A&D:
Was muss bei Profibus noch hinzukommen, damit er weiterhin für Anwender attraktiv bleibt?
Karsten Schneider:
Eigentlich gar nichts, denn die Technik ist ausgereift. Woran wir bei PI arbeiten sind Vereinfachungen beispielsweise für den Gerätetausch. Damit man nicht mehr im Leitsystem an den Engineering-Daten konfigurieren muss, haben wir Mechanismen eingeführt, mit denen sich neue Geräte im System wie alte verhalten können. Das funktioniert einfach per Plug&Play. Auch an den Profilen werden wir weiterhin feilen.
Allerdings heißt die Ideallösung Profinet. Oder?
Ja, sicher. Denn hat man nur noch ein Netzwerk, ist die Anwendung einfacher zu warten. Zwar sind die Gateways, die Profibus mit Profinet verbinden, mittlerweile sehr leicht zu konfigurieren, aber es bedeutet auch ein Gerät mehr, das ausfallen kann. Daher wäre ein reines Ethernet-Netzwerk ideal. Damit kann auch direkt von oben bis aufs letzte Gerät hinunter zugegriffen werden. Aber dieser Übergang von einer Technik auf die andere braucht natürlich seine Zeit. Die Automobilbranche hat den Schritt gewagt: Hier sieht man Gateways nur noch selten.
Sehen könnte man zum Beispiel welche in explosionsgefährdeten Bereichen.
Da Ethernet noch nicht für den Ex-Bereich ausgelegt ist, wäre das denkbar. Aber dort funktioniert es anders: Dezentrale Peripheriemodule werden per Ethernet eigensicher angeschlossen. Auf Seiten von Profinet muss nichts weiter getan werden, zumal über den Feldbus auch keine Stromversorgung läuft. Solche Module werden separat mit Strom versorgt. Von der Peripherie geht es dann über eigensichere Signale, analog oder digital, in die einzelnen Sensoren. Es funktioniert gut, ist aber sicherlich auch eine Übergangslösung – wie Gateways.
Arbeiten Sie an einer Lösung für Ex-taugliches Profinet?
Wenn wir von Ethernet im Ex-Bereich reden, dann reden wir von eigensicherem Ethernet mit Zwei-Draht und Stromversorgung. Damit wollen wir bei PI warten, bis die Hersteller sich auf einen internationalen Standard geeinigt haben. Eine eigene Lösung macht keinen Sinn.
Gehört Wireless die Zukunft?
Ja, auch. Ob es jedoch Kabelverbindungen komplett ablösen wird, da bin ich mir nicht so sicher. Wireless eröffnet definitiv neue Möglichkeiten, zum Beispiel in fahrerlosen Transportsystemen oder in Lackierstraßen, wo sich Karosserien auf dem Förderband nicht nur vorwärtsbewegen sondern auch noch drehen müssen. Ohne Kabelverbindungen fallen hier Verschleißteile wie Schleifleiter weg. Aber das sind nur einzelne Stationen, keine kompletten Anlangen, die auch noch in Echtzeit funktionieren müssen. Das ist heute unverkabelt schwer zu lösen.
Müssen sich die Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle für Wireless ändern?
Nicht wenn es ein Standard-Ethernet-Protokoll ist, denn das ist wireless. Wir benutzen ja oft Wi-Fi. Das ist normales Ethernet auf den Schichten 1 und 2 im OSI-Modell; und solange sich da nichts ändert, müssen wir auch nichts tun. Denn unsere Protokolle liegen obendrüber. Das ist eigentlich das Schöne an Ethernet: Auf der unteren Ebene können Änderungen vorgenommen werden ohne dass wir unser Protokoll darüber ändern müssen. Und Anwender können die Verbesserungen trotzdem nutzen.
Also macht es bei einem Ethernet-Netzwerk gar keinen Unterschied ob Kabel oder Wireless?
Nicht ganz. Eine Wireless-Verbindung ist ein geteiltes Medium, dadurch stellt es eine geringere Performance zur Verfügung als eine kabelgebundene Lösung. Bei der Kalkulation der Update-Zeiten muss ein Engineering-System das natürlich berücksichtigen. Aber das ist alles, am Protokoll muss man nichts ändern.
Geben Sie mir bitte einen Ausblick: Wie wird die diskrete Fertigung in den kommenden zehn bis 15 Jahren kommunizieren?
Profibus wird es dann immer noch geben – wahrscheinlich mit 60 oder 70 Millionen Knoten. Und natürlich werden wir ihn dann auch noch pflegen. Bei Profinet wird selbstverständlich noch einiges geschehen. Das eine oder andere Profil wird hinzukommen und Bestehende werden sich verbessern. Dann gibt es das Thema vereinfachte Konfiguration, also eine Trennung der Netzwerkkonfiguration und der Automatisierung; und von Netzwerk-Administration und Automatisierungstechnik. Auch die Bandbreite wird eine große Rolle spielen, denn es werden immer mehr Daten über ein Kabel gehen. Bereits in den Startlöchern steht das Thema IPv6: Viel zu lange Netzwerkadressen sollen besser handhabbar gemacht werden, damit die Technik vernünftig anwendbar ist. Es wird selbst konfigurierende Netze geben; auch die Konnektivität zur Cloud ist ein wichtiges Thema. Und dadurch natürlich auch Security.