P&A:
Die Entwicklung eines neuen Produkts bedarf zumeist einer Initialzündung. Was hat Sie angetrieben?
Frank Lauer:
Es war die Herausforderung, eine Aussage zu stürzen. Auf einer Schulung zum Thema hygienische Verschraubungen im produktberührenden Bereich hieß es „Finger weg von hygienischen Verschraubungen, etwas Brauchbares gibt es hier nicht“. Das war für mich die Initialzündung für den heutigen hygienischen Usit-Ring.
Wie ging es dann weiter?
Meist startet eine Eigenentwicklung ohne Problemstellung seitens eines Kunden sehr intuitiv. Die Fragen, die sich Produktentwickler zu Beginn stellen, betreffen das Aussehen, die Aufgaben, Anforderungen an ein Produkt und welche Anwendungsfehler künftig vermieden werden sollen. Der erste Schritt war mit Stift und Papier Handskizzen anzufertigen. Auch das Material musste gleich am Anfang festgelegt werden. Da die Anwendung überwiegend in wässrigen Medien und bei schwankenden Temperaturen eingesetzt werden sollte, war beim Usit-Ring schnell klar, dass EPDM der Werkstoff der Wahl war. Erst dann starteten Berechnungen, wie sich das Produkt unter verschiedenen Einflüssen verhält in deren Rahmen dann auch die CAD-Daten erstellt wurden.
Zieht man sich als Produktentwickler mit seiner Idee in den wissenschaftlichen Elfenbeinturm zurück oder setzt man auf Teamarbeit?
Im gesamten Prozess waren einige Personen und Abteilungen beteiligt. Die eigentliche Produktentwicklung lag bei zwei Personen, einem Prozesstechniker und einem Produktentwickler. Zum Team zählten auch Prozesstechniker, die Werkzeuge konstruieren, Kollegen der Prototypenfertigung, die Einkäufer der Materialien, Maschinenbauer und Mitarbeiter zur logistischen Betreuung und Planung der Umsetzung. Aus wirtschaftlicher Sicht musste zuerst das Marktpotenzial abgeschätzt werden. Dies gestaltet sich bei einem Produkt, das es bislang am Markt nicht gibt, natürlich schwierig.
Frust und die Angst vorm Scheitern – hat Sie das während der Entwicklung in so einem großen Team begleitet?
Bei knapp zwei Jahren Entwicklungszeit gibt es Höhen und Tiefen in einem Projekt. Die größte Hürde galt es in der betriebswirtschaftlichen Argumentation zu nehmen. Denn Wirtschaftlichkeit und Erfindergeist stoßen oft aneinander. Techniker sind manchmal einfach zu sehr entwicklungsgetrieben. Die wirtschaftliche Bewertung des Produkts stellen sie gerne hinten an. Das kann zu langen Diskussionen führen, die eine schlagfertige Argumentation erfordern. Wirklicher Frust kam aber glücklicherweise in diesem Projekt nie auf. Das Potenzial, am Markt einen Beitrag zur Sicherung hygienisch anspruchsvoller Prozesse zu leisten, wurde sehr schnell erkannt. Auch die technische Umsetzung verlief einwandfrei und ohne Komplikationen.
In Zahlen ausgedrückt: Was bedeutet einwandfrei, beziehungsweise wie viele Prototypen waren im Entwicklungsprozess nötig?
Der erste Prototyp hat gleich funktioniert. Das kommt selten vor, war aber höchst motivierend für das ganze Projektteam. Und es macht einen besonders stolz. Gerade wenn man sich über einen so langen Zeitraum einem solchen Projekt widmet.
Die eigentliche Produktentwicklung war damit beendet. Was musste danach passieren, um den Hygienic Usit auf den Markt zu bringen?
Zunächst mussten der Hygienic Usit und seine besondere Funktion auf die Probe gestellt werden. Dass er zuverlässig in produktberührenden Bereichen der Prozessindustrie abdichtet und somit höchste hygienische Sicherheit garantiert, musste erst einmal bewiesen werden. Dafür haben wir ihn mit einem Farbeindringungstest auf Herz und Nieren geprüft und danach bei der EHEDG-Gruppe und Weihenstephan zur Reinigbarkeitsprüfung eingereicht. Verliehen bekommen haben wir das höchste aller EHEDG Zertifikate, „Type El Class I“, welches die Funktion der neuen Dichtung bescheinigt.
Wie genau gelingt es dem Hygienic Usit, neue Reinheitsstandards in der Prozessindustrie zu setzen?
Das Produkt besteht aus einer metallischen Unterlegscheibe mit Elastomerwulst. Es dichtet totraumfrei und statisch Schraubköpfe und Verschraubungen in offenen und geschlossenen Prozessen ab. Eine wichtige Komponente ist das Material. Mittlerweile ist der Hygienic Usit nicht nur in verschiedenen Varianten des Werkstoffs EPDM verfügbar, sondern auch aus Fluoroprene XP 41. Alle diese Materialien sind für den Einsatz in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie zugelassen und geprüft. Eine weitere Besonderheit ist die Reinigung der Anlage im Cleaning-in-Place-, Washing-in-Place- oder Sterilization-in-Place-Verfahren. Diese sind ohne Demontage problemlos möglich.
Zertifikat und Muster schmücken noch immer Ihren Schreibtisch. Was ist das Besondere für Sie an dem Projekt gewesen?
Es ist ein völlig neuer Produktbereich auf dem Markt entstanden. Alle hygienischen Abdichtungen für Schraubverbindungen hatten zuvor ihren Nutzen verfehlt oder waren Nischenlösungen die nicht allgemein Verfügbar waren. Prozesse mit Verschraubungen in besonders sensiblen Bereichen konnten somit nicht vor Korrosion und Verunreinigungen geschützt werden. Fremdkörpern wurde kein Halt vor dem Eindringen in die zu verarbeiteten Stoffe geboten. Ich habe einen Sinn in dem neuen Produkt gesehen und ein Problem gelöst. Letztlich ging die Entwicklung in Serie und wurde sogar zum Katalogteil. Ich schätze, so hat sich meine besondere emotionale Bindung zum Hygienic Usit entwickelt.