Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung senkt seine Prognosen für dieses und nächstes Jahr deutlich ab. Das Wichtigste dazu in der Übersicht:
Das RWI erwartet, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Durchschnitt dieses Jahres um 1,1 Prozent ansteigt, aufgrund der weiteren Verschärfung der Gaskrise in der zweiten Jahreshälfte 2022 jedoch zurückgeht. Im Juni war das Institut noch von einem durchschnittlichen Anstieg von 1,9 Prozent für dieses Jahr ausgegangen. Für 2023 prognostiziert das RWI ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent, in seiner Juni-Prognose hatte es mit 2,7 Prozent gerechnet. 2024 dürfte das BIP nach RWI-Prognose dann wieder um 2,6 Prozent wachsen.
Verantwortlich für die niedrigeren Prognosen des Wirtschaftswachstums in diesem und im nächsten Jahr sind vor allem die Belastungen der deutschen Wirtschaft durch die hohe Inflation und die großen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.
Der kräftige Anstieg der Gaspreise und seine Auswirkungen durch die Produktionsketten werden die Inflationsraten wohl bis zum Ende des Jahres anziehen lassen. Mit dem Ende der Heizperiode dürfte der Rückgang der Nachfrage dann für eine gewisse Entlastung sorgen. Zudem dürfte die sich abschwächende Konjunktur den Preisauftrieb dämpfen. Die Inflationsrate dürfte im Durchschnitt dieses Jahres 7,3 Prozent betragen. Für das kommende Jahr prognostiziert das RWI eine durchschnittliche Inflationsrate von 3,5 Prozent und für das Jahr 2024 von 1,6 Prozent.
Trotz der rückläufigen Produktion dürfte der Arbeitsmarkt relativ stabil bleiben. Die Arbeitslosenquote dürfte im Durchschnitt dieses Jahres bei 5,3 Prozent liegen, im nächsten Jahr leicht auf 5,5 Prozent steigen und im Jahr 2024 erneut bei 5,3 Prozent liegen.
Im Spannungsfeld zwischen Fachkräftemangel und Zurückhaltung wegen der Energiekrise dürfte die Zahl der Erwerbstätigen im zweiten Halbjahr 2022 und zu Beginn des Jahres 2023 nur leicht steigen. Auch in den kommenden beiden Jahren ist wegen der demografischen Entwicklung nur mit geringen Zuwächsen zu rechnen. Ende 2024 dürfte die Zahl der Erwerbstätigen sogar rückläufig sein.
Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte 2022 mit gut 45 Milliarden Euro deutlich geringer ausfallen als im Vorjahr (134 Milliarden Euro), trotz einer Reihe einnahmemindernder Maßnahmen und einmaliger Transfers zur Abfederung der steigenden Gaspreise. Die EEG-Umlage wurde zur Jahresmitte abgeschafft und das EEG-Umlagekonto dürfte dem Staat zufallen und zu einmaligen Mehreinnahmen von etwa 17 Milliarden Euro führen. 2023 dürfte das Finanzierungsdefizit geringfügig auf gut 49 Milliarden Euro steigen und im Jahr 2024 dann auf knapp 28 Milliarden Euro sinken.
Das größte Risiko für die konjunkturelle Entwicklung der deutschen Wirtschaft ist die Verfügbarkeit von Gas während des kommenden Winters. Zudem stellt auch die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie nach wie vor ein Risiko dar. Neue Varianten, die zu schweren Verläufen führen, könnten erneut Einschränkungen des Wirtschaftslebens notwendig machen. Ein weiteres realwirtschaftliches Risiko ist die aktuelle Geldpolitik. Haben die Zinserhöhungen geringere Effekte auf die Inflation als erwartet, müssten diese verstärkt werden. Dies würde sich wiederum negativ auf die deutsche Wirtschaft auswirken.
„Das größte Risiko für die deutsche Konjunktur ist die Verfügbarkeit von Gas während des kommenden Winters“, sagt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. Er fügt hinzu: „Bei einem vollständigen Stopp der Gaslieferungen aus Russland kommt es darauf an, dass Unternehmen und insbesondere auch die privaten Haushalte ihren Gasverbrauch deutlich reduzieren. Gelingt das nicht, würde eine spürbare Rationierung von Gas zu weiteren deutlichen Einschränkungen der wirtschaftlichen Produktion führen.“