Start frei für FDI Gemeinsam am Lagerfeuer

ABB AG

Hans-Georg Kumpfmüller (l.), CTO bei Siemens, und Daniel Huber, Vorsitzender der Geschäftsführung von ABB Automation, ziehen ihr Resümee über zehn Jahre FDI-Entwicklung und wagen einen Ausblick über Akzeptanz und die Bedeutung der Technologie in Industrie-4.0-Szenarien..

Bild: Markus Hintzen
31.10.2015

Einst saßen sie in zwei Lagern, die „Häuptlinge“ der „verfeindeten“ Stämme EDD und FDT/DTM. FDI hat ihre Firmen und viele andere einander angenähert. Daniel Huber von ABB und Hans-Georg Kumpfmüller von Siemens wissen heute: Etwas Besseres als die Entwicklung einer gemeinsamen Feldgeräte-Integrationstechnik konnte gar nicht passieren. Ein Protokoll des Gesprächs am Rande der Sensorik-4.0-Konferenz des ZVEI.

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Herr Huber, Herr Kumpfmüller, bei FDI mussten die Interessen vieler verschiedener Firmen unter einen Hut gebracht werden. Gab es aus Ihrem Blickwinkel schon einmal etwas Vergleichbares?

Hans-Georg Kumpfmüller:

Während meiner beruflichen Laufbahn nicht.

Daniel Huber:

Eigentlich waren es ja auch nur zwei Interessen, die der EDD-Fraktion und die der FDT/DTM-Fraktion.

Kumpfmüller:

Beide Blöcke waren so stark, dass man nicht davon ausgehen konnte: Der eine oder der andere gewinnt. Am Anfang hieß es: Der Markt soll entscheiden. Hat er aber nicht. Die Kunden haben beides eingesetzt und sich anschließend über das Chaos gewundert.

Neben Chaos entstand Druck.

Huber:

Der Leidensdruck war groß. Systeme und Geräte von unterschiedlichsten Herstellern in zwei Integrationswelten miteinander verheiraten: Das war ein hoher Aufwand.

Kumpfmüller:

Geholfen hat natürlich der Druck von Kundenseite. Aber vor allem auch, dass der erarbeitete Vorschlag aus einem Kompromiss bestand, der beide Technologien miteinander verband. Die Initiative ging von Prof. Bender aus, der auf der Namur-Hauptsitzung 2006 mit seinem Vorschlag „FDD-UA“ das Beste aus beiden Technologien zusammenfassen wollte. Auch wenn der Vorschlag nicht direkt die Lösung war – er hat für die Leitsystem-Integration eine der beiden Lösungen präferiert –, war dieser Vorstoß trotzdem die Initialzündung. Vertreter von namhaften Firmen begannen plötzlich miteinander zu sprechen.

Huber:

Entscheidend war, erst einmal einen Nukleus zu schaffen, um eine erste Richtung zu finden. Emerson und Endress+Hauser waren ebenfalls von vornherein involviert. Als wir uns darauf geeinigt hatten, eine gemeinsame Version zu verwenden, haben wir das Thema FDI auf die nächste Ebene gehoben.

Kumpfmüller:

Wir haben alle namhaften Hersteller zusammengerufen und um ihre Meinung gebeten – und zwar im ersten Schritt ohne die Foundations mit einzubeziehen. Schließlich verständigten wir uns auf ein Gateway, das FDI/OPC UA präferiert, aber auch eine Schnittstelle mit einem FDT-2-Frame erlaubt.

Insbesondere Verfechter der FDT-Technologie waren lange Zeit sehr skeptisch.

Huber:

Bei uns im Haus war es ein längerer Prozess. Wir hatten stark auf FDT gesetzt. Letztendlich hat es aber auch uns bei der Vereinheitlichung unserer Technologien, gewachsen aus dem Portfolio von Elsag-Bailey, ABB und Hartmann & Braun, geholfen. Einen ähnlichen internen Prozess gab es sicher auch bei anderen.

Kumpfmüller:

Auch bei Siemens hatten verschiedene Divisionen bei uns heftig unterschiedliche Meinungen, ob nun FDT oder EDD das Richtige wäre. Ausschlaggebend für unsere interne Einigung war das Ergebnis einer detaillierten Untersuchung, welches Verfahren zukunftssicherer ist.

Huber:

Gemeinsam konnten wir die Türen in den beiden Blöcken öffnen und sagen: Lasst uns etwas Neues versuchen. Keine der beteiligten Firmen hat noch einen Wettbewerbsvorteil darin gesehen, verschiedene Integrationstechnologien zu unterstützen.

Warum haben Sie die Foundations nicht von vorneherein mit einbezogen?

Kumpfmüller:

Einige Foundations waren von FDI nicht begeistert, da sie eigene EDD-Varianten und Tools hatten. Erst als sieben Industriepartner einig waren, begannen wir, mit Organisationen zu sprechen mit der klaren Botschaft: So wollen wir das. Dann kam die nächste Schwierigkeit: Welche ist der richtige Heimathafen für FDI? Die Hart Communication Foundation, Fieldbus Foundation, die Profibus Nutzerorganisation, die FDT Group? Erst wollte keine dieser Organisationen die Entwicklung von FDI unterstützen. Als wir später nach einer Heimat für die Entwicklung von FDI gesucht haben, wollten es alle. Doch die gegenseitige Akzeptanz fehlte. Daher haben wir einen Kunstgriff gewählt: die Gründung einer Dach-Foundation, der FDI Cooperation, LLC, bei der jede Foundation nahezu gleiche Rechte erhielt.

Huber:

Wir alle wollten auf Dauer keine weitere Foundation. Daher haben wir die FDI Cooperation bei der Gründung mit einem Enddatum versehen. Sie war eine Organisation für die Übergangszeit. Es gibt sie bereits nicht mehr.

Kumpfmüller:

Dann ging es auf einmal überraschend smooth. Obwohl sieben internationale Firmen mit Mitarbeitern auf drei Kontinenten zu koordinieren waren. Da muss man Achim Laubenstein, dem technischen Projektleiter, ein großes Lob aussprechen. Er hat dieses Team mit nahezu 50 Ingenieuren aus der ganzen Welt geleitet. Es hat ihn viele Nerven gekostet. Nach vier Jahren konnte er die FDI-Spezifikation und die entsprechenden Tools und Host-Komponenten zum ersten Abschluss bringen.

Nicht wenige dachten: Das wird nie was.

Huber:

Wie bei jedem großen Projekt gab es Verzögerungen. Aber die freiwillige Mitarbeit war sehr gut. Auch die Finanzierung – es wurde zwar letztlich viel teurer, als anfangs gedacht. Doch das Interesse der Firmen war groß; alle haben das mitgetragen.

Jetzt ist der Standard da. Kann es in der Anwendung noch schiefgehen?

Kumpfmüller:

Nein, eigentlich nicht.

Huber:

Die Frage ist, wie schnell FDI in die breite Anwendung gehen wird. Wir haben jetzt noch Einiges zu tun. Das Interesse ist groß. ABB hat ja ein erstes Tool – den Field Integration Manager (FIM) – für das Feldgerätemanagement gelauncht. Bereits über 300 Leute haben den kostenlosen Demo-Download genutzt. Wir haben auch erste Pilotanwendungen beim Kunden. Nun wird es darauf ankommen, wie gut die Tools sind.

Kumpfmüller:

Und wird wirklich ein und dasselbe FDI Package in allen Leitsystemen ohne Probleme einzubinden sein? Wenn das nicht der Fall wäre, müssten wir sehr schnell reagieren und nachbessern. Denn das war ja die Haupttriebfeder, um die bis dahin chaotische Geräteintegration zu harmonisieren. Das muss jetzt eingehalten werden. Entsprechende Tests für Host und Geräte sind entwickelt und werden rigoros umgesetzt.

Die Namur hat beim Thema Feldgeräteintegration klar Stellung bezogen. Das ist ja alles andere als selbstverständlich.

Huber:

In der Tat. Wir haben es seitdem noch einige Male versucht. Bei anderen Themen ist das leider nicht so.

Kumpfmüller:

Vor allem haben Michael Pelz von Clariant und Sven Seintsch von Bilfinger dazu beigetragen, dass nicht nur geschimpft wurde. Sondern, dass die Namur auch klar gesagt hat, welche Anforderungen sie hat. Sie hat damit maßgeblich zur Durchsetzung beigetragen.

Die Kunden müssen nun FDI von ihren Lieferanten auch einfordern.

Kumpfmüller:

Die großen Greenfield-Projekte, bei denen FDI erste Wahl wäre, fehlen im Augenblick. Doch FDI ist rückwärtskompatibel zu der mit EDD integrierten installierten Basis. Die Leitsysteme werden wohl schneller mit FDI-basierten Komponenten ausgerüstet sein als die Gerätelandschaft.

Huber:

Sie können daher eine Erweiterung mit FDI machen – und die EDD-Installation kombinieren.

Wann werden Sie FDI-fähige Systeme und Geräte auf den Markt bringen?

Huber:

Neben dem Feldgerätemanagement-Tool FIM in seiner ersten Version haben wir inzwischen die Device Packages für drei Feldgeräte im Markt eingeführt. Beim Tool werden wir jährlich eine verbesserte Version herausbringen. Und wir haben vor, im nächsten Jahr die Device Packages für die meisten unserer Feldgeräte zu entwickeln.

Kumpfmüller:

Das wird bei uns ähnlich sein. Wir werden Zug um Zug FDI in unser Gerätemanagement-Tool PDM einbringen und die Device Packages für unsere Geräte entwickeln. Natürlich kann man FDI Packages auch nur aus einer EDD kreieren. Doch damit hat man die Vorteile noch nicht ausgeschöpft. Bei der Verwendung des UI-Plug-ins entstehen die weiteren Vorteile von FDI.

Huber:

Viele Gerätehersteller, die bisher nur mit EDD gearbeitet haben, werden erst nach und nach die zusätzlichen Möglichkeiten von FDI entdecken.

Kumpfmüller:

In zehn Jahren sind dann alle Geräte mit FDI integriert. Das sind allerdings tatsächlich die Zeiträume – von der Idee bis zur vollständigen Umsetzung 20 Jahre, und das, obwohl wirklich vieles gut gelaufen ist. Da sehen wir, wie lange das dauert.

Huber:

Und daher ist es auch gut, dass FDI Industrie 4.0 unterstützt, gerade weil wir so lange Zyklen für einen Technologiewechsel haben.

Wir führen unser Gespräch hier auf dem Industrie-4.0-Sensorik-Kongress. Ist das Thema FDI hier gut aufgehoben?

Kumpfmüller:

Absolut, FDI wird immer wieder erwähnt. Als offener Standard, den alle Leitsystem-Hersteller unterstützen, ist es eine Voraussetzung für Industrie 4.0. Es gewährleistet die notwendige durchgängige Kommunikation und verwendet zusätzlich OPC-UA, eine der Kommunikationstechnologien im Rahmen von Industrie 4.0.

Huber:

FDI passt gut in das RAMI-4.0-Modell und auch in das Konzept der Einbindung über Industrie 4.0 Verwaltungsschale, das wir heute schon in einer proprietären Weise in unserem 800xA-System nutzen. So kann Industrie 4.0 bald Wirklichkeit werden.

Die weitere Pflege der Technologie soll nun die Fieldcomm Group übernehmen, die ja gerade erst neu entstanden ist. Kann das klappen?

Kumpfmüller:

Alle Firmen, die an der FDI-Entwicklung beteiligt waren, haben gemeinsam nach einer Lösung gesucht: Wo kann man FDI beheimaten? Durch den Zusammenschluss von HCF und FF zur Fieldcomm Group, der auch wesentlich durch die an FDI beteiligten Firmen getrieben wurde, ist ein hervorragender Hafen für FDI entstanden. Die PNO, Miteigentümer der FDI Technologie, wird eng eingebunden; die technische Weiterentwicklung werden die Fieldcomm Group und die PNO gemeinsam vorantreiben. Das stärkt die Akzeptanz. Doch auch insgesamt ist die Vertrauensbasis zwischen den Firmen gewachsen. Eine zukünftige Harmonisierung mit FDT ist ebenso beschlossen.

Huber:

Letztendlich sind es ja die Menschen, die eng zusammengearbeitet haben. Es kam darauf an, immer wieder Kompromisse zu finden. Zum Schluss hat das auch mit den Foundations gut funktioniert. Es gab im Laufe des Prozesses aber auch verschiedene personelle Veränderungen. Das zeigt, dass es letztlich an Personen hängt.

Kumpfmüller:

Wir haben es ohne Compliance-Probleme geschafft miteinander zu reden und eine gemeinsame technologische Basis zu finden. Man lernt daraus: Die Foundations sind wichtig, aber noch wichtiger ist es, dass die Firmen hinter einer gemeinsamen Lösung stehen.

Der eine oder andere Feldgerätehersteller geht FDI sehr vorsichtig an. Einige sind immer noch sehr skeptisch. Was sagen Sie denen?

Kumpfmüller:

Die Zukunft wird es zeigen. Wenn alle Leitsystem-Hersteller diese Schnittstelle anbieten, werden die Feldgerätehersteller sehr schnell die Vorteile nutzen und sie in ihrem Angebot berücksichtigen. Sie können sich dann überlegen, ob sie zusätzlich noch den Gerätetreiber für eine zweite Integrationstechnologie anbieten wollen, um sich zu differenzieren. Die Vorteile, die man im Hinblick auf Zertifizierung und unproblematische Leitsystem-Integration bei FDI hat, wird alle Hersteller überzeugen.

Huber:

Langfristig hat jeder Hersteller einen Vorteil, wenn er nur noch einen Standard unterstützt. Die Erleichterungen ergeben sich zwar erst nach und nach. Denn wir alle werden auch weiterhin die installierte Basis unterstützen. Die, die jetzt noch abwarten, werden spätestens starten, wenn die ersten Projekte laufen. Da das generische FDI-Package es ermöglicht, in Projekten FDI-fähige Geräte mit EDD-Geräten zu kombinieren, wird das nicht lange auf sich warten lassen.

Kumpfmüller:

Für reine Sensorhersteller war der Leidendruck nicht so groß. Der entstand vor allem bei den Kunden und den Leitsystemherstellern. Denn wenn die Integration von FDT- oder EDD-basierten Geräten nicht funktionierte, wandten sich die Kunden immer zuerst an die Leitsystemhersteller – und nicht an die Gerätehersteller, deren Kernkompetenz nicht immer die Kommunikationstechnik ist.

Bildergalerie

  • „Die Frage ist nicht ob, sondern wie schnell FDI in die breite Anwendung gehen wird," sind sich Daniel Huber (r.) und Hans-Georg Kumpfmüller einig.

    „Die Frage ist nicht ob, sondern wie schnell FDI in die breite Anwendung gehen wird," sind sich Daniel Huber (r.) und Hans-Georg Kumpfmüller einig.

    Bild: Markus Hintzen

  • Im Gespäch am Rande der Konferenz Sensorik 4.0 des ZVEI im September 2015 in Fulda. FDI ist auch Bestandteil des RAMI-4.0-Modells.

    Im Gespäch am Rande der Konferenz Sensorik 4.0 des ZVEI im September 2015 in Fulda. FDI ist auch Bestandteil des RAMI-4.0-Modells.

    Bild: Markus Hintzen

  • Hans-Georg Kumpfmüller: „Als offener Standard, den alle Leitsystem-Hersteller unterstützen, ist FDI eine Voraussetzung für Industrie 4.0.“

    Hans-Georg Kumpfmüller: „Als offener Standard, den alle Leitsystem-Hersteller unterstützen, ist FDI eine Voraussetzung für Industrie 4.0.“

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