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Chancen der Digitalisierung in der Industrie Bedeutung nicht unterschätzen!

Im Vergleich zum Consumer-Bereich begannen die produktiven Industrien schon vor langer Zeit ihre digitale Transformation: Selbstfahrende Autos werden derzeit heiß diskutiert, aber autonomes Fahren ist seit Jahrzehnten bereits Realität bei Flugzeugen. Das Verbesserungspotenzial ist aber nach wie vor signifikant.

Bild: iStock, kentoh
25.10.2017

Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Aber wie kann der Sprung in das digitale Zeitalter auch der Industrie gelingen? Denn dort schreitet die Entwicklung langsamer voran als im Consumer-Bereich. Vincent Champaign, General Manager der GE Digital Foundry Europe, kommentiert die aktuelle Entwicklung.

Verbundene Objekte haben längst Einzug in unseren Alltag gefunden. Smartphone, Tablet und Co. werden längst wie selbstverständlich genutzt. Auch Gadgets wie AR-Brillen oder per Smartphone steuerbaren Gabeln erfreuen sich großer Beliebtheit bei den Konsumenten. Der Großteil dieser Trendobjekte hat einen Bezug zu E-Commerce, Immobilien, Banking, Transport oder Unterhaltung. Eben die Branchen, die zusammen nahezu die Hälfte unserer Wirtschaft ausmachen.

Doch warum ist das so? Zum einen neigen wir dazu, den Branchen, die uns alltäglich begegnen, zu viel Gewichtung zuzuschreiben. Jeder Mensch berührt mehrmals am Tag diverse Lichtschalter, jedoch keine Gasturbine oder Windkraftanlage, die ihre Elektrizität produziert, die Fertigungskette, die das eigene Auto produziert oder das Signalsystem des Zuges, den man nutzt. Während also die verarbeitende Industrie aus wirtschaftlicher Hinsicht sehr bedeutend ist, ist sie gleichzeitig in unserem Alltag umso unsichtbarer. Aus diesem Grund ist es auch sehr schwer, sich vorzustellen, inwiefern die Digitalisierung Abläufe ändern oder optimieren könnte.

Beschäftigung betrifft alle

Zum anderen sind die Auswirkungen der Digitalisierung der Industrie weniger drastisch in dem Bereich, der uns alle betrifft: Der Beschäftigung. In der Tat sind kundenorientierte Arbeitsplätze die, die wir am häufigsten wahrnehmen, da wir in direkten Kontakt mit ihnen stehen. Und diese Jobs sind mit Abstand jene, die am meisten von der Digitalisierung umgekrempelt werden. Aber Produktionsjobs in der Industrie sind bisher weit weniger von diesem Phänomen betroffen.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigung sorgen für Produktivitätsgewinne vergleichbar mit denen der Industrie in den vergangenen Jahrzehnten, die zwischen ein und zwei Prozent pro Jahr lag. Es ist also deutlich weniger spektakulär und daher wird auch weniger darüber gesprochen.

Digitale Zwillinge sorgen für Transparenz

Die industrielle Digitalisierung wird auf Anlagen wie beispielsweise Düsentriebwerken, bei Prozessen wie Anlagenketten einer Produktionslinie und anderen Systemen angewandt. Durch die Digitalisierung findet eine bessere Kontrolle der physischen Funktionsfähigkeiten und eine Einschränkung der Maschinen statt, was zu einer Verbesserung der Produktion führt. Außerdem wird die Anzahl der Maschinenausfälle verringert. Ursachen werden besser verstanden und Ausfälle können vorhergesagt werden. Wartungsarbeiten können so geplant werden, dass die Maschine am wenigsten Abschaltkosten verursacht. Auch eine bessere Koordination der Systeme wird durch die digitale Industrie ermöglicht.

Zu guter Letzt ermöglicht die digitale Industrie besser koordinierte Systeme. Wenn wir in der Lage sind, unsere thermische Energieerzeugungskapazität schnell und einfach zu speichern, könnten wir erneuerbare Energie nutzen, sobald die Sonne scheint oder der Wind weht. Des Weiteren können wir die Nachfrage regulieren, wenn wir den Stromverbrauch auf Zeitpunkte verschieben könnten, in denen erneuerbare Energien am stärksten produziert werden. Es ist auch möglich, mehr zu produzieren, wenn die Ausstattung der Produktionslinie besser mit den Mitarbeitern verbunden und koordiniert wird.

Mithilfe eines „Digitalen Zwillings“ lässt sich die gesamte Ausrüstung von seiner Konzeption bis zu seiner Demontage in Form eines digitalen Modells verfolgen und beobachten. Gespeist mit Daten von industriellen Sensoren, sowie kontextuellen Daten wie Wetter oder Handelsbedingungen, liefern „Digital Twins“ genaue Informationen über Geräte und helfen, Anomalien zu identifizieren bevor sie geschehen.

Signifikante Chancen

Im Vergleich zum Consumer-Internet begannen die produktiven Industrien im weitesten Sinne bereits vor langer Zeit ihre digitale Transformation: Selbstfahrende Autos werden derzeit heiß diskutiert, aber autonomes Fahren ist seit Jahrzehnten bereits Realität bei Flugzeugen. Aber das Verbesserungspotenzial ist nach wie vor signifikant – und es beeinflusst alle viel intensiver. In der Tat ist die Verbreitung von Technologien der Consumer-Internet-Technologien im industriellen Bereich langsamer - denn die Aufwände sind deutlich höher.

Zum einen müssen in einigen Industriezweigen wie Luftfahrt oder Energie, Innovationen vor dem Einsatz von den Regulierungsbehörden genehmigt werden. Zweitens sind die in den Industriesektoren notwendigen Daten in der Regel weniger frei zugänglich als im Consumer-Bereich. Infolgedessen ist die Zahl der potenziellen Innovatoren kleiner. Jeder Informatikstudent kann eine Restaurantbewertungs- oder eine Dating-App entwickeln. Wesentlich schwieriger ist es jedoch, eine App zu bauen, die die Leistung einer Gasturbine verbessern wird. Derartige Vorhaben müssen unsere Medien- und Bildungssysteme künftig stärker unterstützen, aber auch Talente erkennen und richtig fördern, damit derart anspruchsvolle Apps von diesen entworfen werden.

Branchen haben unterschiedliches Entwicklungstempo

Darüber hinaus entwickeln und bewegen sich alle Branchen nicht im gleichen Tempo. Forschung und Entwicklung verschlingen Milliarden von Dollar, die es zu finanzieren gilt. Entwicklungstechnisch langsam voranschreitende Sektoren sind beispielsweise weniger kritische Geräte wie Aufzüge, Heizsysteme oder Maschinen, die auf Fließbändern verwendet werden. Denn diese Anlagen haben eine sehr lange Lebensdauer. Beispielsweise Kernkraftwerke sind auf einige Jahrzehnte ausgelegt, was radikale Veränderungen bei diesen schwieriger gestaltet als bei Installationen, die ohnehin bereits nach einigen Jahren erneuert werden müssen. Zu guter Letzt kann die Architektur bestimmter komplexer Systeme - wie beispielsweise elektrischer Netze - eine radikale Entwicklung eines Teils des Netzes unabhängig vom Ganzen aufbauen.

Es gibt also durchaus gute Gründe für einen Widerstand gegen den Wandel einiger Industriezweige. Was allerdings nicht bedeutet, dass das digitale Potenzial in diesen Sektoren nicht stark ist. Die Renditen werden während der Bewegung durch die jeweiligen Investitionszyklen kommen. Ich werde oft gefragt, ob es irgendwelche spezifischen Industrien gibt, die das Rennen in der Digitalisierung anführen. Meine Beobachtung ist, dass es keine klare führende Industrie gibt - sondern vielmehr, dass jeder Sektor eine Handvoll an Vorreitern hat, die einen neuen Weg einschlagen wie Schindler, DB Cargo, Vodafone, Gas Natural Fenosa oder Continental.

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  • Potentielle Einsparungsmaßnahmen, angewandt auf spezifische globale Branchen

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    Bild: GE

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