Für Dichtungen, Schläuche, Bodenbeläge, Förderbänder, vor allem aber für Reifen wird der Milchsaft des Kautschukbaums verarbeitet. 2015 wurden rund zwölf Mio. t Naturkautschuk produziert und weitere 14 Mio. t Synthesekautschuk, um den weltweiten Bedarf decken zu können.
Wie gefragt ist Gummi?
Große Abnehmer sind in Deutschland Produzenten Technischer Elastomer-Erzeugnisse (TEE) sowie die Automobilindustrie. Während sich das TEE-Geschäft im ersten Halbjahr 2016 leicht verbesserte, erlebten die Reifenhersteller laut dem Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie (WDK) einen Umsatzrückgang. Dieser sei nicht allein auf sinkende Rohstoffkosten und damit verbundene niedrige Verkaufspreise zurückzuführen. Auch der internationale Wettbewerb mache den deutschen Reifenherstellern nicht nur im Ersatzgeschäft zu schaffen.
Ein Trend, der anhält: Auch 2015 konnten die deutschen TEE-Hersteller ihren Umsatz ausweiten, während sich die Automobilzulieferer deutlich schwerer taten, bei niedrigen Rohstoffkosten die Umsätze trotz höherer Stückzahlen zu steigern. Insgesamt erwartet der WDK für 2016 keine große Umsatzentwicklung in Deutschland, insbesondere, weil die hierzulande andauernde Investitionszurückhaltung auch vor der Kautschukindustrie keinen Halt mache. Diese investierte 2015 im Inland im vierten Jahr in Folge weniger. Dies sei laut WDK zum einen der Globalisierungsforderung wichtiger Kunden zuzuschreiben sowie zum anderen dem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland.
Reifenindustrie größter Abnehmer
Immerhin in Forschung und Entwicklung investiert die Branche, um wettbewerbsfähig zu bleiben. So wurden 2015 insgesamt rund 450 Mio. Euro in den nachhaltigen Fortbestand der Branche investiert – knapp fünf Prozent mehr als 2014. Besonders umtriebig ist die Automobilbranche und insbesondere die Reifenindustrie, die Hauptabnehmer für Naturkautschuk ist. Sie verbraucht jährlich etwa 70 Prozent der weltweiten Produktion.
Zwar unterscheiden Natur- und Synthesekautschuk sich chemisch gesehen kaum. Sie verfügen jedoch über unterschiedliche Eigenschaften, die je nach Anwendung von Vorteil sind. Gerade für Flugzeug- oder Lkw-Reifen, die besonders robust sein müssen, greifen viele Reifenhersteller nach wie vor auf Naturkautschuk zurück. Doch viele Plantagen, die Naturkautschuk ernten, leiden seit Jahren unter den sinkenden Preisen. Um weniger abhängig von Lieferanten zu sein, betreibt der Reifenhersteller Michelin eigene Plantagen. So deckt das Unternehmen zwölf Prozent seines weltweiten Bedarfs an Naturkautschuk.
Auch andere Reifenhersteller überlegen, wie sie ihren Bedarf nachhaltig decken können. So hat Pirelli gemeinsam mit dem Chemiekonzern Versalis einen Ultra-High-Performance-Reifen mit Naturkautschuk der Guayule entwickelt. Sie wächst in Wüstengebieten, gehört nicht zu den Nahrungspflanzen, benötigt nur wenig Wasser zum Wachsen und ist somit eine gute Alternative zum Kautschukbaum. Die Partner wollen nun eine breite technologische Plattform installieren, die den industriellen Einsatz von Guayule ermöglicht.
Vorbild für Verbesserungen
Einen ähnlichen Ansatz demonstriert Continental: Gemeinsam mit Partnern wie dem Fraunhofer IME beschäftigt sich das Unternehmen bereits seit einigen Jahren mit dem Potenzial von Löwenzahnkautschuk für die Reifenherstellung. Naturkautschuk ist zwar in mehr als tausend Pflanzenarten enthalten, doch nur wenige sind in der Lage, die ausreichenden Mengen und Qualitäten zu liefern. Eine dieser Pflanzen ist ein russischer Löwenzahn.
Die Projektpartner planen derzeit in Anklam in Mecklenburg-Vorpommern den Bau eines Forschungsstandorts. Investitionen von 30 Mio. Euro sollen in die erste Projektphase fließen. Nikolai Setzer, Continental-Vorstand verantwortlich für die Division Reifen, erklärt die Vorteile dieser neuen Kautschukquelle: „Die Kautschukgewinnung aus der Pusteblumenwurzel ist deutlich wetterunabhängiger als die vom Gummibaum. Durch den Anbau in viel kürzerer Entfernung zu unseren Produktionsstandorten würden wir darüber hinaus in nennenswertem Umfang sowohl die Umweltbelastung als auch den Logistikaufwand senken.“ Zudem helfe das Projekt, die Kautschukproduktion im Inneren einer Pflanze besser zu verstehen und somit auch Synthesekautschuk zu verbessern.
Effizientere Prozesse sind gefragt
Ein wichtiger Trend bei der Kautschkverarbeitung ist das Streben nach effizienteren Prozessen, erklärt Dr. Sylvia Mücke, Leiterin Forschung & Entwicklung bei Rema Tip Top: „Für viele Endprodukte können wir bei der Verarbeitung des Kautschuks heute die Mischprozesse effizienter ausrichten und steuern – das spart Energie und Zeit. Vordispergierte, polymergebundene Additive können hier zusätzlich helfen, die Verarbeitung zu erleichtern und die Eigenschaften des finalen Produkts zu verbessern.“
Zwar verbraucht das Unternehmen als Hersteller von Reifenreparaturmaterial, Förderbändern und Verschleißteilen für die Industrie weniger Kautschuk als große Reifenhersteller. Dennoch sollen alle Rohstoffe so nachhaltig wie möglich verwende werden: „Aufgrund unserer Materialexpertise sind wir in der Lage, für jede Anwendung die optimale Gummimischung zur Verfügung zu stellen. Dabei setzen wir immer die bestmögliche Kombination von Rohstoffen ein, bei der die Eigenschaften genau zum Einsatz passen, und vermeiden dadurch Ausschuss“, erklärt Dr. Mücke.
Nachhaltigkeit hat viele Einsatzfelder
Auch Dichtungshersteller Freudenberg Sealing Technologies setzt auf Nachhaltigkeit. In seiner nordamerikanischen Tochtergesellschaft verarbeitet das Unternehmen den biobasierten EPDM-Kautschuk Keltan Eco von Lanxess. Der Synthesekautschuk enthält bis zu 70 Prozent Ethylen, das aus Zuckerrohr gewonnen wurde und damit die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen reduziert.
Die Anwendungen für Compounds auf Basis von Keltan Eco-Polymeren reichen von Dichtungen für Kühlmittel bis hin zu Bremsflüssigkeit und Hydraulikflüssigkeiten, wie sie in der Luftfahrt eingesetzt werden. Dem Wettbewerbsdruck unter den Kautschukverarbeitern möchte man mit drei Schlüsselmaßnahmen begegnen. Dr. Ernst Osen, Vizepräsident Technology & Innovation, Material Technology: „Starke Rationalisierung – also Energie- und Materialverbräuche senken bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktion – und Automatisierung über intelligente Werkzeugkonzepte. Ein weiterer Vorteil ist ein globales Produktionsnetzwerk mit Fertigungsstätten dicht am Kunden.“ Der größte Erfolgsfaktor liege jedoch in der Differenzierung durch Innovationen.
Der Synthesekautschukhersteller Zeon konzentriert sich auf die Verbesserung von künstlichem Kautschuk und arbeitet unter anderem daran, den Grundstoff für Dichtungen zu verbessern. Das Unternehmen hat dafür Zetpol vorgestellt, eine neue Hochleistungsvariante von hydriertem Acrylnitrilbutadien-Kautschuk. Dieser soll dank einer neuen Mischungstechnologie und -rezeptur unter anderem ein besseres Langzeitalterungsverhalten bieten und einfacher zu verarbeiten sein.
Potenzial im ganzen Kreislauf
Neben effizienteren Prozessen, verbesserten Mischungen für Synthesekautschuk und der Suche nach nachhaltigen Lösungen bei Naturkautschuk ist auch Recycling ein Thema für die Branche. „Stoffliches Recycling von vulkanisiertem Kautschuk wird bereits praktiziert – allerdings mit Einschränkungen, da es bislang nicht gelungen ist, den Prozess der Vulkanisierung vollständig rückgängig zu machen“, sagt Dr. Sylvia Mücke von Rema Tip Top. Das Unternehmen setzt in einigen seiner Produkte im Durchschnitt bereits 10 bis 20 Prozent an ausgewähltem Gummigranulat ein.
„Die Verwendung von Reifen-Rezyklat zur Herstellung neuer Produkte ist ein wesentlicher und nachhaltiger Beitrag zur Ressourcenschonung und zur Schließung von Stoffkreisläufen“, betont auch Helmut Hirsch, Pressesprecher des WDK. Der Verband warnt jedoch vor einer Überregulierung auf diesem Gebiet. So sollen für Bauprodukte aus Reifen-Rezyklat demnächst zusätzlich verschärfte Anforderungen an den ohnehin geringen Gehalt an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) gelten. Dies könne die Recyclingbemühungen der Branche deutlich bremsen.