Prozessautomation Energieeffizienz als Pflicht und Kür

Bild: Yaskawa, diephosi
06.11.2015

Mit dem Projekt „20-20-20“ verfolgt die EU ehrgeizige Ziele: Bis 2020 soll der CO2-Ausstoß um 20 Prozent reduziert werden, der Anteil an erneuerbaren Energien 20 Prozent betragen und die Energieeffizienz um 20 Prozent gesteigert werden. Die europäische ErP-Richtlinie formuliert dazu die generellen Anforderungen an die Effizienz energieverbrauchsrelevanter Produkte. Die energieeffiziente Konzeption kompletter elektrischer Antriebssysteme ist besonders betroffen.

Die europäische ErP-Richtlinie (2005/32/EC und 2009/125/EG), auch Ökodesign-Richtlinie genannt, wurde 2005 von der Europäischen Kommission verabschiedet, um die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte (Energy-related Products, ErP) auf EU-Ebene zu regeln. Dazu zählen mit Ausnahme von Verkehrsmitteln fast alle Produkte, die Energie verbrauchen. Voraussetzung: Jährlich werden mindestens 200.000 Stück im EU-Gebiet in Umlauf gebracht. Damit betrifft die ErP-Richtlinie auch die Konzeption elektrischer Antriebssysteme.

Zwei entscheidende Arbeitsphasen sind bei der Einführung der ErP-Richtlinie abgeschlossen. Dort wurden vorrangig Anforderungen an die Effizienz einzelner Produkte definiert. Mit der dritten Phase der ErP-Richtlinie seit 2015 gewinnt der dort formulierte „erweiterte Produktansatz“ an Bedeutung. Dieser besagt, dass künftig nicht mehr nur der Effizienzgrad der einzelnen Komponenten zählen wird, sondern zunehmend die Systemeffizienz der gesamten Anlage.

Die konkrete Umsetzung der übergreifenden ErP-Direktive regeln nachgeordnete und ergänzende Richtlinien sowie harmonisierte Normen. Für elektrische Antriebe sind dies vor allem zwei: die Europäische Norm EN 50598 und die internationale IEC/EN 60034-30. Während die IEC/EN 60034-30 die Effizienzklassen von Motoren definiert, wurden in der EN 50598 die Effizienzklassen für Frequenzumrichter und das „Power Drive System“, bestehend aus Frequenzumrichter und Motor, festgeschrieben. Auch beschreibt die EN 50598 rechnerische und messtechnische Verfahren zur Ermittlung der Systemeffizienz.

Die Ende 2014 genehmigte und veröffentlichte EN 50598 umfasst drei Teile, die schrittweise bis Januar 2016 veröffentlicht werden sollen. In Hinblick auf die ErP-Richtlinie bildet die EN 50598 bis zu ihrer vollständigen Harmonisierung rein rechtlich nur eine Orientierung und Hilfe bei der Umsetzung – eine recht verlässliche immerhin. Ausweislich ihres Titels beschreibt die Norm das „Ökodesign für Antriebssysteme, Motorstarter, Leistungselektronik und deren angetriebene Einrichtungen“.

Darunter fallen im Einzelnen:

  • Frequenzumrichter als Einzelkomponenten (CDM)

  • der Motor (mit Referenz auf IEC 60034-30-x)

  • die Kombination aus Frequenzumrichter und Motor (PDS)

  • Antriebssysteme in Verbindung mit einer Last (zum Beispiel einer Maschine) als sogenannte erweiterte Produkte (Extended Product)

Wie diese Aufführung zeigt, deckt die EN 50598 die eigentlichen Motoren also nicht ab. Hier kommt die internationale Norm IEC/EN 60034-30 zum Tragen. Diese war ursprünglich für Asynchronmotoren definiert. Durch die zunehmende Verbreitung anderer Drehstrommotoren wurde allerdings eine Überarbeitung der Norm notwendig. Deshalb wird sie aktuell durch die beiden Normen IEC 60034-30-1 für direkt am Netz betriebene Motoren und die IEC 60034-30-2 für am Frequenzumrichter betriebene Motoren ersetzt. Die Veröffentlichung der IEC 60034-30-2 ist für 2016 vorgesehen.

IES0 bis IES2

Bis zur endgültigen Neufassung der Norm können die in der IEC/EN 60034-30 genannten Effizienzklassen für Motoren weiter als verfügbare normative Referenz angesehen werden. Sie reichen von IE1 bis zur höchsten Effizienzklasse IE4. Inzwischen sind hocheffiziente Motoren verfügbar, die die Anforderungen dieser höchsten Effizienzklasse erreichen oder deutlich übertreffen – darunter alle von Umrichtern angetriebenen Motoren von Yaskawa. Dabei sprechen einzelne Anbieter der Antriebstechnik-Branche irreführenderweise von IE5-Motoren, obwohl diese Klasse in den entsprechenden Normen und Richtlinien noch nicht definiert ist.

Um die objektive Betrachtung eines Systems unter dem Aspekt der Energieeinsparung zu ermöglichen, müssen sich Zulieferer bzw. Hersteller der einzelnen Komponenten auf die Bereitstellung bestimmter Daten verständigen. Im Rahmen der EN50598 werden entsprechende Standards und Effizienzklassen definiert. Bezugspunkt der Effizienzklasse ist immer ein theoretisch definiertes Referenzgerät, das dem derzeitig durchschnittlichen am Markt verfügbaren Stand der Technik entspricht. Aus dem Quotienten von „tatsächlichen Verlusten eines Gerätes“ und den „Verlusten des Referenzgeraetes“ ergibt sich die Effizienzklasse. EN 50598 und IEC 60034-30 (neu -1 und ab voraussichtlich 2016 auch -2) beschreiben die mathematischen und messtechnischen Methoden zur Festlegung der Effizienzklasse für ihre jeweiligen Gültigkeitsbereiche.

Für Frequenzumrichter (CDM) kennt die EN 50598 drei Effizienzklassen von IE0 (geringe Effizienz) bis IE2 (hohe Effizienz). Anders als die meisten vergleichbaren Normen orientiert sie sich dabei nicht am Wirkungsgrad, sondern an den relativen Leistungsverlusten Verlustleistungen: „In dieser Norm werden die auf die Nennleistung des Antriebssystems (P in Prozent) bezogenen Verlustleistungen anstelle des Wirkungsgrades betrachtet. Diese Vorgehensweise ist notwendig, um die „Allgemeinheit des erweiterten Produktansatzes zu sichern“, heißt es in der EN 50598-2 im Kapitel 4.2. Konkret: Liegen die gemessenen Verluste bei bis zu 25 Prozent über oder unter dem in Teil 2 der Norm genannten Referenzwert, ist die Effizienzklasse IE1. Sind sie höher als 25 Prozent, ist die Effizienzklasse IE0. Für die höchste Effizienzklasse IE2 müssen die Verluste um mehr als 25 Prozent unter dem definierten Referenzwert liegen.

Die EN 50598 verfolgt zudem den erweiterten Produktansatz. Das bedeutet jedoch, dass zur Errechnung der Gesamteffizienz einer Umrichter-Motor-Kombination unterschiedliche Effizienzklassen kombiniert werden müssten, nämlich die des Umrichters gemäß EN 50598 mit der des Motors gemäß IEC 60034-30. Die EN 50598 legt die Berechnung der Systemeffizienz deshalb als Formel fest. Die Summe der realen Verluste von Umrichter und Motor werden dabei durch die Verluste des definierten Referenzsystems geteilt. Das Ergebnis führt zur Effizienzklasse des Gesamtsystems, die mit IES bezeichnet wird: Liegt das Ergebnis zwischen 0,8 und 1,2 ist die mittlere Effizienzklasse IES1 erreicht. Dies entspricht +/- 20 Prozent Verlust gegenüber dem definierten Referenzsystem (entsprechend 100 Prozent bzw. 1). Sind die Verluste größer als 120 Prozent (Ergebnis über 1,2), gilt die schlechteste Effizienzklasse IES0. Bei Verlusten kleiner als 80 Prozent (Ergebnis unter 0,8) greift die aktuell höchste Klasse IES2.

Die Angabe der Effizienzklasse bezieht sich stets auf den Nennbetriebspunkt. Da aber Motoren und Frequenzumrichter meist im Teillastbereich betrieben werden, wo die Effizienz geringer ist, beschreibt die EN 50589 unter anderem einen mathematischen Ansatz, mit dem die Verluste in jedem beliebigen Arbeitspunkt berechnet werden können. Dazu definiert die EN 50598 sowohl für Motoren als auch für Frequenzumrichter (CDM) je acht Arbeitspunkte, für die die Hersteller künftig die Verluste anzugeben haben. Für den Verbraucher wird so die Effizienz des Motors und des Frequenzumrichters auch außerhalb des Nennbetriebspunktes vergleichbar.

Faktor Permanetmagnet

Die aus der ErP-Richtlinie resultierende Verordnung (VO 640/2009) hat dazu geführt, dass seit 2011 nur noch Motoren der „Effizienzklasse IE2 oder besser“ in Verkehr gebracht werden dürfen. Seit Juli 2014 ist für Motoren die neue Verordnung VO4/2014 gültig. Gemäß dieser Verordnung müssen seit Anfang 2015 Motoren mit einer Nennleistung von 7,5 kW bis 375 kW sogar der strengeren Effizienzklasse IE3 genügen, oder sie müssen mindestens der Klasse IE2 erfüllen und mit einem Frequenzumrichter angesteuert werden. Wie effizient die Motoren im Teillastbereich sind, hängt maßgeblich von der Konstruktion und der Topologie des Motors ab. Hier gibt es – auch in der Effizienzklasse IE4 – unterschiedlichste Motortypen wie Permanentmagnet- oder Reluktanzmotoren. Alle Topologien haben unterschiedliche Eigenschaften und lassen sich entsprechend in unterschiedlichen Anwendungen sinnvoll einsetzen.

Starke Argumente sprechen dabei jedoch für Permanentmagnet-Motoren (PM-Motoren), der zum Beispiel gegenüber dem Synchronreluktanzmotor geringere Motorstrom führt auch zu einem geringeren Strom im Frequenzumrichter und somit zu geringeren Verlusten im Gesamtsystem von Motor, Kabel, Filter und Umrichter. Auch zeichnet sich der PM-Motor gerade im Teillastbereich durch vergleichsweise geringe Verluste aus. Da Antriebe vielfach im Teillastbereich betrieben werden, ergibt sich hier ein weiterer Effizienzvorteil, der die gegenüber einer herkömmlichen Asynchronmaschine höheren Anschaffungskosten meist bereits in ein bis zwei Jahren amortisiert. Zudem ermöglicht die PM-Topologie aufgrund der hohen Energiedichte eine vergleichsweise kompakte und leichte Bauweise. Dies ermöglicht einen kompakteren Maschinen- bzw. Anlagenbau mit entsprechenden Vorteilen wie leichtere Montage und geringere Transportkosten.

Das hocheffiziente Gespann aus IE4-Motor und abgestimmtem Umrichter gewährleistet niedrige Betriebskosten. Eine Beispielrechnung zeigt den konkreten Nutzen von IE4-Motoren: Ein angenommener Motor läuft im Rund-um-die-Uhr-Betrieb. Ersetzt man hier einen Frequenzumrichter-geregelten 30-kW-IE2-Motor mit einem Wirkungsgrad von zirka 90,7 Prozent durch einen vergleichbaren, ebenfalls Frequenzumrichter-geregelten Motor der höheren Effizienzklasse IE4 mit einem Wirkungsgrad von zirka 93,6 Prozent, ergibt sich allein dadurch eine Energieeinsparung von 7.621 kWh pro Jahr. Mit der Umrüstung auf einen IE4-Motor und der verbundenen Verbesserung des Wirkungsgrads um 2,9 Prozent spart der Verbraucher bei einem angenommen Preis von 12 Cent pro kWh rund 900 Euro pro Jahr.

Die ErP- bzw. Ökodesign-Richtlinie (2005/32/EC und 2009/125/EG) regelt als übergeordnete Direktive die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte (Energy-related Products, ErP) in der EU. Die korrekte Umsetzung für elektrische Antriebssysteme und Motoren beschreiben Normen wie die EN 50598 und die IEC/EN 60034-30. Herausforderungen ergeben sich aus den partiell noch nicht abgeschlossenen Normgebungsverfahren sowie den zum Teil noch nicht ausreichenden bzw. oft verwirrenden Informationen am Markt.

Bildergalerie

  • Beispielhafte Einbausituation: Drei Frequenzumrichter steuern IE4-Motor-Motoren in Ventilatoren.

    Beispielhafte Einbausituation: Drei Frequenzumrichter steuern IE4-Motor-Motoren in Ventilatoren.

    Bild: Yaskawa

  • IE4-Motor und darauf abgestimmter Umrichter sind auch als bauliche Einheit verfügbar.

    IE4-Motor und darauf abgestimmter Umrichter sind auch als bauliche Einheit verfügbar.

    Bild: Yaskawa

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