Mehr Forschung für die öffentliche Gemeinschaft Halbleiterforschung trifft auf Meeresmuesum

Marco Kircher, Wissenschaftler am Fraunhofer IPMS, zeigt Karsten Goletz und Anke Neumeister vom Projektteam „museum4punkt0“ am Deutschen Meeresmuseum, wie er mit Gesten einen virtuellen Pinguin steuert.

Bild: Thomas Trutschel (phototek) | Fraunhofer IPMS
01.07.2022

Von den zahlreichen Innovationen aus der angewandten Forschung der Fraunhofer Gesellschaft profitierten bisher überwiegend Industrieunternehmen. In Zukunft will das Fraunhofer IPMS seine Forschung verstärkt auch der öffentlichen Gemeinschaft zur Verfügung stellen.

Wie passen Halbleiterforschung und Kultur zusammen? Und welche Schnittmengen haben öffentliche Kultureinrichtungen mit Innovationstreibern der angewandten Forschung? Dies sind Fragen, denen sich das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS angenommen hat.

„Normalerweise sind große Industriekunden die Auftraggeber von Forschungsinstituten. Jedoch sollte es ein wichtiges Ziel sein, uns auch mit kulturellen Einrichtungen zu vernetzen“, erklärt Marco Kircher, Wissenschaftler am Fraunhofer IPMS. Denn die teilweise jahrelange Forschungsarbeit und die daraus resultierenden Entwicklungen seien für die Öffentlichkeit oft nicht sichtbar beziehungsweise zugänglich. Zudem bestimmen Großkonzerne und Wachstumsmärkte erheblich die Forschungslandschaft und sind große Motoren der Innovation.

„Dabei erhalten individuelle Interessen und Bedürfnisse aus nicht-industriellen Bereichen leider wenig Einfluss in der Forschungsgestaltung“, sagt Kircher weiter. Jedoch können auch Museen mit ihrer Öffentlichkeitswirkung Innovationstreiber sein und somit neueste Technologien und Erkenntnisse der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. „Letztlich können unsere für die Automobilindustrie oder Medizintechnik entwickelten Technologien genauso effektiv auch im musealen Bereich eingesetzt werden“, fährt Kircher fort. Gelegenheit zum Technologietransfer von Forschung zur Kultur bietet das Projekt „museum4punkt0“.

Zusammenarbeit von Fraunhofer und dem Deutschen Meeresmuseum

Seit Anfang 2022 arbeiten das Fraunhofer IPMS in Dresden und das Deutsche Meeresmuseum mit seinem Standort Ozeanum Stralsund zusammen. Innerhalb des Verbundprojekts „museum4punkt0 – Digitale Strategien für das Museum der Zukunft“ will das Deutsche Meeresmuseum Interaktionsmöglichkeiten mit seinen Besuchern schaffen, um sich sowohl digital als auch kulturell neu zu erfinden.

„Besonders die Pandemie hat die kontaktlose Interaktion mit unserer Ausstellung in den Fokus gerückt. Die plötzlichen Einschränkungen und notwendige permanente Desinfektion aller Bedienelemente im Museum – ob Touchscreen, Hebel oder Knöpfe – machte uns deutlich, wie viele Oberflächen überhaupt angefasst werden“, sagt Anke Neumeister, Projektkoordinatorin am Deutschen Meeresmuseum.

Auf der Suche nach kontaktlosen Interaktionsmöglichkeiten wurde sie auf die Arbeiten des Fraunhofer IPMS aufmerksam. Deren Forschende entwickeln mikroskopisch kleine Strukturen zur Erzeugung von Ultraschall, welche bereits in verschiedensten kommerziellen Systemen zur Gestensteuerung eingesetzt werden.

„Kontaktlose Steuerungssysteme haben ein hohes Potenzial dafür, die digitale Entwicklung in Museen zu unterstützen“, erklärt Anke Neumeister. Tauglich für den breiteren Einsatz im Museum werden sie jedoch erst durch Steuerungstechnologien, die auch bei schwierigen Lichtverhältnissen oder geringem Raumangebot zuverlässig funktionieren und dabei eine intuitive sowie gleichzeitig hygienische Bedienung ermöglichen.

Innerhalb der digitalen Veranstaltung „Kontaktlos berührt“ hatten die beiden Partner gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU sowie dem Futurium dieses Thema bereits intensiv diskutiert und einen Einblick in die Gestensteuerung gewährt.

Gestensteuerung lässt Museumsbesucher kontaktlos und digital „Meer“ erleben

Innerhalb des Teilprojekts unter dem Namen „(Digital) Meer erleben“ entwickelte das Fraunhofer IPMS einen Demonstrator, welcher Museumsbesucher mit einer Handbewegung einen Pinguin steuern lässt. Dabei bewegt der Nutzer ihn auf der Suche nach Sprotten für sein Küken zielgerichtet durchs Wasser. „Die am Institut entwickelte ultraschallbasierte Technologie setzt vertraute Gesten als Steuerungsbefehle ohne Kontakt zu einer Oberfläche um“, erläutert der Projektleiter Marco Kircher.

Am 24. Juni 2022 fand die offizielle Werkschau des Projekts „museum4punkt0“ im Haus Bastian des Zentrums für kulturelle Bildung in Berlin statt. Dabei erfolgte auch die Übergabe des Demonstrators an das Deutsche Meeresmuseum.

„Wir freuen uns auf den interdisziplinären Austausch mit den anderen Teilnehmern. Mit dieser Zusammenarbeit präsentieren wir die Machbarkeit des Einsatzes neuartiger angewandter Forschungsergebnisse in kulturellen Einrichtungen und ermöglichen der Öffentlichkeit einen Blick hinter die Kulissen der Forschungslandschaft“, sagt Marco Kircher. „Mit der Übergabe des Demonstrators wurden aktuelle Forschungsergebnisse den Besuchern zur Verfügung gestellt und es kommt zum Schulterschluss zwischen Forschung, Kultur und Wissenschaft.“

Schon bald können Besucher des Ozeaneum Stralsund dem virtuellen Pinguin helfen, sein Küken zu füttern. Innerhalb des Kooperationsprojekts soll nun ermittelt werden, ob und wie Museumsgäste diese Interaktionsform annehmen. Die Erprobung wird mit Befragungen begleitet.

Deren Ergebnisse werden sowohl in die Ergebnispublikation von „museum4punkt0“ als auch in die weitere Technologieentwicklung am Fraunhofer IPMS einfließen. Damit können wichtige Informationen für weitere Entwicklungen mit Fokus auf Museen als mögliche Adressaten eines marktreifen Produkts gewonnen werden.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel