E&E:
Herr Perera, weshalb hat sich Micrel dem Automotive-Ethernet zugewandt?
Wiren Perera:
Als Initialzündung haben uns die Automobilhersteller dazu aufgefordert, und dann haben uns unsere Erfolge beflügelt. Optimale Bequemlichkeit und Sicherheit im Auto setzen hohe Bandbreiten zur Vernetzung der unzähligen Sensoren und Aktoren voraus, und die Kfz-Hersteller richten seit Längerem ihr Hauptaugenmerk auf Ethernet. Ethernet benötigt lediglich zwei Paar ungeschirmte verdrillte Kupferkabel, die sowohl kostengünstiger als auch leichter sind als geschirmte Kabel. Bereits heute sind 100-MBit/s-Ethernet-basierte Systeme für Diagnose, zur Unterhaltung der Passagiere auf dem Rücksitz sowie für Kameranetzwerke auf dem Markt.
E&E:
Welche Überlegungen waren für Micrel der Ausgangspunkt für den Einstieg in diesen Bereich?
Wiren Perera:
Wir waren lange Zeit der einsame Vorreiter aus dem Halbleiterbereich für den Ethernet-Einsatz im Automobil. Mittlerweile besteht unter den Experten weitgehende Übereinstimmung, dass Ethernet das führende Netzwerk im zukünftigen Automobil werden wird. Dabei ist wesentlich, dass die Automobilhersteller auf IEEE-Standards basierende Halbleiter aus hochvolumigen Marktsegmenten wiederverwenden und damit Entwicklung, Produktion und kostengünstige Umsetzung realisieren können. Die Marktforscher von ABI Research sagen den weltweiten Auslieferungen von Connected Infotainment bis zum Jahre 2017 von mehr als 50 Millionen Einheiten voraus. Im gleichen Jahr sind nach Meinung von IMS Research 34 Millionen Kamera-unterstützte Fahrerassistenzsysteme voraus. Und nach Untersuchungen der GSM Association wird bis zum Jahre 2025 jedes Auto mit dem Internet verbunden sein. Die Ethernet-Chipsätze von Micrel sollen den Automobilherstellern helfen, ihren Zeitplan für deren Einsatz zu beschleunigen.
E&E:
Was sind im weiteren zeitlichen Verlauf die Schlüsselaspekte in der Weiterentwicklung des Kraftfahrzeugs?
Wiren Perera:
Derzeit gehen wir von einem jährlichen Wachstum des Automotive-Ethernet-Geschäfts von zehn bis zwanzig Prozent aus, bereits in zwei Jahren wird die Wachstumskurve steil ansteigen, und in ungefähr vier, fünf Jahren wird Ethernet sämtliche Automobile erobert haben. Allerdings kommt der Hauptdurchbruch bei den Anwendungen aus den Bereichen Kamera- und Infotainment-Netzwerke.
E&E:
Betrachten wir einmal die ADAS-Kamera-Applikationen – welche Anforderungen werden derzeit gestellt und wie unterstützt Micrel diese?
Wiren Perera:
Zunächst gelten die üblichen Anforderungen: geringer Platzbedarf, geringer Stromverbrauch (weil reduzierte Wärmeentwicklung die Bildqualität und die Zuverlässigkeit erhöht), geringe Störungen sowie hohe Zuverlässigkeit in einer rauen Umgebung. Micrels Quiet-WIRE-Technologie entspricht den strengen Vorschriften bezüglich Störstrahlung und Störfestigkeit (EMI) für Kraftfahrzeuge und ermöglicht den Bau AEC-Q100-qualifizierter HDR-Megapixel-Kameras. Diese sind für den Betrieb bei Temperaturen von -40 bis 95 °C ausgelegt und eignen sich sowohl für die Verwendung als Seiten- als auch für Rückspiegel. Sie können zur Erkennung von Verkehrszeichen, Blind-Spots sowie von Fußgängern eingesetzt werden und unterstützen die Einhaltung der Fahrspur. Dabei findet unter anderem auch der von Micrel entwickelte MEMS-Oszillator mit einer hohen Frequenzstabilität, einer 20-fachen Verbesserung der MTBF und einer 500-fach besseren Schocktoleranz Verwendung.
E&E:
Durch welche Innovationen zeichnen sich die Micrel-Lösungen für ADAS besonders aus?
Wiren Perera:
Die Schwierigkeit liegt darin, Ethernet Kfz-tauglich zu machen. Während Kfz-Ethernet-Netze derzeit mit 100 MBit/s arbeiten, sind die Vorreiter in der Business-Welt bereits bei 100 GBit/s angelangt – man sieht also, wohin die Reise geht. Wir müssen zunächst dafür sorgen, dass unsere Elektronik-Bauteile und Systeme nur geringe elektromagnetische Störungen (EMI) verursachen, aber auch ausreichend EMI-resistent sind, um eine hohe Sicherheit aufrecht zu erhalten. Das war kein generelles Charakteristikum von Standard-Ethernet; wir waren die ersten, die dieses Problem für das Standard-basierte Ethernet mit unserer Quiet-WIRE-Technologie gelöst haben.
E&E:
Auch beim Thema Stromversorgung im Kfz sind Sie aktiv.
Wiren Perera:
Ja, zur Energieversorgung der Kfz-Elektronik haben wir unser Auto-PoE (Power over Ethernet) auf den Markt gebracht. Dabei werden über die Datenübertragungskabel auch Netzwerk und Systeme mit Energie versorgt. Es bietet die Vorteile von IEEE802.3af, ohne dass Zusatzkosten entstehen. Dazu kommt mit AVB (Audio Video Bridging) ein weiterer Ethernet-Standard, der vor allem die Quality of Service und die Synchronisation der Inhalte zur Verfügung stellt. Darüber hinaus unterstützen unsere Automotive-Produkte mit EEE (Energy-Efficient Ethernet) noch einen weiteren IEEE-Standard, mit dem sich im Leerlaufbetrieb Energie-Einsparungen von bis zu 75 Prozent erzielen lassen.
E&E:
Was tut Micrel, um die sich ergebenden Möglichkeiten und die zugehörigen Anforderungen zu unterstützen?
Wiren Perera:
Nutzer erwarten auch im Auto ständigen, bequemen Zugriff auf Internet-basierte Inhalte, Angebote und Dienste. Sie sollen ebenso einfach bedienbar sein wie die Geräte und Handys zuhause. Zudem gewöhnen sie sich rasch an die vernetzte Vielfalt von Fahrerassistenzsystemen, die schon fast selbstverständlich geworden sind – alle als Vorstufe zum autonomen Fahrzeug. Hinzu kommen Diagnosefunktionen und Software-Upgrades. Die dafür nötigen Netzwerke und Elektronikbausteine wollen wir zur Verfügung stellen. Im Diagnosesegment haben wir bei unseren Leitkunden einen Marktanteil von fast 100 Prozent erreicht, und wir wollen unsere Führungsposition auch in anderen Bereichen intensiv ausbauen.