Smart Traffic & Mobility Intelligente Ladeinfrastruktur

Blick in die Zukunft: So könnten Ladestationen künftig an Straßen und in Parkhäusern stehen.

Bild: Julius Graupner, Roman Sennefelder
17.04.2014

Eine „intelligente“ Ladeinfrastruktur ist eine der Schlüsseltechnologien, die im Zusammenhang mit der in Deutschland angestoßenen Energiewende gleichermaßen großes Potenzial für die Wirtschaft und wertvolle Anreize für die Politik birgt.

Die Energiewende und Millionen von emissionsfreien Elektrofahrzeugen – das ist das Ideal, das sich Deutschland setzt; allgemein gilt, der Vorreiterstaat im Energie- und Verkehrssektor zu werden. Diese hochgesteckten Ziele der Bundesregierung werden unter enormem finanziellem Aufwand auch nach und nach realisiert und jeden Tag ist ein Stück dieses Wandels zu erleben. Dass die Umstellung auf eine regenerative Energieversorgung allerdings nicht so einfach von­statten geht, zeigen zahlreiche Fehltritte und neu aufgeworfene Probleme der vergangenen Jahre.

Beispiel dafür sind je nach Betrachtungsweise die mehr oder weniger gut ausgebauten elektrischen Energieübertragungsnetze Deutschlands. Das für uns unentbehrliche System ist etwa durch stark erhöhte, dezentrale Energieeinspeisung von Photovoltaikanlagen im ländlichen Raum einem Kollaps bereits nahe. Kommt dazu noch die zusätzlich zu erwartende Spitzenlast durch ladende Elektrofahrzeuge, wird mehr als deutlich wie dringlich es ist, die vorhandenen Strukturen zu modernisieren. Dabei ist es ungenügend, lediglich den aktuell auftretenden Symptomen durch einen Ausbau der Infrastruktur zu begegnen – wichtig ist, mit Verstand und umfassend geplant vorzugehen und auf neue Technologien sowie kreative Lösungsansätze zu bauen. Das Projekt InCharge des Lehrstuhls für Energiewirtschaft und Anwendungstechnik knüpft an genau diesen Gedanken an und versucht, unter den gegebenen Umständen so viele Neuerungen und Konzepte wie möglich umzusetzen. Im Fokus steht dabei, die Schnittstelle zwischen Elektrofahrzeug und Versorgungsnetz intelligent zu gestalten.

Elektromobilität beschleunigen

Dass Elektrofahrzeuge in großer Zahl kommen werden, ist nicht mehr abzustreiten, lediglich der Zeitpunkt ist noch ungewiss. InCharge zeigt hier einige attraktive Potenziale auf, welche die flächendeckende Einführung beschleunigen können. Ein diesbezüglich wesentlicher Aspekt ist, auf aktuellste Trends und Normen zu setzen, sodass künftigen Anwendern Zuverlässigkeit und Beständigkeit der Technik versprochen werden kann. Dadurch wird weiterhin das Vertrauen von Verbrauchern aber auch von Unternehmen sowie Investoren in die alternative Mobilität gesteigert.

In dem von Prof. Thomas Hamacher im Dezember 2012 ins Leben gerufenen Studentenprojekt wurde deshalb eine Vielzahl verschiedener Themen und Ansätze bearbeitet. Anhand einiger zentraler Aspekte dieses Projekts soll im Folgenden exemplarisch zum Ausdruck gebracht werden, durch welche Kniffe viele technische Probleme bewältigt werden konnten. Auch „nicht-technische“ Aspekte, wie etwa infrastrukturelle, personelle oder organisatorische, prägten das Projekt und die Ergebnisse; mehr dazu findet sich auf der projekteigenen Homepage [1].

Attraktiv muss sie sein

Das Umstellen von Gewohnheiten rund um das Automobil – etwa vom Tanken an Tankstellen zum Laden an Ladestationen – muss für den Anwender so angenehm wie möglich gestaltet werden. Wie so oft hängt auch hier vieles vom ersten Eindruck ab. Deshalb sind Design und Gesamtkonzept der Ladestation wichtige Faktoren, die zuerst einer genauen Analyse und dann einer reflektierten Umsetzung bedürfen. Wesentliche Bestandteile sind neben Gehäuse und Erscheinung eine adäquate Benutzeroberfläche sowie Menüführung. Ebenso gehört die passen­de Smartphone-Applikation mittlerweile zum Standard der meisten Hersteller. Die Entwicklung geeigneter IT-Lösungen nahm in diesem Projekt deshalb viel Zeit in Anspruch. Nur so konnte spezifischen Anforderungen mit der nötigen Genauig­keit begegnet werden. So auch beim preisbasierten Ladeoptimierungsalgorithmus, auf den im Folgenden detaillierter eingegangen wird.

Ökonomische Anreize

In der Anschaffung sind Elektrofahrzeuge zwar noch recht teuer gegenüber vergleichbaren Modellen mit konventioneller Antriebstechnologie. Jedoch können sie besonders durch einen günstigen Unterhalt punkten und sich so schon nach kurzer Zeit rentieren. In dem Projekt ging es darum, einen ökonomisch optimierten Ladevorgang zu entwickeln und zu implementieren. Damit können die ohnehin niedrigen Unterhaltskosten weiter reduziert werden.

Die hinsichtlich der Kosten optimierte Ladestrategie lässt sich wie folgt beschreiben: Die Ladestation erfasst bei Ankunft drahtlos über Bluetooth oder WLAN die wichtigsten Fahrzeugdaten wie Typ, Fahrprofil, Kennlinie der Batterie und Ladezustand. Diese sind entweder bereits im System der Ladestation hinterlegt oder müssen beim ersten Laden eingegeben werden. Der Halter wählt weiter zwischen den Optionen „optimiert Laden“ oder „Schnellladung“. Für das optimierte Laden werden dann lediglich der nächste Abfahrtszeitpunkt und der gewünschte SoC (State of Charge) wie etwa >Volltanken = 100 %< als weitere Eingaben benötigt. Für die Standzeit, in der das Fahrzeug an der Station angesteckt ist, wird danach die kostengünstigste Ladekurve in Anbetracht der aktuellen Strompreise berechnet und der Startzeitpunkt so gewählt, dass das Fahrzeug den gewünschten SoC bereitstellt, wenn der Halter wieder abfahren möchte. Die aktuell an der Strombörse EEX gehandelten Preise und Schwankungen sind bis zu 24 Stunden im Voraus bekannt. Demzufolge kann sich die Preisschere zwischen Schnellladung und optimierter Ladung umso mehr weiten, je länger die Standzeit, je höher die Ladeleistung und je größer die Kapazität des Fahrzeugs ist.

Komfort durch Verfügbarkeit

Sowohl einen Typ 1- als auch den Typ 2-Stecker mit ausreichend langem Kabel – etwa auf einer Trommel montiert – sollten Nutzer von Elektrofahrzeugen an der Ladestation fest installiert vorfinden. Dadurch ist es dem Halter möglich, sein Fahrzeug in jedem Fall mit der Station zu verbinden, ohne dass er sein eigenes Kabel mitführen muss und ungeachtet dessen, ob es sich dabei um ein amerikanisches, asiatisches oder europäisches Fahrzeug-Modell handelt. Denn führende Automobilhersteller sind sich derzeit noch nicht einig darüber, welchen Stecker sie verwenden werden. Lediglich für den europäischen Raum wurde der Stecker Typ 2 bestimmt und eine Norm gefunden – die IEC 62196-1, die endgültig und einheitlich im Dezember 2015 feststehen soll. Weiterhin wird derzeit daran gearbeitet, die digitale Kommunikation zwischen der Ladestation und dem Fahrzeug nach der Norm ISO 15118 umzusetzen.

Ausreichend große Ladeleistung

Über den maximal möglichen Ladestrom ist die maximale Ladeleistung definiert und folglich auch die von vielen bemängelte Dauer des Ladens eines Elektrofahrzeugs. Generell werden vier Lademodi nach dem Standard IEC 61851-1 unterschieden, der in die IEC 62196-1 integriert ist. Die Modi 1 bis 3 beziehen sich auf eine Ladung mit Wechselstrom (AC) und unterscheiden sich im Wesentlichen durch den maximal möglichen Ladestrom; von Mode 1 mit bis zu 16 A (ein- und dreiphasig) hin zu Mode 3 mit bis zu 63 A. Mode 4 beschreibt den Standard des Ladens mit bis zu 400 A Gleichstrom (DC). Das genaue Untersuchen der Lademodi und deren Ladedauer war ebenfalls Teil des Projekts. Ziel war es herauszufinden, wie sich die Variation der Ladung physikalisch und ökonomisch auswirkt. Heraus kam, dass die im Vergleich zu gewöhnlichen Haushaltssteckdosen deutlich erhöhte Ladeleistung eines dreiphasigen Systems von bis zu 22 kW dramatisch die Ladedauer reduzierte, besonders bei Vollladungen von 0 Prozent SoC beginnend.

Potenziale heben

Werden Elektrofahrzeuge intelligent versorgt und betreut, kann ein enormes Potenzial gehoben werden. Das wurde während der Arbeit am Projekt InCharge sichtbar gemacht.

  • Das Erweitern der Kommunikation von bisher Fahrzeug-Station auf Fahrzeug-Station-Energieversorgungsunternehmen könnte die Netzkapazitäten weitaus besser auslasten als bisher.

  • Aufgrund preislich optimierter Ladestrategien sind profitable Geschäftsmodelle denkbar.

  • Die Attraktivität der Ladesäulen für Anwender wurde durch eine Reihe von Features gesteigert, siehe dazu die Abbildung auf Seite 103.

Die Basis für Smart Grids ist exakt diese intelligente Schnittstelle von Elektrofahrzeug zu Versorgungsnetz, an der in dem Projekt InCharge gearbeitet wurde. Auch der Einsatz regenerativer Energien kann mit Hilfe solcher Technologien unterstützt werden, was der CO2-Bilanz von Elektrofahrzeugen zu Gute und den angepriesenen Zielen der Bundesregierung entgegen käme.

Weitere Informationen

[1] www.incharge.ei.tum.de

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