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Was verbirgt sich eigentlich hinter der neuen Ökodesign-Richtlinie?
Sie dient in Europa als Grundlagenrichtlinie dafür, um industrielle Produkte energie- und materialeffizienter zu gestalten und auch zu regulieren. Im Speziellen geht es in der aktualisierten Richtlinie um die Implementierungsverordnung für Motoren und Frequenzumrichter. In regelmäßigen Abständen wird die Marktentwicklung untersucht und dann in der EU-Kommission festgelegt, wie sich noch effizientere Produkte auf dem Markt forcieren lassen. Genau das ist jetzt passiert und die Richtlinie wurde unter anderem von Motoren auf Frequenzumrichter erweitert. Außerdem erhöhte sich der Wirkbereich von bisher 0,75 bis 375 Kilowatt auf 0,12 bis 1000 Kilowatt. Damit deckt die Ökodesign-Richtlinie jetzt 90 Prozent aller Produkte auf dem Markt ab – und somit auch des Energieverbrauchs. Und damit kann ich versuchen, diesen Energieverbrauch effizienter zu gestalten.
Energie ist ein gutes Stichwort. Rund 70 Prozent der benötigten Energie in der produzierenden Industrie wird von Motoren verbraucht. Ist Energie noch zu günstig? Brauchen wir gesetzliche Verordnungen, damit hier die Effizienz gesteigert wird?
Nein! Es muss mit Energie in den Prozessen effizient umgegangen werden. Eine relativ einfache Methode sind effizientere Komponenten. Das ist aber bei weitem nicht der wirkliche Hebel. Zwar lässt sich rund 40 Prozent der Verluste einsparen, wenn ein 20 Jahre alter IE1-Motor durch einen modernen IE4-Motor ausgetauscht wird. Das hört sich erstmal viel an. Wenn ich aber das ganze System betrachte und beispielsweise einen Frequenzumrichter bei einem Pumpensystem einsetze, lassen sich – bei einem Normzyklus nach EN 17038 – bis zu 70 Prozent Energie einsparen. Dann sind die Einsparungen der Konversionsverluste, die der Austausch des Motor gebracht hat, plötzlich nicht mehr 40, sondern acht Prozent Energieeinsparung im Prozess. Und da ist die Ökodesign-Verordnung großartig, weil sie dafür sorgt, dass die Hersteller nun in der Verantwortung sind, die Kenndaten für ihre Produkte zu liefern. Damit werden Lösungen vergleichbar.
Müssen mit der neuen Richtlinie auch alte Bestandsmotoren bei Defekten durch neue Modelle mit besseren Effizienzklassen ersetzt werden?... oder gilt das nur für den Verkauf neuer Motoren?
Die Ökodesign-Richtlinie ist wie jede andere CE-Richtlinie eine „In-Verkehr-Bringungs-Richtlinie“. Somit gilt sie grundsätzlich nur für Motoren und Frequenzumrichter, die ich jetzt neu in Verkehr bringe. Im Gegensatz zu der bisherigen Richtlinie gilt in der neuen Variante zusätzlich, dass Ersatzmotoren verwendet werden dürfen. Ein Maschinenbauer müsste ja bei einer neuen Maschine, die vor beispeilsweise fünf Jahren entworfen wurde, theoretisch einen neuen der Richtlinie entsprechenden Motor verwenden – der aber mechanische Anpassungen an der Maschine erfordern würde. Das könnte für den Maschinenbauer jedoch oft einen unverhältnismäßigen Aufwand für wenige Prozentpunkte mehr Effizienz bedeuten – weil das insgesamt weder material- noch energieeffizient wäre. Und genau für diese Fälle ermöglicht die Ökodesign-Richtlinie einen 1:1-Austausch der Motoren. Alte Motoren dürfen also nicht mehr grundsätzlich verkauft werden, für Ersatz bei Maschinen ist dies im 1:1-Austausch möglich.
Bei Defekten können Maschinenbauer und Anwender also weiter 1:1-Austauschmotoren nutzen?
Genau, das darf er bis 2029. Wenn aber die Möglichkeit besteht, in dem Bauraum einen modernen, energieeffizienteren Motor einzusetzen, dann sollte er das dennoch tun. Es bringt uns allen etwas, wenn weniger Energie verbraucht wird.
Wie unterstützt ABB – abseits von energieeffizienten Produkten – mit einer ökologischen Umsetzung? Bieten Sie auch eine Energieeffizienzberatung an?
Wir machen sogar mehr als eine Energieeffizienzberatung! Wir analysieren zusammen mit dem Kunden seine Anlage oder Installation: Welche Motoren, Lüfter, Pumpen und Umrichter sind im Einsatz, mit welcher Auslastung werden diese gefahren wann gefahren, gibt es Lastspitzen, wird die Leistung überhaupt genutzt und vieles mehr. Wir können natürlich jederzeit einzelne energieeffizientere Komponenten austauschen oder am Regelkonzept arbeiten, doch der systemische Ansatz ist viel effektiver. Dafür benötigen wir aber Daten, die über mehrere Monate aufgenommen werden, um dann die Analyse zu fahren. Hier hilft beispielsweise bei Bestandsanlagen unser Smart Sensor, der einfach auf Motoren, Lager oder Pumpen montiert wird und sofort Daten über den Betrieb liefert. Wenn genügend Daten vorhanden sind, sehen wir, ob es Überdimensionierungen gibt, welche Lastkurven gefahren werden, wo Probleme entstehen können. Ableitungen können dann sein, dass ein IE1-Motor durch die Ansteuerung eines modernen Frequenzumrichters sofort signifikant Energie einspart, ohne den Motor verändern zu müssen. Hier berücksichtigen wir, wie lange der Betreiber die Anlage durch Retrofitting möglichst unverändert noch fahren will und wann sich Neuinstallationen lohnen. Wir empfehlen, beispielsweise bei anstehenden Wartungen, gleich neue Komponenten zu verbauen – so spart der Kunde Zeit, Geld und Energie. All das planen wir mit dem Kunden zusammen.