Wirtschaftliche Standortfaktoren verbessern und Investitionen fördern Skepsis gegenüber dem Bürokratieentlastungsgesetz

„Bürokratische Hürden durch Dokumentationspflichten entlang der Lieferkette sind häufig ein Investitionshemmnis für deutsche Unternehmen und können sogar zu volkswirtschaftlich nachteiligen Effekten führen“, so Dörrenberg.

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23.10.2024

Die Bundesregierung will die deutsche Wirtschaft entlasten – das Mittel dafür sind neue Gesetze. Die Unternehmen in Deutschland zeigen sich aber noch verhalten, was die Auswirkungen des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) betrifft, das zeigen die aktuellen Ergebnissen des German Business Panels (GBP). Das Gesetz soll die Bürokratiekosten um fast eine Milliarde Euro pro Jahr senken, aber nur zehn Prozent der befragten Unternehmen rechnen damit, dass sie weniger bürokratischen Aufwand haben werden. Besonders wenig Hoffnung haben das Verarbeitende Gewerbe, das Gesundheitswesen, das Baugewerbe und der Handel.

Am 26. September 2024 hat der Bundestag das Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) verabschiedet, dazu können Sie hier nachlesen. Das Gesetz soll die wirtschaftlichen Standortfaktoren in Deutschland verbessern und Investitionen fördern. Zu den zentralen Maßnahmen gehören die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre, die Digitalisierung von Steuerbescheiden sowie der Abbau von Melde- und Informationspflichten.

Zusätzlich sollen Schriftformerfordernisse herabgestuft werden, um bei digitalisierten Prozessen auf die Unterschrift auf Papier verzichten zu können. Aktuelle Daten des GBP zeigen jedoch, dass 69 Prozent der befragten Unternehmen davon ausgehen, dass das Gesetzesvorhaben nur geringe oder sehr geringe Auswirkungen auf ihre bürokratische Belastung haben wird. Nur zehn Prozent erwarten eine spürbare Entlastung.

Die Hauptursache für die Bürokratiebelastung

Die Gründe hierfür werden in den Befragungsergebnissen deutlich: Ein Großteil der Unternehmen sieht die Hauptursache für ihre Bürokratiebelastung weniger in den Gesetzen selbst, als vielmehr in deren Umsetzung durch staatliche Behörden. Über 57 Prozent der Befragten sagen, dass Bürokratie gleichermaßen durch gesetzliche Vorgaben und durch die Interaktion mit Behörden entsteht. 21,1 Prozent der Befragten geben sogar an, dass die Bürokratie vorrangig durch die Interaktion mit Behörden entsteht und weniger durch die Regelungen selbst.

Besonders beklagt werden mehrfache Dateneingaben, die mangelnde Vernetzung von Behörden, der Digitalisierungsrückstand sowie lange Verwaltungsverfahren. „Ein deutlicher Abbau staatlicher Bürokratie hat das Potenzial, die deutsche Wirtschaft wieder anzukurbeln und Unternehmensgewinne zu steigern,“ erklärt Prof. Dr. Philipp Dörrenberg, Inhaber des Lehrstuhls für ABWL und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Mannheim und wissenschaftlicher Projektleiter des GBP.

Laut den GBP-Ergebnissen schätzen Unternehmen, dass ihnen durch unnötige bürokratische Anforderungen im Durchschnitt rund 16,9 Prozent ihres potenziellen Gewinns entgehen. Bei Unternehmen, die den Umgang mit Behörden als Hauptursache für Bürokratie ansehen, liegt dieser Verlust sogar bei 19,6 Prozent.

Steuern als Hauptursache der Bürokratiebelastung

Eine weitere wesentliche bürokratische Belastung sehen die Unternehmen im Bereich der Steuern und Sozialabgaben. 50,1 Prozent der Unternehmen nennen Steuern sogar als Hauptursache und 68,1 Prozent zählen Verpflichtungen im Zusammenhang mit Sozialversicherungen zu den drei wichtigsten Bereichen, die Bürokratie verursachen. Innerhalb der steuerlichen Verpflichtungen gehören die Gewerbesteuer (62,2 Prozent) und die Umsatzsteuer (60 Prozent) zu den Bürokratietreibern.

Auch die kürzliche Ausweitung von Berichtspflichten im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) hat den administrativen Aufwand für Unternehmen in Deutschland verstärkt. Trotz gewisser Größengrenzen treffen diese Dokumentationspflichten häufig auch kleinere Betriebe, etwa wenn sie Daten in der Lieferkette weitergeben müssen. Die Daten des GBP bestätigen dies: 30 Prozent der Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden, die direkt dem LkSG unterliegen, sehen darin eine bürokratische Hürde. Für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden sind es sogar 35 Prozent.

Die Folgen der bürokratischen Belastungen zeigen sich in den Investitionsentscheidungen deutscher Unternehmen: 56,4 Prozent der Unternehmen gaben an, in den letzten zwei Jahren geplante Investitionen aus diesem Grund gestrichen zu haben. Bei Unternehmen, die Bürokratie durch Lieferkettenvorschriften beklagen, sind es sogar 65 Prozent. „Bürokratische Hürden durch Dokumentationspflichten entlang der Lieferkette sind häufig ein Investitionshemmnis für deutsche Unternehmen und können sogar zu volkswirtschaftlich nachteiligen Effekten führen“, so Dörrenberg. 23,6 Prozent der betroffenen Unternehmen haben deshalb Projekte ins Ausland verlagert. Bei den Unternehmen, die in diesem Bereich keine Belastungen spüren, sind es nur 10,4 Prozent.

Einfluss auf Investitionen und Personalentscheidungen

Bürokratische Hürden wirken sich letztlich nicht nur auf Investitionen, sondern auch auf Personalentscheidungen aus. Die GBP-Daten zeigen, dass im Bereich Compliance mehr Personal eingestellt wurde (61,5 Prozent), weniger jedoch im wachstumsfördernden Kerngeschäft. Dort haben rund 46 Prozent der Unternehmen aufgrund des bürokratischen Aufwands auf die Einstellung benötigter Fachkräfte verzichtet. Dieser Effekt ist insbesondere bei größeren Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden noch ausgeprägter.

„Trotz gesetzgeberischer Bemühungen stellt der bürokratische Aufwand für viele Unternehmen in Deutschland nach wie vor eine erhebliche Hürde dar. Vor allem der Umgang mit Behörden stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen. Ohne eine umfassende Reform dieser Prozesse ist der Erfolg des Bürokratieabbaus aus Sicht vieler Unternehmen begrenzt“, resümiert Dörrenberg.

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