Bereits am 31. Mai 2018 endete die dritte und damit letzte REACH-Übergangsfrist für die Registrierung von Phase-In-Stoffen. Damit hat REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) einen wichtigen Meilenstein erreicht. Doch das Chemikalienrecht ist nicht statisch und sowohl die EU-Kommission als auch die ECHA (European Chemicals Agency) entwickeln das Regelwerk kontinuierlich weiter.
So hat die Europäische Kommission am 3. Dezember 2018 spezifische Vorschriften für Nanomaterialien in neun Anhängen der REACH-Verordnung im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Diese Präzisierungen für Nanomaterialien sollen mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen schaffen und werden ab dem 1. Januar 2020 in Kraft treten. Der REACH-Leitfaden dazu soll bis Mitte 2019 angepasst werden.
Welche Änderungen erfordern ein Update?
Registranten sind verpflichtet, ihre Dossiers umgehend zu aktualisieren, sobald neue REACH-relevante Informationen vorliegen. Dies ist unter anderem der Fall, wenn sich der Unternehmensname, die Adresse oder der Status als Importeur oder Hersteller ändert. Auch wenn sich ein neuer Anwendungsbereich des Stoffes ergibt, ist eine Aktualisierung zwingend notwendig. Hier sind die Registranten gefordert, denn aus der Lieferkette werden oft erst jetzt neue Verwendungen gemeldet. Dossier-Updates sind ebenfalls obligatorisch, wenn sich das registrierte Mengenband – also das jährliche Produktions- oder Importvolumen – erhöht, oder wenn ein neuer Stoff ab einer Jahrestonne in das Unternehmensportfolio aufgenommen wird.
Ergeben sich neue Erkenntnisse zu den Risiken eines Stoffes, führt dies in der Regel zu einer Anpassung des Sicherheitsdatenblatts (SDB) als auch der Dokumentation der Sicherheitsbeurteilung (CSR). Auch dies sind Gründe für eine Aktualisierung.
Durch die Bewertung der chemischen Stoffe durch die ECHA und die Mitgliedstaaten kann ebenso ein Aktualisierungsbedarf entstehen, falls die Eigenschaften der registrierten Stoffe neu angesehen wurden. Die ECHA ist immer noch mit der inhaltlichen Prüfung der eingereichten Dossiers beschäftigt, sodass davon auszugehen ist, dass diese fallweise nachzubessern sind.
Zulassungskandidaten regelmäßig prüfen
Außerdem sollten Unternehmen die Liste der Zulassungskandidaten genau im Blick behalten. Denn dass ein Stoff bisher nicht gelistet wurde, ist kein Garant, dass das in Zukunft so bleibt. Die Liste der sogenannten besonders besorgniserregenden Stoffe, genannt Substances of Very High Concern (SVHC), wird zweimal im Jahr geprüft und bei Bedarf erweitert. Wird ein Stoff neu aufgenommen, sind alle Unternehmen der Lieferkette gefordert, den daraus resultierenden Anforderungen, insbesondere den Kommunikationspflichten, gerecht zu werden.
Benötigt ein Stoff tatsächlich eine Zulassung, weil er in den Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen wurde, können Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender eine solche beantragen. Im Erfolgsfall wird eine zeitlich befristete Zulassung erteilt, die jedoch ausschließlich für die beantragten Verwendungen gilt. Pauschale Zulassungen für einen bestimmten Stoff gibt es nicht. Die ECHA empfiehlt daher allen Akteuren, die Evaluation bestimmter Stoffe von der Aufnahme in die Kandidatenliste bis zum Eintrag in REACH Anhang XIV kontinuierlich zu verfolgen.
Ebenso sind die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische und Erzeugnisse durch das EU-Chemikalienrecht reglementiert. Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, dass diese ein nicht tragbares Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstellen, wird der entsprechende Absatz der Verordnung ergänzt oder erweitertet. Auch dies ist ein stetiger Prozess, der von den Unternehmen aufmerksam beobachtet werden muss.
Dies alles zeigt, dass es von essenzieller Bedeutung ist, jederzeit auf dem aktuellen Wissensstand zu sein. Die Directors’ Contact Group (DCG) empfiehlt aus diesem Grund, die Substance-Information-Exchange-Foren (SIEF) auch nach der Dossier-Einreichung als Plattform für den Informationsaustauch zwischen Registranten und Co-Registranten sowohl für Phase-in-Stoffe, Nicht-Phase-in-Stoffe oder Notifications of New Substances (NONS) beizubehalten.
Mehr Aufgaben für den Arbeitsschutz
Bis zum 31. Mai 2018 wurden insgesamt 21.551 verschiedene Stoffe registriert. Doch eine signifikante Anzahl der zugehörigen Sicherheitsdatenblätter entspricht nicht den Anforderungen, die sich aus der REACH- oder indirekt aus der CLP-Verordnung ergeben. Viele Registranten werden nachbessern müssen. Ansonsten drohen Strafen, da die Stoffe nur gemäß (erweitertem) Sicherheitsdatenblatt und CSR eingesetzt werden dürfen.
Durch REACH erweitern sich auch die Aufgaben des Arbeitsschutzes. Beispielsweise müssen Expositionsgrenzwerte – sogenannte Derived No-Effect Level (DNEL) – eingehalten werden. Unterhalb des Grenzwerts führt der Stoff zu keiner Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit. Die Werte wurden für registrierte Stoffe abgeleitet, deren jährliche Produktionsmengen 10 t überschreiten. Die Grenzwerte haben Einfluss sowohl auf Gefährdungsbeurteilungen als auch Betriebsanweisungen. Sollten neue Risiken für einen Stoff bekannt werden, sind Anpassungen notwendig.
Vollzugsprogramme für Chancengleichheit
Unternehmen, die viel Zeit und Geld investiert haben, um ihre Registrierungspflichten zu erfüllen, werden unter dem Aspekt der Wettbewerbsgleichheit Vollzugsprogramme begrüßen. Bisher sind die einzelnen Mitgliedstaaten zuständig, auch wenn die ECHA begonnen hat, im Laufe des Jahres 2019 ein Projekt EU-weit umzusetzen. Inspektoren und Zollbehörden prüfen, ob die Unternehmen ihrer Registrierungspflicht nachgekommen sind. Untersucht wird ebenfalls, ob die Registrierung eines Stoffes als Zwischenprodukt korrekt ist und mit den SCC-Bedingungen für Stoffe, die unter „Strictly Controlled Conditions“ hergestellt oder verwendet werden, konform ist. Geprüft wird zusätzlich, ob im Unternehmen ein Prozess zum Dossier-Update definiert, dokumentiert und umgesetzt wurde.
Im Trend: Full Material Declaration
REACH hat in vielen Unternehmen zu einem Umdenken geführt und den Weg zu einer ganzheitlichen Betrachtung des Stoffmanagements geebnet. Um die Chemikaliensicherheit weiter zu verbessern und Mensch und Umwelt umfassend zu schützen, erarbeiten und implementieren immer mehr Unternehmen der Prozessindustrie FMD-Prozesse (Full Material Declaration). FMD hat unter anderem den Vorteil, dass Hersteller oder Importeure genauestens über die Zusammensetzung ihrer vermarkteten Produkte und gelieferten Bestandteile informiert sind. So können sie sicher sein und nachweisen, dass diese sowohl den gesetzlichen als auch den speziellen Anforderungen der Kunden entsprechen.
Außerdem sind in der FMD bereits verschiedene Regularien wie REACH oder RoHS (Restriction of Hazardous Substances) inkludiert. Wirtschaftlich relevant ist auch, dass durch ein umfassendes Stoffmanagement neue Produkte vorausschauend geplant werden können und Obsoleszenzen wie Beschränkungen und Zulassungen transparent werden.
Die REACH-Verordnung ist nach Aussagen von Experten weder perfekt, noch wird sie immer perfekt umgesetzt. Dennoch ist sie das beste Chemikaliengesetz weltweit. Damit dies so bleibt, wurde ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess implementiert: In der ATP (Adaption to Technical Progress) erfolgt jährliche eine Anpassung an den technischen Fortschritt. Auch in Zukunft wird es Neuaufnahmen und Änderungen der harmonisierten Einstufungen geben, die sich direkt auf die REACH-Verpflichtung auswirken. Ebenso wird es bei neuen Themen zu Überarbeitungen der EU-Verordnung selbst kommen. So ist beispielsweise die angekündigte Anpassung für Nanoformen bereits Ende des vergangenen Jahres veröffentlicht worden.
Nicht nur für KMUs ist es eine Herausforderung, jederzeit über alle relevanten Änderungen und deren Auswirkungen informiert zu bleiben und daraus die richtigen Maßnahmen abzuleiten. TÜV-Süd-Experten unterstützen die Unternehmen der Prozessindustrie dabei, die komplexen Anforderungen zu erfüllen, die sich aus der sich dynamisch weiterentwickelnden REACH-Verordnung ergeben.