Seit fünf Jahren verstärken Sie Conrad mit Ihrer B2B-Expertise. Seitdem treiben Sie Conrads Transformation zur Beschaffungsplattform voran. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?
Ich bin sehr zufrieden. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wir haben ja nicht bei Null angefangen im B2B-Bereich, sondern dieses Geschäftsfeld bereits 1998 gegründet. 2017 ist Conrad dann mit dem Launch des Conrad Marketplace den nächsten konsequenten Schritt in Richtung B2B gegangen und hat ihn als integralen Bestandteil der Conrad Sourcing Platform etabliert. Wir haben den Umstieg zu B2B als Kerngeschäft also Schritt für Schritt realisiert. Dabei ist unser Umsatz stabil geblieben und bereits heute stammen 75 bis 80 Prozent davon aus dem B2B-Geschäft.
Conrad gibt es seit über 100 Jahren. Wie schwer war es, auf diesem neuen Weg voranzugehen?
Mut zur Veränderung ist in der Conrad DNA fest verankert. Gestartet ist Conrad 1923 als Ladengeschäft für Radiozubehör, dann haben wir Fernseh-Bausätze verkauft. Als nächstes haben wir das Kataloggeschäft und den Versandhandel in Angriff genommen und schließlich waren wir 1997 einer der ersten im Internet. Was ich damit sagen will: Conrad hat den Wandel nie gescheut und hat mehr als einmal unter Beweis gestellt, wie wichtig es ist, Veränderungen als Chance zu betrachten.
Welche Chancen bietet das neue Geschäftsmodell von Conrad insbesondere Geschäftskunden?
Wir wollen Unternehmen dabei unterstützen, ihre Beschaffung von C-Teilen deutlich digitaler zu gestalten, um damit Versorgungssicherheit stärken, Komplexität auf Prozessebene zu reduzieren und im weitesten Sinne auch Ressourcen zu schonen. Das funktioniert, indem wir als Lösungsanbieter agieren, neue Services und Angebote entwickeln und diese mit klarem Fokus auf die Kundenorientierung umsetzen.
Ist der Bereich E-Procurement so ein neuer Weg?
Auf jeden Fall. Für viele kleine Betriebe ist und bleibt unser Webshop der bevorzugte Kanal ihres Einkaufs. Natürlich haben wir aber auch größere Kunden, die ihre Beschaffung elektronisch über ein eigenes Warenwirtschaftssystem abwickeln. Wir haben es uns also zur Aufgabe gemacht, uns und unser Angebot in die Systeme unserer Kunden zu integrieren – und das möglichst anbindungsoffen, also über unterschiedlichste Schnittstellen. Sogar kleinere Firmen können gemeinsam mit uns E-Procurement realisieren, indem sie kostenfrei unsere browserbasierte Lösung Conrad Smart Procure nutzen.
Nochmal zurück zum Conrad Marketplace: Warum hat sich Conrad 2017 für dieses neue Angebot entschieden?
Die Frage, die wir uns gestellt haben, lautete damals: Wie schaffen wir es, unseren Geschäftskunden ein noch größeres Produktangebot zur Verfügung zu stellen, mit dem sie dann sogar ihre kurzfristigen technischen Bedarfe reibungslos decken können? Ein eigener Online-Marktplatz war die Antwort. Auch wenn damals die wenigsten geglaubt haben, dass dieses Konzept im B2B-Bereich funktionieren kann. Doch es wurde hervorragend angenommen – seitens der Anbieter ebenso wie seitens der beschaffenden Unternehmen: Wir haben die Marke von 10 Millionen Produktangeboten geknackt, rund 1.000 Seller sind auf unserem Marktplatz aktiv und allein in Deutschland nutzen über zwei Millionen Geschäftskunden dieses Angebot.
Was zeichnet einen Online-Marktplatz aus, der sich speziell an Unternehmen wendet?
Im B2B-Bereich spielt die Produktqualität eine entscheidende Rolle. Deshalb haben wir uns von Anfang an für ein kuratiertes Marktplatzmodell entschieden, um der von Kundenseite gewünschten und geforderten Kombination aus Preis, Verfügbarkeit und Qualität Rechnung zu tragen. Das heißt, dass über den Conrad Marketplace ausschließlich geprüfte Seller ihre Ware anbieten können – und das im klar definierten Sortimentsbereich des technischen Bedarfs. Dabei haben wir auch das Thema Crossborder-Beschaffung im Blick.
In welchen Ländern ist Conrad mit einem eigenen Marktplatz vertreten?
Wir sind mit Landesgesellschaften in 17 Ländern Europas am Markt aktiv. Einen Marktplatz betreiben wir bereits in Österreich, den Niederlanden, Italien und Frankreich und bieten hier die Möglichkeit Crossborder-Commerce nach Deutschland und zurück an. Für mich ist der Ausbau dieses Bereichs einer der wichtigsten Punkte auf der Agenda, auch mit Blick aufs Thema Nachhaltigkeit. Denn trotz Verknappungen gibt es häufig dennoch Ware am Markt. Nur zur falschen Zeit im falschen Land. Unser Ziel ist es deshalb, diese Ware besser sichtbar und verfügbar zu machen.
Welche weiteren Leistungen bieten Sie mit Ihrer Plattformökonomie?
Wir bieten maßgeschneiderte Produktservices an, etwa im Bereich Messgerätekalibrierung. Außerdem sind wir im Bereich Sonderbeschaffung aktiv. Wenn also ein Produkt auf der Conrad Sourcing Platform nicht verfügbar sein sollte, machen wir uns stellvertretend für unsere Kunden weltweit auf die Suche. Gerade in diesem Bereich verstärkt uns seit kurzem auch das Team von Electronic Direct, die sich auf die Sonderbeschaffung elektronischer Bauteile spezialisiert haben.
Mit ihrem Team vom Product Sourcing & Development bietet Conrad darüber hinaus Turnkey Lösungen an, richtig?
Genau, wir entwickeln und fertigen auch im Kundenauftrag. Für die TOI TOI & DIXI Group beispielsweise hat unser Team eine Heizlüfter-Lösung mit besonderen Spezifikationen entwickelt, die im Winter in den mobilen Toilettenkabinen zum Einsatz kommt. Hierfür arbeiten wir eng mit unserem internationalen Hersteller- und Lieferantennetzwerk zusammen, um unseren Kunden genau das Customized Product zur Verfügung zu stellen, welches sie benötigen – auf Wunsch inklusive Labeling und Lieferung. Der große Vorteil: Bislang mussten die gängigen, auf dem Markt verfügbaren Heizlüfter in der Produktion von TOI TOI & DIXI aufwändig umgebaut werden. Dieser Schritt entfällt nun und unser Kunde bekommt eine maßgeschneiderte Turnkey-Lösung, bei der wir uns nicht nur um die Entwicklung, sondern auch um die Qualitätskontrollen, Zertifizierungen und Zulassungen kümmern.
Welche Rolle spielt das Thema Künstliche Intelligenz bei Conrad Electronic?
KI ist ein absolutes Trendthema. Ein bisschen so, wie das Thema E-Commerce vor ein paar Jahren in aller Munde war. Entscheidend ist für mich die Frage: Wo generiert KI echten Mehrwert? Fakt ist: Wir haben aktuell 10 Millionen Produktangebote, Tendenz weiter steigend, und natürlich ist es nicht möglich, dass Menschen diese Masse an Daten verarbeiten. Anders gesagt: Wir brauchen KI, um Daten zu kategorisieren und zu optimieren. Und natürlich beschäftigen wir uns damit, in welcher Form KI uns im Kundenservice unterstützen kann. Macht ein Chatbot Sinn oder ist es schlicht und ergreifend der einfache Zugang zu Self-Service-Capabilities? Für mich funktioniert Conrad trotz allem nur in der Symbiose aus Menschen und Maschinen. Wir verstehen uns als Netzwerk aus digitalen Lösungen, Menschen, Services und Partnern, um unseren Kunden alle Teile des Erfolges zu liefern.