Der Weg zur E-Mobilität Leistungsfähigere Akkus für schnellere und nachhaltigere E-Autos

Eine Vielzahl an großen Forschungsprojekten unterstützt die Batterie- und Autoindustrie bei der Entwicklung der Akkus der Zukunft. Eines davon, ein „Horizon 2020“-Projekt namens „SeNSE“, ist Anfang 2024 zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen.

Bild: publish-industry, DALL·E
04.03.2025

In einem vierjährigen EU-Projekt unter der Leitung der Empa ist es elf Teams aus Forschung und Industrie gelungen, Batterien für Elektroautos entscheidend zu verbessern. Ein zentrales Ziel war es, die neuen Materialien und Technologien zu skalieren, um sie möglichst rasch auf den Markt zu bringen. Damit leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag für die Zukunft der Elektromobilität in Europa.

Nach 2035 sollen in Europa keine neuen Autos mit Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden. Um dieses hoch gesteckte Ziel zu erreichen, braucht es vor allem eins: bessere Akkus, damit Elektroautos schneller laden, längere Strecken fahren und einen kleineren ökologischen Fußabdruck haben. Eine Vielzahl an großen Forschungsprojekten unterstützt die Batterie- und Autoindustrie bei der Entwicklung der Akkus der Zukunft. Eines davon, ein „Horizon 2020“-Projekt namens „SeNSE“, ist Anfang 2024 zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen.

Initiiert und geleitet wurde das vierjährige EU-Projekt mit einem Gesamtbudget von über 10 Millionen Euro von Forschenden des Empa-Labors „Materials for Energy Conversion“. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung war das relativ junge Labor noch kaum bekannt auf dem Gebiet der Batterieforschung. Laborleiter Corsin Battaglia wusste: Um Teil eines europäischen Batterieprojekts zu sein, müssten er und seine Forschenden selbst eins auf die Beine stellen. Das gelang: Battaglia und sein Mitarbeiter Ruben-Simon Kühnel konnten akademische Institutionen und Industriefirmen aus der ganzen Welt an Bord holen und gewannen die Ausschreibung.

Technologien für heute

Das Ziel von „SeNSE“ war pragmatisch und ambitioniert zugleich. Die elf Teams wollten Lösungen für Lithium-Ionen-Batterien der nächsten Generation entwickeln – der nächsten, betont Battaglia, und nicht etwa der übernächsten. Will heißen: Nach Abschluss des Projekts sollten die entwickelten Materialien und Technologien möglichst nahe an der Produktion im industriellen Maßstab, und somit am Einsatz in Elektroautos stehen. „Wir forschen auch an Batterietechnologien, die potenziell um Welten besser sind als Lithium-Ionen-Akkus – nachhaltiger, sicherer, mit höherer Energiedichte“, sagt Battaglia. „Aber es dauert noch einige Jahre, bis sie industriell hergestellt werden können. In ,SeNSE‘ wollten wir Technologien entwickeln, die innerhalb von wenigen Jahren in marktfertige Elektroautos verbaut werden können.“

Dafür durchliefen die Projektmitglieder in nur vier Jahren beinahe die gesamte Wertschöpfungskette der Batterieherstellung: von der Entwicklung neuer Materialien, über deren Skalierung bis hin zum Einbau in Batteriezellen. Die etwa Smartphone-großen Zellen wurden vom Austrian Institute of Technology (AIT) hergestellt. Die FPT Motorenforschung, das Innovationszentrum der Marke FPT Industrial, die zur Iveco-Gruppe gehört, konnte sie daraufhin in ein fixfertiges Modul einbauen, wie es in einem elektrischen Fahrzeug verbaut wird – samt der dazugehörigen Elektronik und Software.

Alle Komponenten weiterentwickelt

Das „SeNSE“-Modul weist einige Verbesserungen gegenüber heutigen Akkus auf: Eine höhere Energiedichte und eine günstigere Umweltbilanz, Schnellladefähigkeit und erhöhte Brandsicherheit – und natürlich Wirtschaftlichkeit. Alle Kernkomponenten der Batterie wurden im Projekt weiterentwickelt. Die Kathode enthält nur halb so viel des kritischen Rohstoffs Kobalt wie heutige Akkus. In der Anode konnten die Projektteams einen Teil des Graphits – gerade wegen der Batterieherstellung ebenfalls als kritisch eingestuft – durch Silizium ersetzen, eines der häufigsten Elemente in der Erdkruste.

Auch der Elektrolyt – die Flüssigkeit, die Ionen zwischen den Elektroden überträgt und so das Laden und Entladen der Batterie ermöglicht – wurde verbessert. Hier waren die Empa-Forschenden federführend. „Herkömmliche Elektrolyten sind brennbar“, erklärt Empa-Forscher Kühnel. „Wir konnten die Brennbarkeit durch bestimmte Zusätze stark reduzieren, ohne dabei die Leitfähigkeit zu beeinträchtigen, die für schnelles Laden und Entladen zentral ist.“

Um die Schnellladefähigkeit weiter zu verbessern, entwickelte die britische Coventry University gemeinsam mit der FPT Motorenforschung außerdem ein ausgeklügeltes Temperaturmanagementsystem für das Pilot-Modul. Sensoren, die direkt in den Zellen eingebettet sind, überwachen die Temperatur innerhalb der Batterie in Echtzeit. Ein eigens dafür entwickelter Algorithmus kann die Zelle dann immer genau so schnell laden, dass sie nicht durch Überhitzung beschädigt wird.

Als größten Erfolg des Projekts nennen Battaglia und Kühnel die Skalierbarkeit und den direkten Transfer in die Industrie. Die beteiligten Industriefirmen konnten für die Neuentwicklungen aus „SeNSE“ bereits mehrere Patente anmelden, Pilotproduktionsanlagen bauen und Investorengelder sichern, sowie ihr erworbenes Wissen in weitere Batterietechnologien einfließen lassen. Die Chemiefirma Huntsman hat den Leitzusatz, der in den „SeNSE“-Elektroden zum Einsatz kam, sogar bereits auf den Markt gebracht, wo er nun Batterieherstellern zur Verfügung steht.

Der nächste Schritt

Ganz ohne Hürden verlief dieser Weg zum Erfolg nicht. Neben den großen organisatorischen Herausforderungen durch die Pandemie, die instabilen Lieferketten und die steigenden Rohstoff- und Energiepreise gab es auch technische Schwierigkeiten. So sind die Prototypzellen noch nicht so stabil, wie es das Projektteam gerne hätte. Auch die Skalierung, obschon erfolgreich, ist noch lange nicht abgeschlossen. „Wir haben alle Neuentwicklungen vom Labor- auf den Pilotmaßstab skaliert“, sagt Battaglia. „Für die Produktion in einer sogenannten Gigafactory, zum Beispiel unseres Projektpartners Northvolt, mit einer jährlichen Produktionskapazität von mehreren Gigawattstunden an Batterien, müsste die ganze Materialherstellung noch einmal um den Faktor 1.000 hochskaliert werden.“ Dafür ist der Einsatz der Industrie gefragt.

Die Empa-Forschenden wenden sich unterdessen bereits dem nächsten europäischen Batterieprojekt zu. „SeNSE“ hatte nämlich drei Schwesterprojekte, die in der gleichen Ausschreibung finanziert wurden. „Wir haben einen gemeinsamen Cluster für Batterieforschung gegründet und tauschen uns regelmäßig aus“, so Kühnel. Die Koordinatoren der vier Projekte haben nun ein gemeinsames „Horizon Europe“-Forschungsprojekt namens „IntelLiGent“ lanciert. Das Ziel: die Entwicklung von kobaltfreien Hochvoltzellen für Elektroautos.

„SeNSE“

Das „Horizon 2020“-Projekt „SeNSE“ hatte zum Ziel, die nächste Generation von Lithium-Ionen-Akkus zu entwickeln und die europäische Batterieindustrie zu stärken. Das vierjährige Projekt wurde von der EU mit 10 Millionen Euro unterstützt und von der Empa geleitet. Beteiligt waren die akademischen Institutionen Universität Münster, das Helmholtz-Institut Münster, die britische Coventry University, das Austrian Institute of Technology (AIT) und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) sowie mehrere Industriepartner: der schwedische Batteriehersteller Northvolt, das Schweizer Innovationszentrum von FPT Industrial, die FPT Motorenforschung, die französischen Start-ups Solvionic und Enwires sowie der Chemiekonzern Huntsman, mit Forschungsstandort in Basel.

Bildergalerie

  • Die neuen Lithium-Ionen-Zellen sind nachhaltiger, sicherer und haben eine höhere Energiedichte.

    Die neuen Lithium-Ionen-Zellen sind nachhaltiger, sicherer und haben eine höhere Energiedichte.

    Bild: SeNSE Consortium

  • Um die Skalierbarkeit der neuen Technologien zu demonstrieren, bauten die Projektteams ein fixfertiges Batteriemodul samt Steuerung und Software – wie es in Elektroautos eingesetzt wird.

    Um die Skalierbarkeit der neuen Technologien zu demonstrieren, bauten die Projektteams ein fixfertiges Batteriemodul samt Steuerung und Software – wie es in Elektroautos eingesetzt wird.

    Bild: FPT Motorenforschung

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