„The times they are a changin’ ...“ wusste Bob Dylan schon 1963, als er sein epochales Album im Lichte der amerikanischen „civil rights movements“ veröffentlichte. Auch heute sehen wir uns gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungszwängen gegenüber. Um den Klimawandel einzudämmen und seine Folgen global abzufedern, stehen uns heute alle dazu notwendigen Technologien zur Verfügung.
Ist also technologische Innovation die einzige Lösungsstrategie für die globale Herausforderung „Klimawandel“? Müssen wir nicht zunächst und vor allem unser Konsumverhalten verändern? Wenn China dieselbe Fahrzeugdichte pro Kopf der Bevölkerung anstrebt, wie wir sie in Deutschland geradezu selbstverständlich beanspruchen, werden allein in China weitere 500 Millionen Kraftfahrzeuge gebraucht. Diesen Effekt durch Konsumverzicht in Europa zu kompensieren ist – selbst wenn wir in Europa ab heute alle Fahrrad fahren – unmöglich.
Steigender Energieverbrauch vs. Komfort und Effizienz
Die individuelle Mobilität muss also auf anderen, neuen Technologien, Energieträgern und Verhaltensweisen aufgebaut werden. Zum einen ist die individuelle Mobilität – kurz: das Auto – nicht der einzige, ja nicht einmal der größte Sektor der CO2-Belastung, steht aber gerade in der deutschen Gesellschaft im Mittelpunkt der Kritik. Und das, obwohl die deutsche Wirtschaft wie keine andere nationale Ökonomie von der Automobilindustrie profitiert.
Zum anderen gibt es viele Technologien, die zumindest als Übergangstechnologien helfen können, dem CO2-Anstieg kurzfristig zu begegnen. Ein batteriegespeistes Elektroauto, dessen rein elektrischer Energiebedarf ausschließlich aus dem heutigen deutschen Kraftwerkspark gedeckt wird, braucht zum Beispiel eine Fahrleistung von mehr als 100.000 km, um im CO2-Gesamtausstoß während des gesamten Lebenszyklus, also inklusive der Herstellung und Entsorgung, mit einem Diesel-Verbrennungsmotor neuster Generation gleichzuziehen. Trotz „Diesel-Gate“ und „Fridays for Future“-Debatte muss man diese technischen Fakten zur Kenntnis nehmen.
Und welche Rolle spielen dabei die neuen digitalen Technologien? Der Fluch des dramatisch steigenden Energieverbrauchs von „Serverfarmen“, „Rechenzentren“ und „Internetknotenpunkten“ oder der Segen der Digitalisierung zur Steigerung von Komfort, Effizienz und Produktivität in allen Lebensbereichen? Können digitale Technologien, kann Industrie 4.0 wirklich helfen, Energie einzusparen und so die CO2-Belastung direkt zu mindern?
Kann Industrie 4.0 den CO2-Ausstoß senken?
Zunächst hat jede Form der Effizienzsteigerung eine unmittelbare oder mittelbare positive Wirkung auf den Energieverbrauch: Die digitalen Geschäftsprozesse von Industrie 4.0 haben sehr häufig Produktivitätssteigerungen zum Ziel und mindern somit den CO2-Ausstoß. Gleichzeitig können moderne, digitale Technologien helfen, Sektoren wie zum Beispiel Energieerzeugung und industriellen Energieverbrauch zu koppeln. Intelligente, digitale Produktionsmittel – Maschinen, Anlagen, Fabriken – werden ihren Energieverbrauch am wirtschaftlichen Angebot ausrichten.
Prozesse und Maschinen speichern ausreichend Energie, beispielsweise in Form von Bewegung, sodass sich der Energieverbrauch im Minutentakt an das wirtschaftliche Angebot adaptieren wird. Spitzenlasten, die die Auslegung der Energieversorgung wesentlich bestimmen, können so abgebaut und der Verbrauch verstetigt werden.
Dass neue digitale Technologie den Weg in die „shared economy“ eigentlich erst ebnet, ist hinlänglich bekannt. „Car Sharing“ ohne „web-“ und „Cloud-basierte“ Portale oder Service- und Tracking-Systeme ist schlicht nicht denkbar. Hier wirken die neuen digitalen Technologien als echter „Enabler“. Es liegt an uns, die neuen Technologien entschlossen einzusetzen.
Dr. Gunther Kegel war mit diesem Beitrag im A&D-Kompendium 2019/2020 als Macher der Automation vertreten.