ESD im Griff Elektrostatische Entladungen - Ursachen, Folgen und Schutz

Ein effektiver ESD-Schutz wissen Experten zu schätzen.

29.08.2019

Elektrostatische Entladungen bedrohen täglich eine Unmenge elektronischer Geräte und Maschinen. Wer die Ursachen und Folgen von ESD-Schäden kennt, der schätzt einen effektiven ESD-Schutz.

Bei der Fertigung elektronischer Geräte erscheint der Schutz vor elektrostatischen Entladungen (ESD) mitunter als unnötiger Mehraufwand. Wird dieser Aspekt jedoch vernachlässigt, kann das zu ernsthaften Qualitätsproblemen führen, die unter Umständen erst Tage, Wochen oder sogar Monate nach Auslieferung des Produktes an den Kunden auftreten. Tom Westcott, Leiter des Bereichs Quality and Legislation bei Distrelec, erläutert, wie die rechtzeitige Berücksichtigung von ESD-Risiken Ausfälle beim späteren Einsatz der Produkte verhindern und die Gesamtqualität des Montageprozesses verbessern kann.

Ursachen und Folgen von ESD

Die Ursachen elektrostatischer Entladungen sind vielfältig und zum Teil überraschend. Beispielsweise können sich an Klebebandrollen oder Klebebandabrollern Spannungen von bis zu einigen Tausend Volt aufbauen. Das liegt vor allem an den isolierenden Eigenschaften, die solche Gegenstände meist aufweisen und durch die sich elektrische Potenziale aufbauen können. Selbst Plastikbeutel, die elektronische Komponenten enthalten, können eine statische Aufladung bewirken, die zwischen einigen Hundert Volt und über 1000 Volt liegen kann.

Wenn sich diese Spannung an Halbleiterbauelementen entlädt, kann dies zu einer Reihe von Problemen führen. Ist der induzierte Strom stark genug, kann es beispielsweise zu einem Defekt der Halbleiter-Sperrschicht kommen. Bei den neuen Hochleistungsbauelementen mit Strukturgrößen von 10 nm und 7 nm ist das Risiko sogar noch grösser. Diese weisen Gate-Oxide auf, die nur wenige Nanometer dick sind und mit niedrigen Spannungen operieren – damit sind sie noch anfälliger für Schäden durch hohe ESD-Spannungsdurchschläge.

Auch wenn es nicht sofort zu einem Totalausfall kommt, kann die Sperrschicht geschwächt werden, da der Stromimpuls die Oxidschicht beschädigt. Das verkürzt die Lebensdauer des Bauelements und kann zu einem Ausfall im laufenden Betrieb führen oder wichtige Parameter wie Schaltgeschwindigkeit oder Stromverbrauch ändern. Durch eine hohe Entladung kann auch die Isolierung durchbrennen und es können Kurzschlüsse in der Metallisierung unterschiedlichster Bauteile auftreten, nicht nur bei Halbleitern. Dadurch verringert sich der reale MTBF-Wert (Mittlere Betriebsdauer zwischen Ausfällen) des Moduls oder Subsystems im Vergleich zum berechneten MTBF-Wert und auch hier kann es später zu verfrühten Ausfällen im laufenden Betrieb kommen.

Auch elektrostatische Entladungen von fest installierten Maschinen können ESD-Schäden verursachen. Dazu kommt es, wenn ein nicht geerdetes Teil einer Maschine oder eines Werkzeugs während der Montage mit einem ESD-empfindlichen Teil in Berührung kommt – ein Risiko, das manchmal übersehen wird. Eine dritte Ursache, die zwingend berücksichtigt werden sollte, sind die elektrostatischen Entladungen geladener Geräte. Dazu kommt es, wenn ein Bauteil oder Gerät selbst eine elektrische Ladung aufbaut und dann mit einer leitfähigen Oberfläche in Berührung kommt. Die schnelle und energiereiche Entladung, zu der es dabei kommt, kann ein ESD-empfindliches elektronisches Bauteil beschädigen. 

Einige effektive Lösungen für den ESD-Schutz

Ausfälle durch Kurzschlüsse oder einen Defekt der Oxid-Sperrschicht, die durch ESD an elektronischen Bauelementen verursacht wurden, werden in der Regel rechtzeitig bei abschließenden Tests festgestellt. Oft sind es jedoch latente Defekte, die größere Auswirkungen auf die Gesamtzuverlässigkeit eines Systems haben. Daher sollten in der gesamten Lieferkette verschiedene Strategien umgesetzt werden, um das Risiko elektrostatischer Entladungen zu minimieren.

Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung elektrostatischer Entladungen ist der Einsatz einer entsprechenden Arbeitsstation. Erdungsstreifen an Schuhen, Werkbänken und Geräten können dazu beitragen, das Risiko eines ESD-Vorfalls zu verringern, genauso wie Schulungen, in denen die Mitarbeiter über die häufigsten ESD-Ursachen informiert werden. Zusätzlich ist jedoch eine einheitliche Masseebene über alle Werksbereiche hinweg erforderlich, um Probleme zu vermeiden.
Die wichtigste Lösung zur Vermeidung elektrostatischer Entladungen durch Maschinen besteht darin, Maschinenteile und Werkzeuge zu erden. Dies kann allerdings bedeuten, dass mehrere Werkzeuge in einer Montagelinie ersetzt oder Werkzeuge mit Erdungsleitungen versehen werden müssen.

Gegen ESD durch elektrostatisch aufgeladene Geräte können dagegen Ionisatoren eingesetzt werden, die in der Umgebungsluft Ströme positiver und negativer Ionen erzeugen und damit den Aufbau einer Ladung auf den Komponenten selbst verhindern. Eine Reduzierung der Teilebewegungen durch das Werk, die Verwendung von zuverlässig abgeschirmten Behältern und eine einheitliche Masseebene können ebenfalls dazu beitragen, Beeinträchtigungen durch diesen ESD-Typ zu verringern.

Neben der Erdung ist die Lagerung ein wichtiges Thema. Antistatische Beutel können im Laufe der Zeit ihre ESD-Schutzfunktion verlieren, und Behälter für Teile und Werkzeuge müssen ebenfalls gegen elektrostatische Aufladung geschützt werden. Ionisatoren tragen dazu bei, dass sich an Werkzeugen und Arbeitsstationen keine Ladung aufbaut. Es ist jedoch wichtig, auf die Emitter zu achten und sicherzustellen, dass ein gleichmäßiger Anteil positiver und negativer Ionen erzeugt wird.

Ionisatoren können zudem Informationen zu statischen Bedingungen und zum Zustand der Geräte liefern. Die Verknüpfung der Diagnose- und Leistungsdaten eines Ionisators mit den Werksmanagementsystemen – als Teil des industriellen Internets der Dinge (IIoT) – kann wertvolle Informationen liefern, die die Zuverlässigkeit erhöhen und für Sicherheitsbewertungen und das Gesamtrisikomanagement genutzt werden können.

Geräteentwickler berücksichtigen ESD auch auf Systemebene durch die Integration von Schutzeinrichtungen, besondere bei Geräten mit Hochgeschwindigkeitsschnittstellen. Der ESD-Schutz muss jedoch nicht nur für die dynamischen Bedingungen ausgelegt sein, die elektrischen Parameter dürfen auch keine Signalintegritätsstörungen an einer Datenschnittstelle verursachen. Effektiver ESD-Schutz bietet in der Regel eine schnelle Ansprechzeit, niedrige Betriebs- und Klemmspannungen, einen geringen Leckstrom und niedrige Kapazität.

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