Smart Traffic & Mobility Die Zukunft des Dieselantriebs

Abgasreinigung für Dieselmotoren: Technik- und Kostentreiber

30.01.2014

Bislang war es die wichtigste Aufgabe der Dieselentwickler, den Motor sauber zu machen. Nun gilt es, den Verbrauchsvorsprung gegenüber dem Benziner zu behalten und Kunden in aller Welt zu überzeugen.

Jürgen Gerhardt kennt die Aufgabe: „Den Verbrauchsvorteil des Dieselmotors von 20 bis 30 Prozent zu erhalten.“ Der nüchterne Ingenieur leitet bei Bosch die Dieselsystem-Entwicklung. Grund Alarm zu schlagen hat er kaum: Bosch will den Absatz an Common-Rail-Dieseleinspritzsystemen von 2012 bis 2015 von acht auf zwölf Millionen Einheiten steigern.

Doch immer öfter und lauter stellt sich die Existenzfrage: Hat der Dieselmotor im Pkw noch Zukunft? Gleich mehrere Faktoren bringen den thermodynamisch effizientesten Verbrennungsmotor in Bedrängnis. Die meisten davon haben weniger mit Technik als mit Geld und Gesetzen zu tun. Bislang galt: Dieselmotoren sind aufgrund der hohen Mitteldrücke und der aufwendigeren Einspritztechnik etwas teurer als Ottomotoren, aber wer viel fährt, holt diese Anfangsinvestition durch den niedrigeren Verbrauch bald wieder heraus. Doch diese Rechnung gerät immer öfter ins Wanken.

Begonnen hatte es, als mit Verabschiedung der Abgasrichtlinie Euro 5 die Emission von Rußpartikeln rapide begrenzt wurde. Dieselfahrzeuge wurden flächendeckend mit zusätzlichen Partikelfiltern ausgerüstet. Mit Erfolg: Partikel sind „ein Thema der Vergangenheit“, so Gerhardt.

Dann kam Euro 6, für alle Neufahrzeuge gültig ab 2015. Diesmal ging es den Stick­oxiden (NOx) an den Kragen, dafür musste weitere Abgastechnik an Bord. Mit der im Lkw bereits erprobten selektiven katalytischen Reduktion (SCR) stand eine Technik zur Verfügung, die die Einhaltung der NOx-Grenzwerte sicher zulässt, jedoch zusätzliche Kosten mit sich bringt. Neben dem Katalysator selbst sind Komponenten zur Bevorratung und Einbringung des Reduktionsmittels, einer Harnstofflösung, zu entwickeln und zu verbauen.

Notwendig, so hat es sich erwiesen, ist die SCR-Technik nur für schwere Fahrzeuge ab etwa 1,5 t Gesamtgewicht. Leichtere Fahrzeuge mit geringeren Verbrauch emittieren weniger Stickoxide und kommen meist mit einem NOx-Speicherkatalysator aus. Der muss nicht einmal in einer eigenen Baueinheit bestehen, das katalytisch wirksame Material kann in den ohnehin vorhandenen Oxidationskatalysator eingebracht werden. Die Kosteneinsparung im Vergleich zu einem SCR-System ist erheblich, trotzdem dient in Summe die „Chemiefabrik im Abgasstrang“ nicht dazu, die Wettbewerbsfähigkeit des Dieselmotors zu erhöhen. Allerdings emittiert ein Euro-6-Dieselfahrzeug momentan weniger als ein Benziner. Der hat nämlich in seiner heute dominierenden Form als aufgeladener Direkt­einspritzer ein Problem mit der nun ebenfalls limitierten Partikelanzahl. Erst 2018 muss der Benziner den Diesel hierin wieder eingeholt haben [1], vermutlich nicht ohne Zusatzkosten.Auch hinter dem zweiten Problemfeld für den Dieselmotor steckt die europäische Gesetzgebung. Sie limitiert nämlich nicht den volumetrischen Verbrauch (wie die CAFE-Standards in den USA), sondern die klimarelevanten CO2-Emissionen. Und da beträgt der Abstand des Diesels zum Benziner aufgrund des um 15 % höheren Kohlenstoffanteils im Kraftstoff nicht bis zu 30 %, sondern eben nur 15 bis maximal 20 %.

CO2 als neue Währung

Um die Flottenemissionsziele zu erreichen, rechnen die Hersteller mittlerweile jede Technologie in einer neuen Währung, „Euro pro Gramm eingespartes CO2“. Wunderbar, sollte man meinen, denn mit einem Diesel ist fast die gleiche CO2-Einsparung zu erreichen, wie mit der Umstellung eines Benziners auf einen Vollhybrid, und das zu deutlich geringeren Kosten. Zudem besteht der Verbrauchsvorteil des Diesels, weil thermodynamisch begründet, auch auf langen schnellen Autobahnfahrten. Aber Maß der Dinge, zumindest für die drohenden Strafsteuern, ist die CO2-Emission im Normzyklus. Bei großen und schweren Fahrzeugen reicht der Verbrauchsvorteil des Diesels nicht immer, um unter die gewichtsklassen­spezifischen Grenzwerte zu kommen. An einer weitergehenden Elektrifizierung führt ab 2020 kaum noch ein Weg vorbei [2]. Trotz der Markteinführung erster Dieselhybridfahrzeuge ist kaum anzunehmen, dass in näherer Zukunft die Kombination der beiden teuren Technologien von der Mehrzahl der Kunden akzeptiert wird. Neuere Prognosen gehen daher von einem leichten Rückgang des Dieselanteils in Europa aus (siehe Grafik).

Nun ist Europa im weltweiten Pkw-Markt längst nicht mehr das Maß aller Dinge. Gelänge es dem Diesel, in Übersee auch nur annähernd ähnliche Marktanteile zu erreichen, wäre das Wachstumspotenzial enorm. Mit den Stückzahlen sänken auch die Herstellkosten weiter.

Doch auf den größten Pkw-Märkten der Welt, China und den USA, hat der Diesel ein weiteres Problem: Er gilt vielen Verbrauchern als reiner Truckantrieb. In China wollte die Regierung zunächst sogar die Nutzung des Dieselmotors im Pkw verhindern, es bestand Angst, dass die Raffineriekapazitäten nicht ausreichen, um die boomende Ökonomie mit ausreichend Dieselkraftstoff zu versorgen. Deutsche Hersteller und Zulieferer haben sich zusammengeschlossen, um die Regierung vom Gegenteil zu überzeugen. Die Lobbyarbeit hatte Erfolg, erste Diesel-Pkw sind an der Ostküste auf dem Markt.

Länger schon versuchen die deutschen Hersteller, amerikanische Kunden vom Dieselmotor zu überzeugen. Mit gemischtem Erfolg: Einerseits konnten sie in den letzten Jahren in einzelnen Modellreihen deutliche Zuwächse verzeichnen, 10 % Anteil scheinen erreichbar – mehr aber auch nicht. Inhomogen ist das Bild in anderen Märkten. So fährt in Indien jeder zweite Pkw mit Dieselmotor.

Vorläufig gilt: Das Rennen zwischen Diesel- und Ottomotor hat einen offenen Ausgang. Zumindest im Pkw. Denn wo nüchtern gerechnet wird und jeder Cent zählt, ob im Lastkaftwagen oder der Baumaschine, ist die Dominanz des Diesels ungebrochen.

Weitere informationen

[1] Europäische Abgas-Gesetzgebung: www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/emissionsstandards/
[2] Denner, Volkmar: Zukunft gestalten – Innovationen für effiziente Mobilität. Wiener Motorensymposium 2014

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel