Erst klang es so schön nach Aufbruch. Energiewende - das Wort verhieß Entschlossenheit. Doch eine 180-Grad-Kehre sieht anders aus. Die Prozessindustrie, die auf sichere Rund-um-die-Uhr-Versorgung angewiesen ist, kann da nur nervös werden: angesichts von drohenden Versorgungsengpässen und Schlappen beim Ausbau der Erneuerbaren, wenn etwa Windenergie zwar produziert, aber nicht transportiert und schon gar nicht gespeichert werden kann. „Sprechen wir lieber vom Energiemix“, wehrt sich Krohne-Geschäftsführer Stephan Neuburger gegen die Frage, ob er noch an die Energiewende glaubt. Neue Kraftwerkstypen, das seien keineswegs nur Renewable-, Solar- und Windenergieanlagen. „Vor allem Erdgasanlagen werden künftig eine deutlich größere Rolle im Kraftwerkssektor spielen als bisher“, so Neuburger, der weiß, dass er auch das Messtechnikangebot seines Unternehmens darauf ausrichten muss. Denn künftige Kraftwerke werden „anders“ sein. „Die Messmethoden werden die Energieeffizienz dieser Kraftwerke deutlich bestimmen. Und die Betreiber werden nicht mehr nur darauf achten, wieviel Verbrennungsmaterial zufließt. Qualitative Merkmale werden eine größere Rolle spielen.“ Die nächste Generation Messgeräte werde sicherlich eine Kombination aus Durchflusssensor und Massenspektrometer oder Gaschromatograph sein. „Wir arbeiten intensiv daran, zusammen mit einem namhaften Chemiekonzern.“ Die Bedeutung nachwachsender Rohstoffe schätzt Neuburger für die Zukunft als „bescheiden“ ein - im Gegensatz zur Solarthermie. „Die Basistechnik hierfür ist vorhanden. Aber wir werden Applikationsanpassungen vornehmen, um auch den Durchfluss von Thermoölen und geschmolzene Sanden bei 400 bis 500°C bestimmen zu können.“ Unterstützung aus der Politik wünscht sich Neuburger bei all dem. Gaskraftwerke etwa könnten attraktiver gemacht werden, indem man das Gas entsprechend gering besteuert. Deutlicher wird Günter Kech von Vega: „Die Politik hängt am Tropf der Energielobby. Und die ist daran interessiert, die Energien zu verkaufen, die heute im Portfolio sind. Da ist es völlig normal, dass die Politik so gut wie nichts ausrichtet.“ Energiewende? Da warten wir doch immer noch darauf, meint der Vega-Geschäftsführer. Für ihn steht fest: Die Zukunft gehört der Sonnenenergie, in ihrer reinen Form, nicht über den Umweg Biomasse. Für die Industrie sieht er zwei Herausforderungen: „Energie ist ein Rohstoff. Wie bei jedem Rohstoff, bei dem der Zulieferer unzuverlässig wird, muss ich mich nach einem Ersatzlieferanten umschauen. Und Energie wird teurer - da hilft es langfristig auch nichts, in Länder abzuwandern, wo sie heute noch billiger ist.“ Die Unternehmen, die Versorgungssicherheit am besten managen und so viel Energie wie möglich sparen, werden am Schluss übrig bleiben, ist Kech überzeugt. „Konzerne, die nicht in größeren Zyklen denken, sondern nur kurzfristig Shareholder Value im Auge behalten, werden das Nachsehen haben“, warnt er. „Jeder bekommt die Quittung für die Entscheidungen, die er fällt. Das gilt auch in der Energiefrage.“ Aus Verpflichtung der Natur gegenüber könne man als Unternehmer nicht nur unmittelbar an den Geldbeutel denken. „Wir verbrennen im Moment Energie der nächsten Generation, nach dem Motto ,unser Wohlstand braucht das‘.“ Es gehe ja nicht nur darum, auf regenerative Energien umzustellen, sondern vor allem auch, energieeffizienter zu produzieren. „Energieeffizienz ist der kleine Bruder der erneuerbaren Energien“, meint auch Peter Klaus Kölling, Sales Director beim Pumpenbauer Grundfos. Doch das sei aus Sicht der Politik wohl nicht kampagnenfähig, bedauert er. Unternehmen, die heute in eine Solaranlage auf dem Dach investieren, täten zudem etwas für ihr Image. Die Investition in eine effiziente Pumpe dagegen könne man kaum imagefördernd einsetzen. „Wenn wir nicht aufpassen, werden wir weit am gesteckten Klimaziel vorbeischlittern“, warnt er. Er erlebt immer wieder, dass die Einsparpotenziale durch Austausch ineffizienter Aggregate weit unterschätzt werden.
Energieeffizienz - der kleine Bruder der Erneuerbaren
Ein weiterer Hemmschuh für effiziente Technik sei - gerade in Großunternehmen -, dass meist ein Return on Invest von zwölf bis 18 Monaten gefordert werde. „Das erreichen wir in ganz wenigen Fällen; meist liegt er zwischen drei und fünf Jahren.“ Doch da Pumpen bis zu 15 Jahre laufen, wäre der Austausch dennoch wirtschaftlich interessant. „Hier muss sich die Denke verändern.“ Und Kölling weiß auch, was die Politik dazu tun könnte: Mit Sonderabschreibungen könne man Investitionen immer anschieben. Noch seien 90Prozent der installierten Pumpen Energiefresser.Pumpen sind nicht die einzigen Ansatzpunkte zur Effizienzsteigerung. Zehn bis 25 Prozent Energie ließe sich in industriellen Prozessen einsparen, allein mit Mitteln der Prozessautomation, schätzt Felix Seibl vom ZVEI: „Die zehn Prozent relativ leicht, indem man einmal durch die Produktionsanlagen geht und sich eine gewisse Transparenz mittels Mess-, Steuer- und Regeltechnik schafft.“ Für die kompletten 25Prozent müsse man dann doch tiefer analysieren. „Wir gehen davon aus, dass in Deutschland noch drei Viertel des Potenzials zu heben sind.“ Doch dazu seien Investitionen nötig - und wie Kölling meint Seibl: Der Blick auf den ROI ist nicht ausreichend. „Nach dem Break-Even-Punkt geht die Schere ganz schnell auf zugunsten der energieeffizienten Variante. Daher sollte man immer die Lebenszykluskosten betrachten.“ Das herstellerneutrale Berechnungstool des ZVEI ist hier hilfreich; laut Seibl ist es relativ einfach bedienbar und übersichtlich. 7500Downloads des Tools beweisen: Trotzdem es mühsam ist, die Daten für die Lebenszykluskosten zu besorgen - das Interesse daran ist groß.