Lithium-Ionen-Fahrzeugbatterien werden aus dem Verkehr gezogen, sobald ihre Gesamtkapazität bei etwa 70 bis 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität (State-of-Health) angelangt ist. Der Großteil dieser Batterien wird recycelt und die Rohmaterialien in den Materialkreislauf zur Herstellung von neuen Batterien zurückgeführt. Je nach Zustand findet ein kleiner Anteil der alten Batterien einen erneuten Einsatz in batterieelektrischen Fahrzeugen (Remanufacturing) oder in Second-Life-Anwendungen wie stationären Batteriespeichern.
Haben sie endgültig ausgedient, sieht die neue EU-Batterie-Verordnung Recyclingquoten und Mindestmengen an wiederverwendeten Rohstoffen bei der Neuproduktion vor. Für die Rückführung in den Materialkreislauf muss die Industrie möglichst effiziente Lösungen finden, zumal die Rücklaufmengen der Batterien künftig erheblich steigen werden. Ziel ist eine nachhaltige, CO2-neutrale Batterieproduktion entlang der gesamten Prozesskette mit möglichst unbegrenzter Wiederverwendung von Materialien in einem geschlossenen Produktlebenszyklus. Damit sollen Abfallprodukte und die Abhängigkeit von wichtigen Primärmaterialien minimiert werden.
Hohe Recyclingquoten durch Automation
Aufgrund der verhältnismäßig geringen Stückzahlen und großen Variantenvielfalt diverser Hersteller und Produktgenerationen finden heutzutage viele Demontage- und Remanufacturingprozesse noch manuell statt. „Wir sprechen hier fast von Losgröße 1 im Rücklauf der Batteriepacks“, erklärt Jan Pollmann, Entwicklungsingenieur Automationssysteme bei Liebherr.
Um eine hohe Recyclingquote zu erzielen und die steigenden Rücklaufmengen wirtschaftlich verarbeiten zu können, ist eine Automation der Prozesse notwendig. Ein weiterer Aspekt ist der Arbeitsschutz: Die automatisierte Demontage gewährleistet die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter und schließt ihre Gefährdung durch Hochspannung, Gefahrenstoffe oder Brandrisiken aus.
Liebherr entwickelt automatisierte Demontageprozesse für Batteriepacks
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt „ZIRKEL“ untersucht in einem interdisziplinären Konsortium aus Forschung und Industrie die gesamte Kreislaufwirtschaft von Batterien. Im Rahmen dieses Projekts erarbeitet Liebherr Strategien und Prozesse für die automatisierte Demontage von Batteriepacks.
Ziel ist es, durch eine mechanische Demontage und Sortierung der Komponenten einen möglichst hohen Anteil an Rohstoffen zurück zu gewinnen und wiederverwerten zu können. Indem wertvolle oder schadstoffhaltige Bauteile frühzeitig entfernt werden, reduziert sich die kosten- und energieintensive pyro- und hydrometallurgische Aufbereitung der sogenannten Schwarzmasse, also dem Rohstoffgemisch, das nach dem Schreddern der Batterien übrig bleibt.
Herausforderungen bei der Automation
Neben der Variantenvielfalt der Batterien existiert eine Reihe von weiteren Herausforderungen für einen automatisierten Demontageprozess: Gebrauchte Batterien können korrodiert, verformt oder beschädigt sein. Verschmutzte Komponenten sind für Visionssysteme teils schwer zu erkennen. Dicht- und Klebemittel oder Wärmeleitpasten verändern mit der Zeit ihre Konsistenz und Eigenschaften und lassen sich womöglich nur schwer entfernen.
Risiken wie Hochvoltspannung oder Gefahrstoffe müssen berücksichtigt werden. Und schließlich ist die Demontage biegeschlaffer Teile wie beispielsweise Kabel oder Kühlschläuche schwierig zu automatisieren. „Im Prinzip läuft hier der etablierte Montageprozess rückwärts ab, ist aber um ein Vielfaches komplexer“, erläutert Viktor Bayrhof, Produktmanager für Automationssysteme bei Liebherr.
Pilotanlage für das Verbundprojekt „ZIRKEL“
Die erste Pilotanlage von Liebherr wird im Juli 2023 im Forschungscampus Open Hybrid LabFactory in Wolfsburg installiert. Liebherr wird das Projekt dort weiter betreuen und weitere Versuchsreihen durchführen. Die Ergebnisse fließen in eine geplante Richtlinie der Industrie für ein recyclingfähiges Produktdesign von Batterien ein. „Wir freuen uns, dass wir unsere Prozessexpertise im Bereich Automatisierung in dieses Zukunftsprojekt einbringen können“, erklärt Jan Pollmann.