Biotechnologische additive Fertigung Künstliche 3D-Haut, die wie ein Handschuh passt

Künstliche Haut wie einen Handschuh überziehen: 3D-gedruckte Präparate machen es möglich.

Bild: Columbia University
08.02.2023

Bioingenieure der Columbia University haben einen Weg gefunden, künstliche Haut in komplexen, dreidimensionalen Formen zu züchten. Statt flache Stücke zu verwenden, die kompliziert zusammengenäht werden müssen, können Chirurgen damit bei einer Transplantation deutlich flexibler werden. So ließe sich beispielsweise ein 3D-Handschuh einfach über eine verbrannte Hand „stülpen“.

Wer schon einmal ein unregelmäßig geformtes Geschenk wie einen Teddybären verpackt hat, weiß, wie schwierig es sein kann, das plane Geschenkpapier passend um das komplizierte Objekt zu wickeln. Ähnlichen Herausforderungen stehen Chirurgen gegenüber, wenn sie einem verletzten Körperteil künstliche Haut transplantieren müssen. Denn wie Geschenkpapier wird künstliche Haut in flachen Stücken geliefert, deren Zusammennähen um ein unregelmäßig geformtes Körperteil anspruchsvoll und zeitaufwendig sein kann.

Eine Lösung könnten Forscher der Columbia University gefunden haben: Sie haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich künstliche Haut in komplexen Formen herstellen lässt. „Dreidimensionale Hautkonstrukte, die als ,biologische Kleidung‘ transplantiert werden können, hätten viele Vorteile“, sagt Hasan Erbil Abaci, Hauptentwickler und Assistenzprofessor für Dermatologie am Columbia University Vagelos College of Physicians and Surgeons. „Sie würden den Bedarf an Nähten drastisch minimieren, die Dauer von Operationen verkürzen und die ästhetischen Ergebnisse verbessern.“

Vom 3D-Gerüst zur fertigen Haut

In ihrer Studie fanden die US-amerikanischen Forscher heraus, dass ihre 3D-Transplantate bessere mechanische und funktionelle Eigenschaften aufweisen als herkömmliche, zusammengesetzte Transplantate. Der Prozess zur Herstellung beginnt mit einem 3D-Laserscan der Zielstruktur, beispielsweise einer menschlichen Hand. Anschließend wird mithilfe von computergestütztem Design und 3D-Druck ein hohles, durchlässiges Modell der Hand hergestellt.

Die Außenseite des Modells wird dann mit Hautfibroblasten, die das Bindegewebe der Haut bilden, und Kollagen (einem Strukturprotein) besiedelt. Schließlich wird die Form mit einer Mischung aus Keratinozyten (Zellen, die den größten Teil der äußeren Hautschicht, der Epidermis, ausmachen) beschichtet, und die Innenseite wird mit Wachstumsmedien durchströmt, die das Transplantat unterstützen und ernähren.

Mit Ausnahme des 3D-Gerüsts verwendeten die Forscher die gleichen Verfahren wie bei der Herstellung flacher künstlicher Haut. Der gesamte Prozess dauerte etwa drei Wochen.

Experimente mit Mäusen

In einem ersten Test der 3D-Haut wurden Konstrukte aus menschlichen Hautzellen erfolgreich auf die Hintergliedmaßen von Mäusen transplantiert. „Es war, als würde man den Mäusen eine Hose anziehen“, sagt Abaci. „Die gesamte Operation dauerte etwa zehn Minuten.“ Vier Wochen später waren die Transplantate vollständig mit der umgebenden Mäusehaut verwachsen, und die Tiere konnten ihre Gliedmaßen wieder voll benutzen.

Die Haut von Mäusen heilt anders als die menschliche Haut, sodass die Forscher als nächstes planen, die Transplantate an größeren Tieren mit einer Hautbiologie zu testen, die der des Menschen näherkommt. Klinische Versuche am Menschen sind aber wahrscheinlich noch Jahre entfernt.

Anwendung in der Gesichtstransplantation?

Bei den 3D-Transplantaten handelt es sich um die erste umfassende Neugestaltung der künstlichen Hauttransplantate seit ihrer Einführung in den frühen 1980er-Jahren. „Zu Beginn der Entwicklung von künstlicher Haut gab es nur zwei Zelltypen, aber die menschliche Haut hat etwa 50 Zelltypen“, sagt Abaci. „Die meisten Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf die Nachahmung der zellulären Komponenten der menschlichen Haut. Als Bioingenieur hat es mich immer gestört, dass die Geometrie der Haut übersehen wurde und Transplantate mit offenen Grenzen oder Kanten hergestellt wurden. Aus dem Bioengineering anderer Organe wissen wir, dass die Geometrie ein wichtiger Faktor ist, der die Funktion beeinflusst.“

Als 3D-Drucker verfügbar wurden, erkannten Abaci und sein Team, dass sie damit lebensechtere Transplantate herstellen konnten: „Wir stellten die Hypothese auf, dass eine vollständig geschlossene 3D-Form unsere natürliche Haut besser nachahmen und mechanisch stärker sein würde, und genau das hat sich bestätigt“, sagt Abaci. Allein die Beibehaltung der kontinuierlichen Geometrie der menschlichen Haut verbessere die Zusammensetzung, Struktur und Festigkeit des Transplantats erheblich.

Für die Zukunft stellt sich Abaci vor, Transplantate aus patienteneigenen Zellen individuell herzustellen. Mit nur einer 4 mm x 4 mm großen Hautprobe lassen sich bereits genügend Zellen züchten, um Haut für eine menschliche Hand zu erzeugen. „Eine weitere überzeugende Anwendung wäre die Gesichtstransplantation, bei der unsere tragbare Haut in das darunter liegende Gewebe wie Knorpel, Muskeln und Knochen integriert werden könnte, um den Patienten eine personalisierte Alternative zur Leichentransplantation zu bieten“, sagt der Bioingenieur.

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