Steuerungstechnik "Innovation entsteht an der Kaffeemaschine"

16.01.2014

Marcel van Helten, neuer Leiter des Geschäftsbereichs Industrial bei Kontron, spricht mit A&D über die Umstrukturierung des Unternehmens, seine Visionen und Strategien für eine erfolgreiche Zukunft sowie die Bedeutung des neuen Technologiecampus in Augsburg.

A&D: Herr van Helten, welcher Weg hat Sie als ehemaligen Geschäftsführer des Geschäftsbereichs GE Intelligent Platforms zu Kontron geführt?

Marcel van Helten: Ich habe bei Kontron die Möglichkeit gesehen, aktiv etwas Neues und Großes mitzugestalten. Ich sehe die Embedded-Computertechnik als zentralen Stellhebel für eine erfolgreiche Industrie. Schließlich macht sie beispielsweise die Energiewende möglich. Wir sind das Herz und das Gehirn der Automatisierung. Auch wenn ich eigentlich nicht die Absicht hatte nach 15 Jahren von GE zu wechseln – bei Kontron habe ich das Gefühl, viel bewegen zu können. Und das von Deutschland aus.

Bei Kontron hat sich intern einiges getan. Wie hat sich die Unternehmensstruktur verändert und was macht Kontron aus?

Kontron ist durch die Neustrukturierung auf vier global agierende Business Units nach Marktsegmenten ausgerichtet. Den Anfang macht die Business Unit Industrial mit Automatisierung, Energiewirtschaft und Medical. Dann haben wir noch die Business Units MAR für Military, Aerospace und Railway, Communication für Carrier Grade Telekommunikation und Multimarket für In-Vehicle, Point of Sale und Gaming & Entertainment. Gleichzeitig werden wir in unserem Technologiecampus Augsburg eine Forschungs- & Entwicklungsabteilung schaffen,, in der neben unserem Standort in Deggendorf ein großer Teil unserer wichtigsten deutschen Ressourcen zusammengefasst werden. Wir wollen die Basistechnik in den unterschiedlichen Marktsegmenten immer wiederverwenden, um Skalierungseffekte bei den Kosten zu erzielen sowie schneller und kostengünstiger marktspezifische Produkte und Services anbieten zu können.

Welche Auswirkungen hat das auf den Bereich Industrial Automation und welche Strategie verfolgen Sie in Bezug auf das Produktportfolio in dieser Business Line?

Bei Industrial Automation konzentrieren wir uns auf vier Produktbereiche: Als erstes bleiben Boards & Module für uns ein wichtiges Standbein. Hier werden wir weiterhin standardisierte Boards und individuelle Entwicklungsdienstleistungen anbieten. Der zweite Bereich umfasst Industrie-Rechner und Panel-PCs – also Boards mitsamt Verpackung. Wir haben mehrere Reihen komplett neuer Panel- und Industrie-PCs gebaut, mit denen wir unsere Marktposition ausbauen werden. Das dritte Standbein ist das Management der Echtzeitplattformen für unsere Automatisierungskunden. Dort setzen wir uns mit den Fragestellungen des harten Echtzeitbetriebs, der Langzeitverfügbarkeit, der Versionskontrolle sowie eingefrorenem BIOS auseinander. Wartungsfreiheit ist dabei ein besonders spannendes Thema. Hier wird sich einiges tun. Zum vierten Bereich zählen unsere Produktlinien mit denen wir beispielsweise die Prozessindustrie an Leitstände oder Clouds anbinden können. Das betrifft unsere industrietaugliche Servertechnik, unsere Rack-Technik und unsere KISS-Server.

Welche Ziele verfolgt Kontron mit dem Technologiecampus in Augsburg?

Gebündelt sind wir stärker. Es soll durch die Verlagerung von Eching und Kaufbeuren nach Augsburg eine gestärkte Zentrale in Augsburg entstehen, mit der wir mehr bewirken. Hier wird an einem Standort entwickelt und gefertigt. Für den Standort Deutschland wollen wir unsere gesamte Kompetenz unter ein Dach bekommen und schlagkräftiger werden.

Welche Themen und Trends in der industriellen Automatisierung wollen Sie mit Ihren Entwicklungen und Produkten zukünftig verstärkt aufgreifen?

In Zeiten des Internet der Dinge und Industrie 4.0 wäre da natürlich das Thema der Cloud-Anbindung zu nennen, für die wir unseren Kunden unterschiedliche Lösungswege anbieten. Genauso wichtig ist auch die sehr enge Zusammenarbeit mit den Chip-Herstellern. Alles geht immer schneller und wir werden mit unseren Innovationen dafür sorgen, dass unsere Partner immer mit der neuesten Technik arbeiten können. Den dritten Trend bezeichne ich gerne als den Apple-Effekt. Die Menschen gehen heute anders und viel innovativer mit Geräten um als früher. Zum einen wollen sie ein industrielles Design, das sich genauso intuitiv bedienen lässt wie Smartphones oder Tablet-PCs. Zum anderen wollen sie eben auch mobile industrielle Devices, was den vergleichsweise jungen Markt der mobilen Automation Devices treibt. Wichtig ist auch die Orientierung an der Generation der Digital Newbies. Diese Generation entwickelt tolle neue Lösungen. Wir werden es ermöglichen, dass diese Ideen auch in der Praxis umgesetzt werden.

Wo sehen Sie Kontron in drei bis fünf Jahren? Bitte wagen Sie einen Ausblick.

Kontron wird weiterhin ein stabiles, profitables Unternehmen mit guten Wachstumsraten sein, das mit einer großen Entwicklermannschaft der innovativste Lieferant im globalen Embedded-Bereich ist – und dies mit global gültiger German Engineering Practice. Wir wollen Produkte entwickeln, die das Leben unserer Kunden effizienter und einfacher machen. Hierfür müssen wir verstehen, was die Kunden in der Zukunft wirklich benötigen. Wir müssen innovativ sein und bei der Entwicklung auch öfter mal nein sagen als ja. Damit meine ich: Wenn wir den kritischen Blick auf unsere Entwicklungen schärfen und unsere Stärken sinnvoll konzentrieren, kommt die Nachfrage und damit auch der Umsatz automatisch.

Was bedeutet das für Ihre Mitarbeiter? Wie reagieren Sie auf die Zusammenlegung der Standorte und die geplanten Sozialmaßnahmen des Unternehmens?

Ich habe noch keinen gesprochen, der sagt: Was ihr macht, ist sinnlos. Es macht einfach Sinn, Engineering-Teams zusammenzufügen. Innovation entsteht nicht am Telefon, Innovation entsteht an der Kaffeemaschine. Die beste Diskussion hat man nun mal, wenn man vor Ort zusammenarbeitet. Deshalb werden wir zusammen etwas sehr Gutes aufbauen. Wir brauchen den Technologiecampus, auf dem wir die Expertise an einem Standort bündeln. Wichtig ist mir auch, dass erkannt wird: Wir investieren viel Geld und wollen einen starken Technologiestandort in Deutschland bauen. Es gibt in der Computertechnik wenige Unternehmen, die das heutzutage noch machen. Und das ist damit auch gleichzeitig ein Leistungsversprechen – sowohl an unsere Kunden als auch an unsere Mitarbeiter. Ich denke, beide Seiten werden das durchaus schätzen.

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