Welche Strategie für Profinet? Das perfekte Instandhaltungs-Match für die Anlage

Instandhaltungsstrategien im Vergleich: So finden Sie ihr „Perfect Match“.

Bild: publish-industry, DALL·E
28.10.2024

Die wesentlichen Ziele der Instandhaltung sind klar definiert. Sie soll die Erhaltung der Funktionsfähigkeit und Sicherheit einer Maschine oder Anlage über den gesamten Lebenszyklus sicherstellen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei industriellen Netzwerken zu, die sich wie ein zentrales Nervensystem durch die Fabrikhallen ziehen. Störungen in der industriellen Kommunikation können die gesamte Fabrik zum Stillstand bringen und damit enorme Ausfallkosten verursachen. Mit der passenden Instandhaltungsstrategie lässt sich dieses Risiko minimieren.

Die moderne Automatisierungstechnik ist aktuell von zwei wesentlichen Trends gekennzeichnet. Durch die zunehmende Miniaturisierung in der Elektronik und den steigenden Automatisierungsgrad werden die Anlagen störempfindlicher. Mit der Anzahl der eingebauten Komponenten nimmt die Komplexität und die Packungsdichte zu. Das erfordert die Reduzierung der Verlustleistung, etwa durch steilere Flanken, was jedoch zu höheren Störfrequenzen führt. Die hochfrequenten EMV-Störungen nehmen damit prinzipbedingt zu. Auf der anderen Seite sind durch die fortschreitende Digitalisierung heute immer mehr Maschinen und Anlagen verkettet, sodass bei einem Ausfall einer Maschine oder eines Werkzeugs die komplette Linie steht.

In der Regel sind auch keine Zwischenlager als Puffer vorhanden. Wenn beispielsweise bei einem Getränkehersteller der Roboter, der das Leergut aus den Kisten nimmt, eine Störung hat, bekommt die Spülmaschine nichts zu spülen und die Abfüllanlage kann nichts abfüllen. Die Produktion steht und das Produkt kann nicht geliefert werden. Wenn ohnehin im Dreischichtbetrieb produziert wird, kann ein solcher Produktionsausfall auch nicht einfach nachgeholt werden. Der direkte finanzielle Schaden lässt sich einfach berechnen: Kapazität der Anlage multipliziert mit der Dauer des Ausfalls. Dazu kommt der indirekte Schaden, weil der Händler aufgrund der ausgebliebenen Lieferung ein Wettbewerbsprodukt ins Regal stellt. Um solche Störungen und Ausfälle zu verhindern, gibt es in der Praxis verschiedene Instandhaltungsstrategien.

Instandhaltungsstrategien im Vergleich

Zu Beginn der Industrialisierung gab es den Begriff Instandhaltung nicht. Da wurden defekte Maschinen bei Bedarf einfach repariert oder durch neue ersetzt. Heute ist „Instandhaltung“ ein genormter Begriff, der in der DIN 31051 festgelegt ist. Dort sind auch verschiedene Instandhaltungsarten definiert. In der Praxis ist in der Regel von verschiedenen Instandhaltungsstrategien die Rede, weil neben den technischen Aspekten auch die Kostenseite betrachtet wird. Hier die gängigsten Ansätze:

Reaktive Instandhaltung (auch Feuerwehrinstandhaltung)

  • Vorteile: Es wird nur bei Bedarf repariert, wenig Organisationsaufwand, niedrige Grundkosten

  • Nachteile: Hohes Risiko von Anlagenausfällen, höhere Reparaturkosten möglich wegen direkter Folgeschäden, Produktionsausfälle wahrscheinlich

Präventive Instandhaltung (vorbeugend)

  • Vorteile: Reduzierte Ausfallwahrscheinlichkeit der Anlage, Verlängerung der Lebensdauer der Anlage, gute Planbarkeit der Instandhaltungsarbeiten

  • Nachteile: Höhere regelmäßige Kosten, möglicherweise ist die Wartung mangels Verschleiß unnötig oder es werden noch funktionierende Teile ausgetauscht

Zustandsorientierte Instandhaltung (verschleißabhängig)

  • Vorteile: Wartung basiert auf dem tatsächlichen Zustand der Anlage, ermöglicht eine effiziente Nutzung der Instandhaltungsressourcen, keine unnötigen Wartungen, geringe Ausfallwahrscheinlichkeit der Anlage

  • Nachteile:: Erfordert Technologie zur Überwachung und Datenerfassung, Know-how für die Datenanalyse notwendig, oft hohe Anfangsinvestitionen erforderlich

Prädiktive Instandhaltung (vorausschauend)

  • Vorteile: Nutzt fortschrittliche Technologien wie KI und maschinelles Lernen, um Anlagenausfälle vorherzusagen und zu verhindern, reduziert unerwartete Ausfälle auf ein Minimum

  • Nachteile: Je nach Anlage kann die Implementierung sehr komplex sein, hohe Investitionen erforderlich, kontinuierliche Datenanalyse und spezialisierte Fachkenntnisse sind Voraussetzung

Ein etwas anderer Ansatz ist TPM (Total Productive Maintenance). Hier soll das gesamte Personal in der Fabrik in die Verantwortung genommen werden. Es erfolgt keine klare Trennung zwischen dem Bedienpersonal und der Instandhaltung. Für die Funktion einer Anlage und die Qualität der produzierten Produkte sind alle Mitarbeitenden verantwortlich. Das Prinzip wird auch als „autonome Instandhaltung“ bezeichnet.

Korrektive Instandhaltung

Die korrektive Instandhaltung basiert auf der reaktiven Instandhaltung, unterscheidet sich jedoch in einem wesentlichen Punkt. Es geht nicht nur darum, dass die Anlage schnellstmöglich wieder produziert, sondern auch darum, die tatsächliche Ursache des Ausfalls zu finden und zu beseitigen. Bei einer defekten Steuerung soll untersucht werden, ob es ein Temperaturproblem gibt oder ob etwa durch einen Verbaufehler ein zu hoher Potenzialausgleichsstrom direkt ins Gerät geflossen ist. Das Ziel der korrektiven Instandhaltung ist es, die Fehlerursache, die zum Defekt führte, zu finden und zu beseitigen.

Das sind oft auch konstruktive Fehler, die seit der Installation und Inbetriebnahme in der Anlage vorhanden sind, sich aber erst im Laufe der Zeit auswirken. Manchmal bleiben einzelne konstruktive Mängel jahrelang unbemerkt. Die Maschinen und Anlagen erfüllen ihren Zweck und laufen nahezu störungsfrei. Im Laufe der Zeit können jedoch verstärkt sporadisch unerklärliche Effekte auftreten, die zu einer fehlerhaften Kommunikation oder auch zu einem Anlagenstillstand führen. Solange das AEG-Prinzip (Ausschalten-Einschalten-Geht) funktioniert, macht sich in der Regel kaum jemand darüber Gedanken, was die eigentliche Fehlerursache sein könnte. Die Beseitigung solcher Verbaufehler führt nicht nur dazu, dass die Komponenten länger leben, sondern allgemein zu einer höheren Anlagenverfügbarkeit. Die Anlage wurde konstruktiv verbessert. Im Idealfall fließen die gewonnenen Erkenntnisse auch bei der Konzeption neuer Anlagen mit ein.

Konstruktive Mängel

Verbaufehler beruhen meist auf einer fehlerhaften Konstruktion und Planung oder auf einer mangelhaften Ausführung bei der Installation. Solche Verbaufehler können auch bei der Einführung von neuen Verfahren und Technologien entstehen. Bis nicht bedachte Auswirkungen und Fehler erkannt werden und entsprechende Lösungen erarbeitet sind, kann es Jahrzehnte dauern – vor allem dann, wenn entsprechende Normen erstellt oder aktualisiert werden müssen. Besonders fehleranfällig sind auch Umbauten und Erweiterungen, bei denen nicht alle Randbedingungen beachtet wurden.

Konstruktive Mängel können auch vermutet werden, wenn eine Anlage von Anfang an hohe Stillstandszeiten hat und hohe Servicekosten verursacht. Solche Unzulänglichkeiten sind häufig zu Beginn der Produktionsphase zu beobachten. Sie werden nach und nach behoben, was je nach Komplexität der Anlage auch mehrere Monate oder Jahre dauern kann.

Ein Produktionsausfall im Automobilbereich kann besonders hohe Kosten verursachen. Ein aktuelles Beispiel ist der Stromausfall im März 2023 bei Tesla in Brandenburg aufgrund eines Anschlags auf die Stromversorgung. Bei einer Kapazität von 1.000 Fahrzeugen pro Tag und einem durchschnittlichen Preis von 50.000 Euro bitte beträgt der Umsatzverlust pro Tag 50 Millionen Euro. Genau genommen liegt auch hier ein konstruktiver Mangel vor, weil auf eine redundante Stromversorgung für das Werk verzichtet wurde.

Zu den wesentlichen konstruktiven Mängeln zählen:

  • Mehrfacherdung

  • Nutzung von Standard-Ethernet-Hardware innerhalb von Profinet-Installationen

  • Kabelasymmetrie in der Stromversorgung

  • Schirm ist nur einseitig aufgelegt

  • Schirm per Pigtail (Schweineschwanz) angeschlossen, statt flächig verbunden

  • Fehlender oder unzureichend dimensionierter Potenzialausgleich

  • Fehlende Trennung zwischen Energie- und Datenleitungen

  • Fehlende Erdung

Die Beseitigung solcher Konstruktions- und Installationsfehler ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung einer der oben genannten Instandhaltungsstrategien.

Zustandsorientierte Instandhaltung von Profinet

Durch „Condition Monitoring“ – oder auf Deutsch „permanente Zustandsüberwachung“ lassen sich plötzliche Anlagenstillstände verhindern, die durch eine schleichende Verschlechterung der Kommunikationsqualität aufgrund von Alterung verursacht werden. Speziell für Profinet haben die Experten für industrielle Feldbus- und Netzwerktechnik bei Leadec den Profinet-Quicktester PN-QT 20 entwickelt. Das kompakte Diagnose-Modul ist sowohl zur punktuellen Fehlersuche als auch zur Langzeitüberwachung einsetzbar. Es erkennt und signalisiert Fehler in der Profinet-Kommunikation beim ersten Auftreten – also lange, bevor es zu einem Netzwerkausfall und einem Anlagenstillstand kommt.

Das Diagnose-Modul ist sehr einfach zu handhaben. Es reagiert auf Lost Telegramme, Diagnosemeldungen und Neuanläufe und signalisiert die Ereignisse über einen potenzialfreien Alarmkontakt. Dieser kann zur Anzeige des Fehlers eine Warnleuchte oder eine Hupe auslösen – oder von der übergeordneten SPS erfasst werden. Sobald der Quicktester PN-QT 20 einen Fehler meldet, sollte der Instandhalter aktiv werden und untersuchen, in welcher konkreten Situation die Fehler auftreten. Verursacher von EMV-Störungen, Wackelkontakten oder Schleppkettenproblemen lassen sich in der Praxis schnell finden, wenn der Instandhalter die Anlage im Blick hat, während er auf das Signal der Hupe wartet.

Bildergalerie

  • Ein Strom von mehr als 10 mA lässt hier auf Mehrfacherdung auf 24-VDC-Ebene schließen.

    Ein Strom von mehr als 10 mA lässt hier auf Mehrfacherdung auf 24-VDC-Ebene schließen.

    Bild: Leadec

  • Der Profinet Quicktester PN-QT 20 erkennt und meldet Fehler in der Profinet-Kommunikation im laufenden Betrieb.

    Der Profinet Quicktester PN-QT 20 erkennt und meldet Fehler in der Profinet-Kommunikation im laufenden Betrieb.

    Bild: Leadec

  • Bei der Produktion von hochwertigen Gütern wie Automobile sind die Produktionsausfallkosten entsprechend hoch.

    Bei der Produktion von hochwertigen Gütern wie Automobile sind die Produktionsausfallkosten entsprechend hoch.

    Bild: Leadec, Carlos Aranda/Unsplash

  • Der Betrieb von Ethernet-Geräten aus dem Büroumfeld in Profinet-Netzwerken kann die Kommunikation in der Anlage stören.

    Der Betrieb von Ethernet-Geräten aus dem Büroumfeld in Profinet-Netzwerken kann die Kommunikation in der Anlage stören.

    Bild: Leadec

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