Die Anforderungen an Prozessorsysteme in der Automatisierung wachsen ständig. Obwohl der Zuwachs an Steuer- und Regelfunktionen nur mäßig im einstelligen Prozentbereich pro Jahr zulegt, sorgen neue Aufgaben für einen dramatischen Leistungshunger. Automatische Diagnosefunktionen, durchgängige Protokollierung von Prozesswerten und Benutzereingriffen sowie neuartige Algorithmen liefern den naheliegenden Anteil.
Die Einbindung ins IIoT, die dafür erforderliche gehärtete Security, der Cloud vorgelagerte Edge-Funktionalität und jede Menge Kommunikationsbedarf sind zusätzlich den neuen Gesamtarchitekturen geschuldet. Warum die SPS dennoch das beste Zielsystem für all die Aufgaben ist, und wie die neuen Bachmann-CPUs dafür gerüstet sind, wird im Folgenden geklärt.
Verbesserungen bis zum Faktor 8
Als Flaggschiff steht das neue MH230 Prozessormodul zur Verfügung. Ein industrieller Low-Power-Prozessor bearbeitet dank Hyper-Threading 4 Tasks parallel bei einem Takt von 2300 MHz. Ein schneller DDR4 Arbeitsspeicher im Umfang von 2 GB steht den Applikationen zur Verfügung. Die reine Verarbeitungsleistung im Single-Core Betrieb steigt damit je nach Anwendung um 80 bis 150 Prozent gegenüber dem Vorgänger MH212. Anwendungsprogramme, welche die Parallelisierung voll ausnutzen können, profitieren je nach Konstellation im Mittel von einer 3- bis 4-fachen Rechenleistung. Bei speziellen Anwendungsfällen sind Verbesserungen sogar bis zum Faktor 8 erreichbar.
Das auf 1 Megabyte verdoppelte NVRAM als Retain-Datenspeicher erlaubt das Beschreiben mit jedem Zyklus, behält jedoch seine Letztwerte auch über ein Powerfail-Ereignis hinaus. Neben systemkritischen online-änderbaren Parametern profitiert davon insbesondere die moderne Prozessdiagnostik, wie sie für Predictive Maintenance und Langzeitoptimierung benutzt wird. Neu auf der MH230 ist auch ein deutlich vergrößerter on-board Massenspeicher, der zusätzlich zum CFast-Wechselmedium nochmals 2 GB Dateispeicher bietet. Die Leistungsbereitstellung des internen Netzteils für E/A-Modulversorgung wurde zusätzlich um 20 Prozent erhöht.
Bei der MC-Prozessorfamilie sind mit MC220, MC212 und MC206 drei neue Vertreter am Start. Auch hier konnte dank moderner Mehrkerntechnik eine signifikante Leistungssteigerung erzielt werden. Nebst 2 GB DDR4 Speicher werken in der MC220 gleich 4 physikalische Prozessorkerne mit je 1600 MHz. Bei der MC212 sind es immerhin noch zwei Kerne mit 1300 MHz und bei der MC206 einer mit 600 MHz. Die Single-Core Leistungen liegen je nach Aufgabenstellung gleichauf mit den Vorgängern MC205 beziehungsweise MC210 oder überflügeln diese um bis zu 50 Prozent. Anwendungsprogramme, welche gut von der möglichen Parallelverarbeitung profitieren, können bei den Mehrkernmodellen je nach Aufgabenstellung und Modell mit der 2- bis 6-fachen Leistung rechnen.
Die MC220 kommt sogar mit drei unabhängigen Gigabit-Ethernet-Schnittstellen und – wie beim Spitzenmodell MH230 einem 1 MB großen NRVAM. Zusätzlich zum CFast Wechselmedium sind hier 4 GB Massenspeicher direkt on-board verfügbar. Ob dieser in besonders kostensensitiven Anwendungen als alleiniger Programm- und Datenspeicher benutzt wird, den üblichen Wechselspeicher ergänzt oder als redundante Ablage für besonders kritische Dateien verwendet wird, bleibt dem Anwendungsfall überlassen.
MC206 und MC212 bieten 2x Ethernet, 512 kB NVRAM und einen 2 GB großen on-board Massenspeicher. Alle vier neuen CPUs beherrschen Betriebstemperaturen von -30 bis +60°C lüfterlos und sind auch als betauungsfeste ColdClimate-Variante erhältlich. Ein Trusted-Platform-Module Chip (TPM 2.0) bildet die Grundlage für kryptographische Security bereits direkt in der Hardware.
Nutzt die Software alle Kerne?
Um die Vorzüge der Mehrkerntechnik auch wirklich in Steuerungssystemen ausnutzen zu können, ist es erforderlich, dass die Systemsoftware dies vollständig – und damit auch unter Echtzeit-Rahmenbedingungen – unterstützt. In der Vergangenheit wurden im Markt immer wieder Systeme angeboten, die zwar physikalisch Mehrkerntechnik enthielten, deren Systemsoftware aber entweder überhaupt nur einen Kern benutzte oder aber nur auf einem Kern die Echtzeit wirklich einhalten konnte. Somit waren die anderen Kerne nutzlos oder nur für Anwendungen ohne relevante Anforderungen an die Zyklustreue verwendbar.
Die Bachmann M1 Systemsoftware unterstützt mit den neuen CPU-Baureihen echtes Realtime-Symmetrical-Multi-Processing. Das heißt zum einen, alle Kerne können für Echtzeitaufgaben benutzt werden und andererseits, dass die jeweilige Verteilung der Prozesse auf die Kerne automatisch vom System übernommen wird.
Der Vorteil für den Anwender liegt im Entfall von aufwändiger Analyse und Echtzeit-Konfiguration sowie einer viel höheren Ausnutzung der vorhandenen Hardware-Ressourcen in der Praxis. Für extreme Anforderungen besteht darüber hinaus die Möglichkeit, einzelne Kerne von SMP auszunehmen und Anwendungen gezielt an Prozessoren zu binden. Entwicklung und Monitoring von Multi-Processing Anwendungen wird vom neuen SolutionCenter ab Version 2.30 unterstützt. Besonders einfach wird die Anwendung, da noch nicht dafür vorbereitete Applikationen in einem Kompatibilitätsmodus auf Core 0 laufen können. Zudem ist es möglich, für Diagnosezwecke oder im Reparaturersatz auch neue Multi-Core-CPUs im Single-Core-Modus zu betreiben.
Der nun vorgestellte Leistungsschub entspricht faktisch gleich 2 Schritten nach vorne. Gepaart mit der neuen üppigen Ausstattung inklusive TPM und on-board Massenspeicher sind die Zentraleinheiten der M1 vorbereitet für die volle Bandbreite an zukünftigen Aufgaben: ob in autonomen Energiesystemen, virtuellen Kraftwerken, High-End-Produktionsmaschinen oder als Kopf eines IIoT-CPS. Betriebsbewährt und vielseitig werden elektrische Schnittstellen, Feldbusse, Safety und Echtzeit ebenso abgedeckt, wie Edge-Funktionen für die Cloud. Dank der gebotenen Rechenpower können zusätzliche installierte „Datensammler“ oder „Edge-PCs“ wegfallen.