Leckagen sind für einen Großteil der Verluste in einem Druckluftsystem verantwortlich. Bis zu 30 Prozent Energie gehen durch sie verloren, während die Anlagen scheinbar einwandfrei funktionieren. Bei 60.000 Druckluftanlagen in Deutschland und einem Stromverbrauch von 16,6 TWh pro Jahr entspricht das der Menge an Strom, die Hamburg und München zusammen pro Jahr verbrauchen.
Für Prof. Dr. Alexander Sauer, Bereichsleiter Ressourceneffiziente Produktion am Fraunhofer IPA und Leiter des Instituts für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart, ist das Grund genug, Druckluftleckagen in den Fokus zu rücken. Gemeinsam mit den Forschern des Fraunhofer IPA will er Künstliche Intelligenz dazu nutzen, Leckagen schnell und gezielt zu ermitteln. Der Druckluftdemonstrator, den das Fraunhofer IPA in Zusammenarbeit mit Mader konstruierte, soll die Datengrundlage dafür liefern.
Handlingsystem simuliert automatisierte Fertigung
Für den Bau des Demonstrators galt es zunächst zu verstehen, wie sich eine Undichtigkeit im System bemerkbar macht. Hierfür baute Marder ein Handlingsystem auf, das eine automatisierte Fertigung simuliert.
An vier Stationen – Pressen, Schwenken, Aufnehmen mittels Vakuum und Transportieren – können jeweils maximal vier unterschiedliche Szenarien gewählt werden: alles dicht, Knick im Schlauch, Loch im Schlauch und mechanische Undichtigkeit. „Egal welche Szenarien gewählt werden: Die Messwerte, das heißt der Volumenstrom und der Druck, sind jederzeit auf dem Display ablesbar“, sagt Vasileios Balachtsis, der das Projekt Mader-intern koordinierte.
Flüssige Datenübertragung als große Herausforderung
Alle Mess- und Sensordaten werden zusätzlich mittels OPC UA automatisiert auf die Industrie-4.0-Plattform Virtual Fort Knox übertragen. Dort werden sie für weiterführende Analysen verarbeitet. „Allerdings hat man bei solchen IIoT-Projekten in den seltensten Fällen eine komplett unkomplizierte Ausgangslage – das heißt Sensoren und Messgeräte, die alle die gleichen Schnittstellen und Übertragungsprotokolle nutzen“, erzählt Balachtsis.
So war es auch im Fall des Druckluftdemonstrators; Mader setzte sowohl analoge als auch digitale Sensoren mit IO-Link-Anbindung ein. Balachtsis: „Die besondere Herausforderung lag in der Synchronisation der Übertragungsgeschwindigkeiten, um eine flüssige Datenübertragung sicherzustellen.“
Die Herausforderung bewältigte der Projektkoordinator gemeinsam mit Thomas Lang, Projektmanager Pneumatik bei Mader, und einem Steuerungstechniker. „Das Ergebnis ist ein Demonstrator, der umfangreiche Daten für die automatisierte Erkennung von Druckluftleckagen erzeugt und bereitstellt. Darüber hinaus nutzt das Fraunhofer IPA ihn in Seminaren zu Demonstrationszwecken“, berichtet Balachtsis.
Demonstration von Leckagen steigert Handlungsbereitschaft
Aus seiner täglichen Arbeit bei Mader weiß Balachtsis, wie wichtig Transparenz ist, wenn es um Druckluft geht. „Wenn Seminarteilnehmer live sehen, welche direkte Folge ein geknickter Schlauch oder gar eine Leckage im System haben, werden sie eher bereit sein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ Dann steige auch die Bereitschaft, Leckagen zu ermitteln und zu beseitigen.
Heute werden Leckagen im Druckluftsystem noch standardmäßig mithilfe von Ultraschalltechnologie geortet. „Ultraschall macht das ‚Pfeifen‘ der kleinsten Leckage hörbar. Das ist bei laufendem Produktionsbetrieb möglich, erfordert aber entsprechenden Aufwand, weil man die Ortung direkt vor Ort durchführen muss“, erklärt Marina Griesinger, Leiterin Energieeffizienzmanagement bei Mader. Die Rentabilität einer solchen Ortung und anschließenden Beseitigung sei dennoch sehr hoch, sowohl wirtschaftlich, als auch was die Einsparung von CO2 betreffe.
Betroffene Bauteile per App anzeigen
Das Fraunhofer IPA hat sich zum Ziel gesetzt, den Prozess weiter zu optimieren. Der Demonstrator schaffe die Basis für die datengetriebene Produktionsforschung, etwa durch das Trainieren selbstlernender Algorithmen, erklären die Forscher.
In Zukunft sollen sich mit der Hilfe dieser Algorithmen Leckagen nicht nur ermitteln und lokalisieren lassen: Auch die Bezeichnung und Bestellnummer des betroffenen Bauteils sollen per App ausgespielt werden. So könnte sich der Druckluftverantwortliche Zeit sparen und insbesondere die Ausfallzeiten minimieren.
Bis diese Ideen Realität sind, bleibt für Griesinger und ihre Kollegen noch viel zu tun: „Dank Leckage-App und der Druckluft-Software Looxr haben wir den Ortungs- und Beseitigungsprozess schon deutlich optimiert. Unsere Mission ist, Druckluftprozesse maximal effizient zu gestalten. Die Digitalisierung spielt uns da mit jedem Fortschritt und jeder neuen Erkenntnis in die Karten.“