Eiweißmoleküle können unterschiedlichste chemische Reaktionen katalysieren, ohne Hilfsstoffe oder Lösungsmittel zu verbrauchen. Jedoch sind sie teuer und daher bislang ökonomisch unattraktiv. Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun ein Biomaterial entwickelt, das den Einsatz der Enzyme stark vereinfachen soll.
Wertvolle Verbindungen ohne viel Abfall
Katalysatoren sorgen dafür, dass Ausgangsstoffe schnell und energiesparend miteinander reagieren und dabei das gewünschte Endprodukt entsteht. In der chemischen Industrie sind sie daher von enormer Bedeutung: In rund 90 Prozent aller chemischen Prozesse werden Katalysatoren eingesetzt.
Das am KIT entwickelte Biomaterial soll hier eine umweltfreundliche und energiesparende Alternative bieten. „Langfristig erhoffen wir uns, dass solche biokatalytischen Materialien in automatisierten Verfahren eingesetzt werden, um ohne aufwendige Synthese- und Reinigungsschritte und mit möglichst wenig Abfallstoffen wertvolle Ausgangsverbindungen zu produzieren“, so Prof. Christof Niemeyer vom Institut für Biologische Grenzflächen.
Um dies zu erreichen, haben die Wissenschaftler natürliche Enzyme so verändert, dass sie sich von selbst zu einem stabilen Biokatalysator zusammenfügen. Ähnlich wie ein Zweikomponentenkleber bilden die Enzyme, wenn man sie zusammengibt, ein gelartiges Material. Es wird auf Kunststoffchips mit rillenförmigen Vertiefungen aufgebracht und beim Trocknen konzentriert, wobei das Hydrogel entsteht.
Der Chip wird dann mit einer Kunststofffolie abgedeckt. Durch die Rillen können nun Ausgangsstoffe gepumpt werden, die von den Biokatalysatoren zu den gewünschten Endprodukten umgesetzt werden. Das Biokatalysatorgel selbst bleibt zurück. Für die Reaktion werden keine Lösungsmittel benötigt, auch hohe Temperaturen oder Drücke sind nicht erforderlich. Dies soll den Prozess sehr umweltfreundlich und nachhaltig machen.
Keine ungewünschten Spiegelbilder
Da auf kleinstem Raum sehr viel Reaktionsfläche vorhanden ist, sind die Umsatzraten in solchen miniaturisierten Flussreaktoren, also stark verkleinerten Reaktionsgefäßen, hoch. Ihr Einsatz in biokatalytischen Prozessen steckt jedoch noch in den Kinderschuhen, da sich Enzyme bisher nur mithilfe von Stützmaterialien im Reaktor fixieren ließen. Diese verbrauchen wertvollen Reaktorraum, der dann nicht mehr für den Biokatalysator zur Verfügung steht.
Das neue Material haftet dagegen am Träger, sodass der Reaktor maximal mit aktivem Biokatalysator befüllt werden kann. Darüber hinaus lässt es sich laut den Wissenschaftlern vollständig recyceln, ist biologisch abbaubar, sehr stabil und erzielt außerordentlich hohe Ausbeuten bei Reaktionen, für die teure Hilfsstoffe benötigt werden.
Biokatalytische Materialien haben außerdem gegenüber chemischen einen erheblichen Vorteil, wenn in einem Prozess sogenannte Enantiomere entstehen können – also Verbindungen, die sich wie Bild und Spiegelbild gleichen. In der Regel wird davon nur eine Verbindung benötigt, die zweite kann sogar unerwünschte Wirkungen haben. Mithilfe von Biokatalysatoren lässt sich gezielt eine der beiden Varianten herstellen, während bei chemischen Verfahren häufig teure Zusatzstoffe benötigt werden oder die unerwünschte Verbindung aufwendig abgetrennt werden muss.
Stark interdisziplinär
Die Arbeit entstand im Rahmen des Helmholtz-Programms BioInterfaces in Technology and Medicine (BIFTM). „Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten waren nur aufgrund der hervorragenden Ausstattung und Infrastruktur dieses Programms möglich“, so Niemeyer. Im Programm arbeiten Wissenschaftler des KIT interdisziplinär an der Erforschung und Nutzung biologischer Systeme, um sie in der industriellen und medizinischen Biotechnologie anzuwenden. Die starke Interdisziplinarität erfordert dabei neben der Materialherstellung und -charakterisierung auch datenbasierte Simulationsmethoden.
Die Original-Publikation der Forschungsarbeit wird in der Zeitschrift Angewandte Chemie erscheinen; ein kurzes Abstract ist bereits unter diesem Link abrufbar.