Wie auch immer die Geschäftsmodelle aussehen, sie sollen auf den gigantischen Mengen digitaler Informationen aufsetzen, die eine vollständige digitale, automatisierte Fabrik der Zukunft generiert. Welche Daten generiert die Fabrik der Zukunft? Zum einen werden das alle für den relevanten Materialfluss notwendigen und daraus resultierenden Daten sein: Mengen, Laufzeiten, Kapazitäten, Arbeitsvorrat, Bestände, Ressourcen – MES- und ERP-Systeme können das schon heute – und es ist leicht vorstellbar, dass die massenhafte Verfügbarkeit solcher Daten die Grundlage neuer Geschäftsprozesse und Modelle der Zukunft sein kann. Aber der Anspruch von Industrie 4.0 geht doch wesentlich über die verbesserte Optimierung der Materialströme hinaus. Zum einen werden Produkte und deren Dokumentation – also quasi das digitale Abbild des Produktes – miteinander verschmelzen. Die Menge produktbezogener Daten – egal ob von Produktionsmitteln oder von herzustellenden Produkten – wird exponentiell ansteigen.
Maschinen sollen sich aber auch selbstständig diagnostizieren, sich autonom bewegen und bei Bedarf zu Produktionsinseln zusammenfinden. Die autonome Fabrik wird dabei mehr und mehr vom Produkt und dem damit verbundenen Arbeitsvorrat selbst gesteuert. Die hohe Kundenindividualität der Produkte erlaubt keine starre menschliche Planung mehr – die agile Fabrik von Morgen produziert kostengünstige, auftragsinduzierte Kleinmengen genauso wie große Mengen Standardartikel aus den gleichen Ressourcen. Die energieintensiven Maschinen prognostizieren dabei die Bewegung an der Strombörse und bearbeiten größere Volumina bevorzugt während vorhandener Energieüberkapazitäten, um so auch den Produktionsfaktor „Energiekosten“ intelligent und autonom zu managen.
Wie aber bewegt sich eine Maschine in einem Raum, in dem andere Maschinen, aber auch Menschen permanent und autonom Umgebungsbedingungen und geometrische Daten verändern. Finden sich mobile Maschinen oder auf autonomen Werkstückträgern bewegte Produkte blind? Wie erfassen die Maschinen die Verfügbarkeitsdaten der jeweils anderen Maschinen, mit denen sie sich selbstständig zu Produktionsstraßen verknüpfen sollen. Die Antwort ist einfach – die Lösung hingegen schwer: Industrie 4.0 braucht auch neue, leistungsstarke Sensorik, die jeder Maschine jederzeit ein vollständiges Abbild ihrer Umgebung übermitteln!
Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Schon vor 30 Jahren irrten sich die Automatisierer, als sie kühn behaupteten, das intelligente Systeme zur letzten Jahrtausendwende jeden Großmeister im Schach und jeden Weltklasse-Tischtennisspieler schlagen werden. Während den Schachcomputern dabei Moore’s Law, also die ständige Verdopplung der Rechnerleistung, zu Hilfe kam und Computer heute ebenbürtige Gegner für Schach-Großmeister geworden sind, hängen wir im Tischtennis unseren Visionen von damals doch arg hinterher - auch wenn die kreative Werbung eines großen Roboterherstellers etwas anderes suggeriert. Dabei ist nicht etwa die Beweglichkeit, Schnelligkeit oder Präzision des Roboters hier der Flaschenhals. Die Sensorik ist heute schlicht nicht in der Lage, die Flugbahn des Balls schnell und genau genug vorauszuberechnen. Dazu wäre die Beobachtung der Flugbahn des Balls auch nicht ausreichend. Bereits aus den Körperbewegungen des Gegners müsste die Sensorik Flugbahn, Drall, Geschwindigkeit etc. vorausberechnen, um dann im letzten Moment in der eigenen Bewegung kleinste Abweichungen auszugleichen.
Ansätze hierzu gibt es viele. Vor allem Streifenlicht-Projektionen und Deflektometrie sind Verfahren, die großes Potenzial für die genaue Erfassung bewegter 3D-Körper aufweisen. Geometrische Raumdaten lassen sich über heute verfügbare 3D Laser-Laufzeit-Scanner erfassen und präzise Informationen zu Objektdetails werden über Triangulation oder Interferometrie ermittelt. Viele optische Phänomene wie Chromatographie, Beugung und Streuung haben ihren Weg in die industrielle Sensorik noch gar nicht gefunden. Gyroskopie und Gyrometrie sind gerade dabei, in ersten Sensorprodukten in die Industrie Einzug zu halten.
Ein „Eldorado“ für Hersteller industrieller Sensoren? Ja, aber auch eine Herkulesaufgabe. Bis aus bekannten physikalischen sensorischen Prinzipien robuste, zuverlässige Industriesensoren geworden sind, werden viele tausend kreative Entwicklungsstunden notwendig sein. Aber ohne diese neuen Sensoren fehlen den Maschinen der vierten industriellen Revolution die notwendigen, technisch angemessenen „Sinnesorgane“!