Smart Traffic & Mobility Ein Rechtsrahmen für das Laden von Elektromobilen


Elektromobile und das Smart Grid: Als „unterbrechbare Stromverbraucher“ können Batteriefahrzeuge eine wichtige Rolle für Energieversorger spielen.

03.02.2012

Der Umbau bestehender Verteilnetze in zunehmend intelligente Netze wirft technische, wirtschaftliche und rechtliche Fragen auf. Für die Integration von Elektromobilen in eine intelligente Netzsteuerung hat der Gesetzgeber nun erstmals einen groben Regelungsrahmen vorgesehen - eine Mitgestaltung ist möglich.

Die kommunikative Vernetzung und Steuerung von Stromerzeugern, Stromspeichern, elektrischen Verbrauchern und Netzbetriebsmitteln in Übertragungs- und Verteilnetzen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Dies unterstreicht ein kürzlich veröffentlichtes Eckpunktpapier der Bundesnetzagentur zu Smart Grid und Smart Market. Ziel eines solchen intelligenten Netzes ist die Integration fluktuierender erneuerbarer Energien sowie die Steigerung der Energieeffizienz. Gerade im Zusammenspiel des Smart Grid mit Elektromobilität werden große Synergien erwartet. Doch was muss beachtet werden?

Rechtlicher Rahmen

Das neue Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) enthält erste wichtige Bausteine zur Anpassung des Rechtsrahmens an ein zukünftiges intelligentes Stromnetz. Dies umfasst Regelungen zu einem Energieinformationssystem unter Netzbetreibern ebenso wie Vorgaben für ein sicheres und effizienzorientiertes, insbesondere aber auch den datenschutzrechtlichen Anforderungen entsprechendes, Smart Metering (intelligentes Messwesen). Ein weiterer wichtiger Punkt des neuen Energiewirtschaftsgesetzes sind Anreize zur Errichtung und Nutzung des Smart Grid. Für Netzbetreiber liegt der Reiz in einer erheblich verbesserten Netzsteuerung, die eine effektive Einbindung der erneuerbaren Energien ermöglicht. Die Endverbraucher sollen durch ein variableres Tarifsystem mit einem vergünstigten Strombezug zur Teilnahme am Smart Grid ermuntert werden.

Elektromobile sind meist nicht an die Zeiten einer starken allgemeinen Stromabnahme gebunden, ihre Stromabnahme ist „unterbrechbar“ und kann auch zu Zeiten mit geringer Netzauslastung erfolgen. So könnte der Aufladevorgang bei starker Netzauslastung gestreckt oder gegebenenfalls kurzzeitig unterbrochen werden. Um dieses Szenario zu ermöglichen, gibt das neue Energiewirtschaftsrecht vor, dass der Verteilnetzbetreiber verpflichtet ist, reduzierte Netzentgelte anzubieten, wenn ihm im Gegenzug die Steuerung der unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen gestattet wird, zu denen auch Elektro-Speicherheizungen und Wärmepumpen zählen.

Was der Gesetzgeber dabei mit „Steuerung von unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen“ und ersten Schritten „für eine intelligente Netzsteuerung im Bereich der Verteilnetze“ umschreibt, bietet für Stromlieferanten und andere Anbieter von Konzeptlösungen für Elektromobilität neue Vertriebsmöglichkeiten sowie für Netzbetreiber eine erste verlässliche Grundlage beim Einstieg in den Aufbau eines Smart Grid.

Verbesserte Netzsteuerung

Kern des Smart Grid ist die verbesserte Netzsteuerung durch die Kontrolle der unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen. Wird dem Netzbetreiber die Steuerung dieser gestattet, darf er nur ein reduziertes Netzentgelt verlangen. Er verliert dadurch unter dem Strich jedoch kein Geld, weil die ihm in der jeweiligen Regulierungsperiode zugebilligten Erlöse aus Netzentgelten (Erlösobergrenze) dadurch nicht sinken. Vielmehr werden ihm die Mindereinnahmen über das Regulierungskonto gutgeschrieben und erlauben ihm in der nächsten Periode ein entsprechend erhöhtes allgemeines Netzentgelt.

Zudem kann der Betreiber durch die Möglichkeit, die Stromabnahme bestimmter Verbraucher zu unterbrechen, seine Kosten für Ausgleichsenergie senken. Dies kann die Effizienz seines Betriebs steigern und so zu Mehreinnahmen führen. Gleichzeitig ermöglichen reduzierte Netzentgelte Stromlieferanten und anderen Anbietern von Elektromobilität attraktivere Produkte anzubieten.

Zuschaltbare Stromverbraucher

Die Pflicht der Netzbetreiber, für unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen reduzierte Netzentgelte anzubieten, betrifft jedoch nur eine Seite der Medaille, und zwar den Abwurf von Lasten bei erhöhter Stromabnahme aus dem jeweiligen Niederspannungsverteilnetz. Die andere Seite ist die gezielte Zuschaltung von Stromverbrauchern, wenn die allgemeine Stromabnahme zu gering ist. Die Vermarktung zuschaltbarer Lasten hat der Gesetzgeber dem Wettbewerb überlassen. Es besteht diesbezüglich keine Möglichkeit für Netzbetreiber, zuschaltbare Lasten durch reduzierte Netzentgelte zu begünstigen. Jedoch können beispielsweise Stromlieferanten zuschaltbare Lasten gezielt einsetzen, um Bilanzkreise auszugleichen oder die Elektromobile ihrer Kunden überwiegend in den Nebenzeiten mit günstigerem Strom zu betanken.

Branchenlösungen für Stromverbraucher

Anbieter von Elektromobilität sollten frühzeitig auf die Netzbetreiber zugehen und ausloten, wie Modelle für reduzierte Netzentgelte aussehen könnten. Zwar bedarf die gesetzliche Regelung noch einer Ausgestaltung durch eine Rechtsverordnung, die den Rahmen für die Reduzierung von Netzentgelten sowie die vertragliche Ausgestaltung absteckt und Vorgaben zu den Kommunikationsanforderungen und Messsystemen machen kann.

Allerdings besteht bereits heute, vor Erlass dieser Rechtsverordnung, die Gelegenheit, eigene Ideen und Forderungen zu formulieren, die dann bestenfalls bei der rechtlichen Ausgestaltung berücksichtigt werden. In Betracht kommen beispielsweise Regelungen zu folgenden Punkten:

  • Welche Steuerungsmaßnahmen sollten dem Netzbetreiber zustehen, weil sie sich im besonderen Maße eignen, den Netzbetrieb effizienter zu machen?

  • Wie werden die Steuerung unterbrechbarer Stromverbraucher und die Vermarktung zuschaltbarer Lasten sinnvoll abgegrenzt?

  • Wie können mobile Stromverbraucher einem Verteilnetz oder mehreren Verteilnetzen zugeordnet werden?

  • Wie werden mobile Zählpunkte in Elektromobilen eingerichtet und behandelt?

  • Welche kommunikativen Anforderungen sind an unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen zu stellen, um den Anforderungen an Smart Meter, auch mit Blick auf eine intelligente Netzsteuerung, gerecht zu werden?

  • Welche Messsysteme sind tauglich (wobei bei Elektromobilen auch die Rückspeisung von Strom ins Netz und deren Erfassung zu beachten wäre)?

  • Wie sehen die vertraglichen Eckpunkte zwischen dem Netzbetreiber und dem Betreiber des unterbrechbaren Stromverbrauchers aus (Dauer der Einbindung von Elektromobilen in die Steuerung durch den Netzbetreiber)?

Schon diese Aufstellung zeigt, dass möglichst früh Einfluss auf die weitere Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens genommen werden sollte. Sonst könnten interessante Modelle während ihres Entstehens die Geschäftsgrundlage verlieren.

Erweiterung der klassischen Stromlieferverträge

Anbieter von Elektromobilitätsprodukten müssen sich zudem überlegen, welche zusätzlichen Regelungen sie über eine reine Stromlieferung hinaus im Verhältnis zu ihren Kunden benötigen:

  • Die Kunden sollten dem Anbieter die vollständige Steuerung ihrer Stromverbraucher, wie etwa Elektromobile, gestatten und ihm die Möglichkeit einräumen, dieses Recht auf Netzbetreiber oder andere Dritte zu übertragen.

  • Sollen die variablen Tarife für das Aufladen von Elektromobilen sowie für die Stromabnahme von unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen in bestimmten Zeiten oder abhängig von der Last im Netz angeboten werden?

  • Kunden werden darauf bestehen, ihr Elektromobil auch zu Zeiten einer starken allgemeinen Stromabnahme aufladen zu dürfen, was vertraglich zu berücksichtigen ist.

  • Ferner bietet sich die Kündigung eines bestehenden Netznutzungsvertrages zwischen dem Kunden und dem Netzbetreiber zugunsten eines Lieferantenrahmenvertrages zwischen Anbieter und Netzbetreiber an.

Es wird deutlich, dass auch im Verhältnis des Anbieters zum Endverbraucher noch zahlreiche Aspekte zu klären sind. Auch hier ist sicherzustellen, dass sich das Geschäftsmodell rechtlich realisieren lässt und dabei immer noch für den Kunden interessant bleibt.

Neue Chancen zum Handeln und Optimieren

Insgesamt ergeben sich für Netzbetreiber und Stromanbieter der Elektromobilität neue Handlungs- und Optimierungsmöglichkeiten. Betreiber können die Gewinne steigern, indem sie durch eine intelligente Netzsteuerung Kosten senken und Vorteile in der kommenden Qualitätsregulierung erlangen. Lieferanten können durch neue Produkte neue Kunden gewinnen sowie die Kosten der Stromabnahme durch einen flexiblen Einsatz der Kapazitäten der unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen ihrer Kunden optimieren. Zudem können Anbieter bei dieser Gelegenheit ihre ohnehin bestehende gesetzliche Pflicht erfüllen, variable Tarife anzubieten.

Der Gesetzgeber hat die Rolle von Elektromobilen beim Aufbau des Smart Grid hervorgehoben, indem er sie als einzige unterbrechbare Stromverbraucher im Gesetz ausdrücklich benennt. Erfolg wird die Einbindung von Elektromobilen und anderer Stromverbraucher in die Netzsteuerung sowie in die Portfoliobewirtschaftung der Stromlieferanten jedoch nur dann haben, wenn der gesetzliche Rahmen durch praxistaugliche Konzepte ausgefüllt wird.

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