Netzteile sind häufig für einen stationären Betrieb ausgelegt. Elektroingenieure machen sich deshalb in der Regel erst in zweiter Linie über vorübergehende Betriebszustände Gedanken. In der Praxis sind das Bedingungen wie Einschalt-, Ausschalt- und Lastwechselübergänge. Diese sind für die Bauteile des Netzteils häufig viel belastender als der stationäre Betrieb. Da zum Dämpfen hochfrequenter Störungen häufig bereits Chipferrite am Ein- und Ausgang von Netzteilen angeordnet sind, wird oft angenommen, diese könnten auch die auftretenden Spitzenströme auffangen. Das sieht in der Praxis allerdings etwas anders aus.
In dem Moment, in dem ein Netzteil eingeschaltet wird, werden alle mit dem Eingangsbus verbundenen Kondensatoren aufgeladen. In sehr seltenen Fällen lässt sich mithilfe einer speziellen Startfunktion ein sanfter Anlauf der Eingangsspannung erzielen, die hierdurch allmählich hochgeregelt wird. Meistens fährt die Eingangsspannung aber abrupt hoch. Wenn beispielsweise die 12-VDC-Spannungsleitung in dem Moment, in dem sie über einen mechanischen Schalter mit dem Abwärtswandler verbunden wird, bereits aktiviert ist, dann wird die Geschwindigkeit des Spannungsanstiegs nur durch den Quellenwiderstand, den Widerstand und die parasitäre Induktivität der Leitungen und Leiterplattenflächen und des Schalters begrenzt. In einem Beispiel wurden für eine solche Anwendung der Widerstand und die Induktivität eines 30 cm langen, mit zwei Bananensteckern versehenen Kabels gemessen. Die ermittelten Werte waren 8 mΩ beziehungsweise 0,3 µH.
In der Praxis sind alle Spannungsquellen strombegrenzt, aber wenn der 12-VDC-Bus eine hohe Ausgangskapazität aufweist, dann kann der Ladestrom beim Schließen des mechanischen Schalters schnell einen Spitzenwert von 30 A und mehr annehmen. Das trifft auch zu für das in dem vorliegenden Beispiel im Labor verwendete DC-Netzteil.
Stromableitung beim Einschalten
Abbildung 1 zeigt einen Impuls mit einem Spitzenwert von zirka 33 A, der nach ungefähr 100 µs auf den Stromgrenzwert von 5 A des im Labor als Eingangsquelle verwendeten Netzteils abgefallen ist. Danach dauert es weitere 200 µs, um die Eingangskondensatoren auf den Zielwert von 12 V aufzuladen. Im Vergleich dazu liegt der stabile Strom der Eingangsquelle bei 3,7 A.
Der Kompromiss, den der Schaltungsdesigner finden muss, liegt auf der Hand: Alle für den Eingangsfilter verwendeten Bauteile müssen in der Lage sein, die bei jedem Einschalten des Wandlers auftretenden Starkstromimpulse zu bewältigen, doch wäre der Einsatz von Ferriten, die für solche Spitzenströme ausgelegt sind, für den stationären Betrieb vollkommen überzogen. Das macht das folgende Beispiel deutlich, in dem der Ferrit am Ausgang platziert wird. Der Wandler verfügt über zwei Polymer-Aluminium-Ausgangskondensatoren mit je 330 µF und einem Innenwiderstand (ESR) von jeweils 20 mΩ und zwei mehrlagige Keramikkondensatoren mit je 100 µF und einem ESR von jeweils rund 3 mΩ. Diese Kondensatorbatterie kann innerhalb kürzester Zeit Starkstromimpulse liefern. Mithilfe des bereits bekannten 30-cm-Kabels wurde der 5,0-V-Ausgang mit einer Last verbunden, die einen Ausgangsstrom von maximal 8 A entnimmt. Wenn die 8-A-Last mit kurzer Anstiegszeit angeschlossen wird, erreicht der Spitzenstrom einen Wert von beinahe 25 A.
Probleme bei Angaben für den Ruhenennstrom
Die WE-MPSB-Produktfamilie von Chipferriten wurde mit dem Ziel entwickelt, einen ähnlichen Impedanzbereich zu bieten wie die WE-CBF-Standardproduktreihe. Die WE-CBF-Familie spezifiziert zwar Effektivnennströme, aber wie Chipferriten anderer Hersteller weder Spitzen- noch Impulsnennströme. Im vorliegenden Beispiel würden zur Bewältigung eines 33-A-Impulses mehrere Bauteile der WE-CBF-Baureihe, konkret Bauteile der Baugrößen 1806 und 1812, mit Nennstromspezifikation benötigt, da der höchste Effektivnennstrom der Produktreihe 6 A beträgt. Mit lediglich einem Mitglied der WE-CBF-Familie, zum Beispiel dem für 4 A ausgelegten 742 792 150 in der Baugröße 1206 mit einem Nennwiderstand von 80 Ω bei 100 MHz, ließe sich der Nennstrom zwar bewältigen. Das wiederholte Auftreten von Einschaltsprüngen könnte hier allerdings aufgrund von Überstrom oder Überhitzung zu geschmolzenen und durchgebrannten Chipferriten führen.
Für die Plus- und die Minuszuleitung würden daher jeweils sechs derartige Bauteile benötigt, was aus mehreren Gründen unpraktisch ist: Erstens müssten die Chipferrite für Dauerströme parallel geschaltet werden, wobei ihr positiver Temperaturkoeffizient dann dafür sorgt, dass der Strom mehr oder weniger gleichmäßig verteilt wird. Eine solche Stromverteilung ist allerdings weder getestet noch für kurzzeitige Stromimpulse garantiert. Zweitens sorgt eine parallele Anordnung mehrerer Bauteile mit einer vor allem durch Widerstand und Induktivität bestimmten Impedanz dafür, dass Induktivität, Widerstand und Impedanz abfallen, was wiederum die gewünschte Ausfilterung von Störungen beeinträchtigt. Drittens bedeuten sechs Bauteile höhere Kosten und mehr Platz auf der Leiterplatte.
Das passende WE-MPSB-Modell auswählen
In Situationen, in denen Stromspitzen den Durchschnittsstrom im Verhältnis von 3:1 bis hinauf zu 10:1 überschreiten, kommt daher der WE-MPSB zum Einsatz. Beim ersten Durchgang der Chipferritauswahl werden alle Bauteile geprüft, die den Effektivstrom von 3,7 A bewältigen.
Stromspitzensichere Ferrite für den Eingang: Bei der vorliegenden Anwendung werden zirka 10.000 Schaltvorgänge während der gesamten Lebensdauer erwartet. Das bedeutet, 10.000 Impulse mit einer Stromstärke von 33 A belasten den WE-MPSB des Eingangsfilters und müssen bewältigt werden. Der erste und wohl auch komfortabelste Ansatz besteht darin, diese Daten in den Pulse Designer von Redexpert einzugeben. Es verbleiben neun Bauteile, die Würth Elektronik zur einfacheren Vergleichbarkeit im Produktspeicher abgelegt hat.
Validierung des Wirkwiderstands: Von den neun verbleibenden WE-MPSB-Bauteilen wird nun dasjenige mit dem höchsten Widerstand, nicht der höchsten Gesamtimpedanz, im Störfrequenzbereich ausgewählt. Im Allgemeinen weisen Chipferrite ihren höchsten Widerstand an der Frequenz ihrer höchsten Gesamtimpedanz auf, doch ist für andere Frequenzen keine allgemeine Näherung möglich. Die schnellste Möglichkeit, das beste Bauteil zu ermitteln, ist auch hier die Verwendung von Redexpert. Ein registrierter Benutzer kann den Schieberegler im Diagramm auf 170 MHz setzen und dem Raster anschließend direkt die Widerstandswerte für jedes Bauteil entnehmen. Er kann sogar eine absteigende Sortierung festlegen, in der das Bauteil mit dem höchsten Widerstand ganz oben steht.
Unter Berücksichtigung der obigen Parameter ist das in Red-
expert rot hervorgehobene Bauteil WE-MPSB 742 792 245 51 die für die vorliegende Anwendung beste Komponente. Der Nennstrom beläuft sich auf 4 A und das Bauteil kann 18.700 Impulse je 33 A mit einer Dauer von je 8 ms bewältigen. Da 8 ms wesentlich länger sind als der Erstimpuls von 500 µs und die kurze Stromspitze von 100 µs, dann sollte die Sicherheitsreserve ausreichend groß sein. Von allen geeigneten Bauteilen ist es dasjenige mit dem höchsten Widerstand bei 170 MHz.
EMV-Test der ausgewählten Bauteile: Für die abschließenden Labortests wurde das erwähnten WE-MPSB 742 792 245 51 am Eingang und der WE-MPSB 742 792 251 01 am Ausgang ergänzt. Scans der EMI-Abstrahlung zeigen, dass die Chipferrite die PARD-Störung erfolgreich dämpfen. Insbesondere beim PARD-Ringing im 170-MHz-Bereich wurde die EMI verbessert.
Chipferrite zum Dämpfen von Spitzenströmen
Chipferrite sind von allen Bauteilen am besten zum Reduzieren hochfrequenter Störungen im Bereich über 10 MHz geeignet. In Netzteillayouts müssen sie möglichst nah an der Störquelle, also an Eingangs- und Ausgangsanschlüsse, angeordnet sein, um zugeleitete EMI an den E/A-Kabelbäumen auszufiltern. Hierdurch wird verhindert, dass aus leitungsgebundener EMI-Abstrahlungen werden. Als erste und letzte Bauteile in der Kette können Chipferrite zur Dämpfung großer Spitzenströme verwendet werden, und Schaltungsdesigner können nun Bauteile auswählen, die Störungen ohne nennenswerte Auswirkungen auf die Leistungseffizienz ausfiltern und Spitzenstromimpulse mit Zuverlässigkeit bewältigen.