Erleuchtung garantiert? KI im Mittelstand: Vorteile und Grenzen

Chance und Herausforderung: Ki-Anwendungen machen steigende Datenmengen von Anlagen beherrschbar, aber noch müssen einige technische und nichttechnische Hürden überwunden werden.

Bild: iStock, DKosig
31.08.2020

Softwarefehler, Maschinenausfälle, Lieferengpässe durch Pandemien oder Umweltkatastrophen: Gefahren für produzierende Unternehmen gibt es zuhauf. Schon geringe Verzögerungen entlang von Lieferketten verursachen oft teure und weitreichende Produktionsstopps. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, gilt es, Störpotenziale möglichst früh zu erkennen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Neue digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) sind hier Chance und Herausforderung zugleich. Auch wenn sie weder Umweltereignisse noch Krankheiten verhindern können, bieten gerade KI-Methoden die Möglichkeit, steigende Datenmengen von Anlagen oder Prozessen beherrschbar zu machen. Entsprechende Tools können ein Schlüssel zur Lösung vieler Probleme in der Produktion sein – mit intelligenter Datenanalyse kann nämlich so mancher Maschinenausfall oder Lieferengpass frühzeitig vorhergesehen und so rechtzeitig gehandelt werden.

Für die effiziente Nutzung von KI ergeben sich jedoch auch wesentliche Anforderungen. So müssen insbesondere für einen flächendeckenden Einsatz noch einige technische und nichttechnische Hürden überwunden werden, etwa hinsichtlich der Nutzbarmachung von Daten oder dem Aufbau von Know-how und Akzeptanz.

Mit dem „Innovationswettbewerb Künstliche Intelligenz“ des Bundeswirtschaftsministeriums werden innovative, KI-basierte Plattformlösungen für zentrale Branchen der deutschen Wirtschaft gefördert, die besonders dem Mittelstand die Anwendung Künstlicher Intelligenz ermöglichen sollen. Mehrere Projekte adressieren explizit den Produktionsbereich und beschäftigen sich dabei auch mit übergreifenden Herausforderungen, die für den effektiven Einsatz von KI gelöst werden müssen.

Große Datenmengen sind der Schlüssel

Im Produktionsumfeld ist der Schlüssel für die erfolgreiche Anwendung von KI eine möglichst automatisierte und effiziente Analyse großer Datenmengen. In der Produktion fallen die Daten im Wesentlichen bei der sensorgestützten Überwachung von Anlagen, Maschinen oder Prozessen an. Klassische Technologien sind hier nicht selten überfordert, zu langsam und fehleranfällig bei der Untersuchung solcher Datenmengen, gerade wenn diese prozessübergreifend auf relevante Muster untersucht werden sollen.

KI kann jedoch nur bei großen und gut aufbereiteten Datenmengen hilfreich sein, die bei einzelnen Betrieben oft nicht anfallen. Sind die Datenreihen zu klein, unvollständig oder unterschiedlich aufbereitet, ist die KI nicht in der Lage, daraus fundierte Schlüsse zu ziehen. Außerdem muss die KI mit ausreichend Störereignissen trainiert werden können. Data Sharing zwischen Unternehmen ist hier eine mögliche Lösung, um die Basis für zahlreiche weitere KI-Anwendungen zu legen. Um KI auch in kleinen und mittleren Unternehmen gewinnbringend einzusetzen, muss dabei neben der Einheitlichkeit der aufgezeichneten Daten natürlich auch gewährleistet sein, dass durch das Teilen der Daten keine sensiblen Informationen von Dritten abgeschöpft werden können.

Vermeidung von Produktionsstörungen

Mit der Nutzung von KI zur Robustifizierung von Produktionsprozessen beschäftigt sich das im Rahmen des KI-Innovationswettbewerbs geförderte Projekt SPAICER. Das Projekt will mit sogenanntem Resilienzmanagement Produktionsstörungen und Unterbrechungen von Lieferketten so weit wie möglich reduzieren.

Dafür entwickelt SPAICER innerhalb eines Konsortiums von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, das aus insgesamt 14 Partnern besteht und von über 40 assoziierten Partnern unterstützt wird, branchenspezifische Smarte Resilienz-Services. Zur Verfügung gestellt werden sollen diese über offene Plattformen. Die Unternehmen können die Services individuell anpassen und ohne spezielle Programmierkenntnisse einsetzen.

Smarte Resilienz-Services sind in der Lage, Störungen vorherzusehen und Vorschläge zur Anpassung der Produktionsplanung zu generieren, sodass Betriebe auf potenzielle Veränderungen in der Wertschöpfungskette optimal reagieren können. Die dafür nötige, schnelle Datenanalyse erfolgt zunächst unabhängig von der Geschäftstätigkeit der Firma, um allgemeine Trends und Muster in Politik, Wirtschaft und Umwelt aufzuspüren. Im zweiten Schritt werden auch das individuelle Geschäftsfeld, Vorgehen und Know-how des jeweiligen Unternehmens explizit berücksichtigt.

Anwendungen wie von SPAICER ermöglichen es, potenzielle Störungen frühzeitig zu identifizieren und die Prozessplanung so umzustellen, dass Produktionsunterbrechungen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit vermieden werden. Andererseits soll es die SPAICER-Lösung Unternehmen aber auch ermöglichen, nach dem tatsächlichen Eintritt eines unvorhersehbaren Störungsfalls schnell und effizient auf diesen reagieren zu können.

Know-how und Fachkräftemangel

Ein weiterer Vorteil von KI ist die Unterstützung beim Wissenstransfer. In der Produktion übersteigt die Komplexität von Anlagen, Geräten und Produkten oft das Know-how von einzelnen Personen. Der Fachkräftemangel beschleunigt zusätzlich das damit verbundene Problem der aufwendiger werdenden Handhabung von Maschinen. Die Lösung kann die umfassende Unterstützung essenzieller Service-, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten mit KI sein.

Das Förderprojekt Service-Meister entwickelt eine Plattform, die es weniger spezialisierten Firmen und Mitarbeitern ermöglicht, anspruchsvolle Aufgaben bei der Wartung und Reparatur komplexer Industrieanlagen zu übernehmen. Im Projekt arbeiten dafür ebenfalls zahlreiche Unternehmen, Verbände und Forschungsinstitute zusammen. Über die Plattform sollen Unternehmen künftig KI-basierte Dienste für den technischen Service, wie zum Beispiel Chat-Bots, beziehen und anwenden können. So wird der Übergang vom reinen Produktverkauf hin zu Machine-as-a-Service-Geschäftsmodellen auch für Unternehmen ohne große IT-Abteilung mit ausgewiesenen KI-Experten möglich.

Mit der Unterstützung von Service-Meister kann es gelingen, auch weniger geschulten Mitarbeitern in der Produktion und im Service Zugriff auf Meisterwissen zu ermöglichen und den Fachkräftemangel zu vermindern. Neue Servicemitarbeiter müssen dann nicht mehr so lange angelernt werden, bis sie eigenständig arbeiten können.

Interne und externe Akzeptanz

KI eröffnet einerseits große Chancen für die Effizienz und Qualität von Produktionsprozessen, aber wirft auch viele Fragen auf: ethische, juristische und technische. Die oben beschriebenen Vorteile konkurrieren aktuell noch mit einer großen Skepsis und mangelnder Akzeptanz in der Belegschaft und Bevölkerung. Vor einer flächendeckenden Einführung muss daher sichergestellt sein, dass Mitarbeiter und Kunden offen gegenüber der neuen Technik sind.

Um die nötigen Antworten auf die neuen Herausforderungen zu finden, ist neben individuellen Forschungstätigkeiten auch der gegenseitige Austausch der Projekte im Rahmen des KI-Innovationswettbewerbs des BMWi ein wichtiger Wegbereiter für den stärkeren Einsatz von KI im Produktionsumfeld. Durch Projekte wie SPAICER und Service-Meister kann es gelingen, Konsumenten, Mitarbeiter und Stakeholder vom Einsatz der neuen Technologie zu überzeugen. So kann KI entscheidend dazu beitragen, den Wirtschaftsstandort Deutschland für die Zukunft rüsten.

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