Informatikforschung Explodierende Datenmengen sind neue Herausforderung für Analyse

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04.05.2015

Das explosionsartige Wachstum von Datenmengen stellt selbst neuste Hochleistungsverfahren zur Echtzeit-Analyse vor immer größere Herausforderungen. Das ergab eine Tagung von Informatikforschern am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam. 50 führende Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft hatten sich beim zehnten Future SOC Lab Day über aktuelle Forschungsergebnisse ausgetauscht, die mit neuester Hard- und Software im HPI-Spitzenforschungslabor erzielt worden sind. Deutlich wurde: Blitzschnelle und flexible Big-Data-Auswertungen mit der am HPI erforschten und mitentwickelten In-Memory-Technik stoßen auf Seiten der Hardware mittlerweile auf physikalische Grenzen. Das Hauptspeicher-Datenmanagement lässt riesige Datenmengen ausschließlich im schnellen RAM eines Computers mit vielen Rechenkernen residieren und verarbeitet sie mit Hilfe einer speziell organisierten Höchstgeschwindigkeits-Datenbank.

„Echtzeit-Analysen auf immer größeren Datenmengen erfordern ganz neue Kniffe sowohl auf Hardware- als auch auf Software-Seite. Wir kümmern uns darum, das Potenzial der neuen Systeme auszureizen“, sagte HPI-Wissenschaftler Frank Feinbube. „Derzeit ist die Situation praktisch so, als säße ein Formel-1-Pilot in einem Jet und fährt damit nur, statt abzuheben und rasant zu fliegen“, erklärte der Tagungssprecher. Logische Konsequenz wäre es, dass die Hardware anders gebaut werden müsste, aber das sei schwierig, so ein Wissenschaftler. Deshalb solle vorerst nach Wegen gesucht werden, wie entsprechende Soft- und Hardware optimal harmonieren könne. Anwendungsszenarien müssten zunächst einmal bis ins letzte Detail bedacht werden, um die Hardware- und Big-Data-Management-Systeme bestmöglich anzupassen. So könnten beispielsweise im Zeichen von Industrie 4.0 Anwendungen entstehen, bei denen Lagerkapazitäten, Materiallieferung und Herstellung aufs Genauste abgestimmt werden mit aktuellsten Rohstoffpreisen, Verkaufsmargen und anderen Optimierungsprozessen.

Hewlett Packard, einer der Ausrüster und Partner des HPI-Spitzenforschungslabors, stellte in Potsdam seinen Ansatz für eine völlig neue Computer-Generation mit einer andersartigen Netzwerkarchitektur vor. Kernstück der Neuentwicklung sind so genannte Memristoren, an denen HP bereits seit 2008 experimentiert, wie Entwickler Axel Simon auf dem Future SOC Lab Day erklärte. Bei Memristoren handelt es sich um passive Bauelemente, deren Widerstand variabel ist. „Der jeweilige Wert hängt stets davon ab, wie viele Ladungen in welcher Richtung vorher geflossen sind. Auch wenn kein Strom mehr zugeführt wird, bleibt dieser Zustand erhalten“, erklärte Simon. Dies haben sich die Forscher zu Eigen gemacht und wollen es zum Speichern von Daten und zum Rechnen nutzen.

Memristoren verfügen theoretisch über sehr hohe Kapazitäten und extrem schnelle Zugriffszeiten im Nanosekundenbereich. Wermutstropfen: Bislang liegen HP noch keine Muster vor. Simon versprach, dass 2016 erste Bauteile verfügbar seien. Zudem sollen Memristoren auch Eingang in neuartige Prozessoren (Systems-on-Chips) finden und über Photonics, eine serielle optische Verbindung, kommunizieren. So könnten noch gewaltigere Datenmengen blitzschnell ausgewertet werden. Herkömmliche Verbindungen seien dabei nicht praktikabel, hieß es. Komplettiert wird The Machine, wie Hewlett Packard das visionäre Konzept nennt, durch so genannte Moonshot-Systeme. Pro Rack sollen sich so enorme Datenmengen von mehr als 150 Petabyte speichern lassen. Herkömmliche Festplatten fassen nur einen Bruchteil. Angedacht für The Machine ist ein Setting von bis zu acht Racks.

Mit dieser Struktur auf Memristoren-Basis ließe sich auch extrem viel Energie einsparen. Aktuell lässt sich der Energieverbrauch des weltweiten Public-Cloud-Computings mit dem ganzer Industriestaaten vergleichen. In einem in Potsdam präsentierten Vergleich rangiert der Energieverbrauch für Cloud-Computing auf dem fünften Platz hinter dem von China, den USA, Russland und Japan. HP wolle sein neues System in zwei bis drei Jahren zur Marktreife bringen und dann vorstellen, so Simon.

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