Interview mit Aljoscha Schlosser, Boge Kompressoren „Immer die maximal effiziente Maschine“

Aljoscha Schlosser ist Digital Innovation Manager bei Boge Kompressoren.

Bild: Boge Kompressoren
19.03.2019

Kompressoren, die über ihre Lebensdauer immer besser und effizienter werden: Das ist das Versprechen des Continuous Improvement Programme (CIP). Im Gespräch mit P&A erklärt Aljoscha Schlosser, Digital Innovation Manager bei Boge Kompressoren, wie das Konzept funktioniert, was es kostet und welche Vorteile es bietet.

Herr Schlosser, das Continuous Improvement Programme von Boge gibt es jetzt seit 2017. Vielleicht noch mal zur Einordnung: Was genau verbirgt sich dahinter?

Mit dem Continous Improvement Programme (CIP) versuchen wir, die Druckluftversorgung des Kunden über den Lebenszyklus zu optimieren, sodass sich die Maschine immer wieder an die sich verändernden Bedarfe anpassen kann. Gleichzeitig lernen wir dadurch viel über die Maschine und können so Weiterentwicklungen einbringen. Kurz gesagt: Das CIP bringt Soft- und Hardwareupdates, wobei die Hardware-Updates das Revolutionäre sind.

Was war der Anlass für die Entwicklung des CIP?

Anwender stehen naturgemäß vor der Problematik, dass ihre Maschinen verschleißen und altern. Die Performance nimmt also über den Lebenszyklus eher ab. Dem versucht man mit klassischen Wartungskonzepten, wie dem Austausch von Verschleißteilen, entgegenzuwirken. Damit erreicht man aber maximal wieder den Ursprungszustand. Noch gravierender wird die Problematik, wenn der Kunde sein Nutzungsverhalten ändert.

Inwiefern?

Maschinen und insbesondere Kompressoren sind meistens auf einen idealen Punkt ausgelegt, zum Beispiel auf einen bestimmten Druck. Dort läuft die Maschine maximal effizient. Wenn die Anwender nun den Druck verringern oder ihre Produktion umstellen, müssen sie eine Anpassung der kompletten Druckluftsituation vornehmen oder schlimmstenfalls eine neue Investition tätigen. Das CIP hat daher den Anspruch, dass sich die Maschine mit den Anforderungen des Kunden entwickelt und sich anpasst. Wir versuchen, den Kunden am technischen Fortschritt partizipieren zu lassen.

Wie sieht das in der Praxis aus? Welche Komponenten analysieren Sie?

Grundsätzlich überwachen wir zunächst das Lastprofil des Kunden. Das heißt, wie wird die Maschine eingesetzt und wird sie auch entsprechend ihrer Auslegung genutzt? Stellen Sie sich vor, das Druckluftsystem ist auf 7,5 bar ausgelegt, der Kunde fährt es aber nur noch bei 6,5 bar. Weil sich das Lastprofil verändert hat, sind die Kompressoren im Verbund aber nicht mehr ideal aufeinander abgestimmt. Das kann für uns bedeuten, dass wir das Regelverhalten optimieren, indem wir eine übergeordnete Steuerung einbinden, die das ganze System managt. Wir beobachten also eher, ob die Maschine noch am optimalen Punkt läuft.

Und im nächsten Schritt?

Im zweiten Step betrachten wir, welche Komponente wir optimieren könnten. Dazu gehören vor allem das Verdichtungsaggregat, aber auch die Steuerungstechnik oder der Frequenzumrichter. Hier untersuchen wir, inwiefern wir mit neuen Entwicklungen, beispielsweise einer neuen Verdichtergeneration, mehr Energieperformance herausholen.

Diese Informationen stellen Sie dann Ihren Kunden in gewissen Zeitabständen zur Verfügung?

Genau. Mit Boge Analytics erhält der Kunde regelmäßig einen Performance-Report, damit er sein Energiemanagement verstehen lernt und sieht, wie seine Druckluftversorgung funktioniert. Außerdem schlagen wir ihm Optimierungsmöglichkeiten vor. Eigentlich bieten wir das CIP schon seit langer Zeit an: Bisher haben wir Air-Audits durchgeführt. Wir sind zum Kunden gefahren, haben eine Messstrecke aufgebaut und dann das Druckluftnutzungsprofil zwei Wochen analysiert. Jetzt machen wir das aber auf einem völlig neuen Niveau.

Welche Daten müssen Sie dafür beim Kunden und an den Kompressoren abgreifen?

Wir haben einiges an Sensorik in den Maschinen, insbesondere in den Highspeed-Turbo-Kompressoren, verbaut – von Temperatursensorik bis Liefermengenmessung und natürlich den Energieverbrauch. Damit kann man schon sehr gut analysieren, wie die Maschine aktuell läuft.

Ich vermute aber, dass viele Ihrer Kunden diese Daten nicht unbedingt weiterreichen wollen…

Das Besondere bei uns ist: Wenn wir prädiktive Analysen einsetzen, sitzt die Intelligenz nicht irgendwo in der Cloud, sondern lokal beim Kunden. Wir haben in den meisten Druckluftstationen eine übergeordnete Steuerung, die einen Verbund aus mehreren Kompressoren managt. Diese Steuerung haben wir so aufgewertet, dass dort Machine-Learning-Konzepte laufen können. Wir müssen also nicht mehr diskutieren, wo die Daten hingeschickt werden. Denn wir übermitteln letztlich nur Resultate.

Sie versprechen im Rahmen des CIP, dass Sie einzelne Komponenten, etwa den Impeller, für die jeweilige Anwendung kundenspezifisch anfertigen, um Energiesparpotenziale zu heben. Bedeutet das nicht einen enormen Aufwand?

Das stimmt. Es ist mehr Aufwand, als wenn man Standard-Impeller nutzt. Deshalb haben wir uns im Bereich Simulationssoftware verstärkt, auch personell. Wenn wir etwa feststellen, dass die Maschine beim Kunden ihren Druckbereich verringert hat, simulieren wir die entsprechenden Komponenten neu. Und wir lassen heute schon Teile mit Hilfe von 3D-Druck produzieren. Unsere Produktionslinie ist dabei so ausgerichtet, dass wir in Zukunft Losgröße 1 erzielen können.

Wie kann ich mir das vorstellen?

Der Mitarbeiter, der beispielsweise den Motor montiert, hat ein Assistenzsystem, das ihm genau für diesen Motor die individuellen Informationen zur Verfügung stellt und ihn bei der Montage unterstützt. Am Ende funktioniert das CIP mit unserem Produkt ideal wegen der Kombination aus einem entwickelten Service und dem Smart-Factory-Gedanken. Das heißt: Losgröße 1, Unterstützung und Assistenzsystem und ein modulares Produkt, optimal designt und digital vernetzt – inklusive einer intelligenten Datenanalyse.

Wie fügt sich das CIP eigentlich in Ihr Serviceangebot ein? Es gibt ja mit Boge Analytics und Predictivecair noch weitere Begrifflichkeiten.

Zu unseren klassischen Service- und Wartungsangeboten können Kunden noch Boge Analytics dazu buchen. Das macht unser Serviceprogramm dann wirklich smart. Boge Analytics wiederum besteht aus verschiedenen Modulen: Das fängt an mit klassischem Condition Monitoring, in dem wir die Maschinen rund um die Uhr für den Kunden überwachen. Dann gibt es noch Predictivecair. Hier prognostiziert unsere Software das zukünftige Laufverhalten und möglichen Verschleiß. Das Ganze gipfelt dann im Continuous Improvement Programme mit konkreten Optimierungen über Hard- und Softwareupdates.

Wie ist bislang die Resonanz Ihrer Kunden? Wird das CIP angenommen?

Vielleicht noch als Hintergrund: Als Teil von Boge Analytics ist es für jeden Kunden im ersten Jahr kostenlos. Ab dem zweiten Jahr kostet es pro Tag fünf Euro für die erste Maschine und zwei Euro für jede weitere. Es ist außerdem täglich kündbar. Das heißt, das Risiko für den Kunden ist sehr gering. Soweit ich weiß, hat noch niemand die Option nach dem ersten Jahr abgewählt.

Sollten Sie mit Ihren Optimierungen tatsächlich für Energieeinsparungen beim Kunden sorgen, erhalten Sie aber einen Teil davon als Bezahlung.

In dem Fall, dass wir – zum Beispiel mit einer neuen Motorgeneration – für Einsparungen beim Kunden sorgen, gehen wir nochmal mit dem Kunden ins Gespräch. Die Kosteneinsparung ist ein separates Modell. Die Dienstleistung, die Maschinen für den Kunden durchgehend zu überwachen und zu analysieren, ist in Boge Analytics schon mit inbegriffen.

Sie haben das Programm mit Ihren High-Speed-Turbo-Kompressoren gestartet. Warum mit dieser Modellreihe?

Sie hat den Vorteil, dass sie relativ neu ist und wir die Produkttechnologie genau für solche Servicekonzepte entwickelt haben. Die Maschine an sich ist komplett modular aufgebaut und wir haben bei diesem Produkt eine enorme Fertigungstiefe. Außerdem sind die Kompressoren standardmäßig mit unserem Vernetzungs- und IT-Modul ausgestattet. Das Konzept CIP kann man sicherlich auch auf einen Schraubenkompressor übertragen, aber vielleicht nicht eins zu eins. Am Ende geht es um den Leitgedanken, dass wir den Kunden über den Lebenszyklus immer die maximal effiziente Maschine bieten. Das muss sich nicht auf eine Produkttechnologie beschränken, sondern es geht wirklich um die komplette Druckluftversorgung – also von der Rohrleitung über eine Wärmerückgewinnung bis zum Kolbenkompressor.

Wie lange unterstützen Sie Kompressoren im Continuous Improvement Programme? Gibt es eine zeitliche Begrenzung?

Nein, es gibt keine 5- oder 10-Jahres-Regel, nach der wir sagen: „Jetzt unterstützen wir das nicht mehr.“ Mit Blick in die Zukunft könnte das CIP in zehn Jahren ja auch bedeuten, dass man die Maschine durch eine neue ersetzt, wenn sie nicht mehr rentabel ist.

Verringern Sie mit dem CIP nicht die Chance, dass Ihre Kunden zeitig zu einem Nachfolgemodell greifen?

Das hört man häufig. Natürlich kannibalisiert man sich etwas, indem man die Maschinen im Kundenbestand immer wieder optimiert. Aber hier muss man einfach ein Stück weit die Perspektive wechseln: Wir sind mit dem Konzept einfach sehr kundenzentriert, und das hat im Markt Vorteile. Wir können Lösungen anbieten, mit deren Hilfe die Maschine des Kunden besser wird anstatt schlechter.

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