Embedded & Mikroprozessoren Mehr Spaß am fliegen

Bild: Hector Mandel
27.04.2016

Knapp 100 Jahre ist es her, seit die ersten motorisierten Flugzeuge abhoben und die zivile Luftfahrt begann. Durch technische Neuerungen wurden die Flugzeuge sicherer, legten weitere Flugstrecken zurück und erzeugten immer geringere Emissionen. In der letzten Zeit konzentrieren sich hingegen die Entwicklungen in der Luftfahrt vor allem auf eine Erhöhung des Flugkomforts. Möglich wird das durch speziell darauf zugeschnittene Embedded-Systeme.

Den Visionen der großen Hersteller nach sollen bis 2050 die Emissionen von Flugzeugen um die Hälfte reduziert werden und sie dank leichtem Karbon drastisch an Gewicht verlieren. Für die Gestaltung der Kabine sind Flugzeugdächer aus Glas und Dekorationen aus holographischen Elementen geplant. Dagegen wirken die derzeitigen Ansatzpunkte noch sehr bescheiden und richten sich hauptsächlich auf die Fluggast-Unterhaltung.

Seit Ende 2013 die Benutzung von mobilen Geräten in Flugzeugen von der EASA (Europäische Agentur für Flugsicherheit) offiziell gestattet wurde, ergeben sich für die Unterhaltung der Passagiere eine Reihe neuer Möglichkeiten. Auch in kleineren Jets ist nun das Entertainment von Passagieren dank drahtloser Netzwerke möglich. Besonders, da sich die Inhalte nun auf die privaten Mobil-Gerät der Fluggäste übertragen und dort abspielen lassen und keine Displays in den Sitzen mehr nötig sind. Zuvor waren die Entertainmentsysteme aufgrund ihres hohen, zusätzlichen Gewichts und der aufwendigen Verkabelung sehr unwirtschaftlich für Kurz- und Mittelstrecken. Die Internetnutzung im Flugzeug gehört mittlerweile genauso zu den Annehmlichkeiten während des Fluges, wie Hollywood-Blockbuster oder sogar Live-Berichterstattungen von Sportereignissen.

Flexibel trotz vieler Standards

Auch wenn solche Entertainment-Systeme nicht zu den sicherheitskritischen Anwendungen in einem Flugzeug zählen – sofern sie eigenständig arbeiten und nicht in das steuernde Flugzeugnetzwerk integriert sind – müssen sie dennoch einer beachtlichen Anzahl an Normen und Standards entsprechen.

Eine Grundvoraussetzung ist die Größe des Gehäuses gemäß des ARINC-600-Standards. Damit wird sichergestellt, dass ein Gerät in der sogenannten Avionics Bay Platz findet. Das ist der Bereich eines Flugzeugs, in dem die elektronischen Geräte verbaut sind. Die Norm DO-160G beschreibt die Testumgebung und Umweltanforderungen, um ein Gerät für die Luftfahrt zu qualifizieren. Für eine standardisierte Kommunikation zwischen den einzelnen elektronischen Komponenten sorgen verschiedene ARINC-Protokolle wie ARINC 429, ARINC 717 und natürlich ARINC 664, besser bekannt als AFDX (Avionics Full Duplex Switched Ethernet).

Die Herausforderung für die Entwickler moderner Embedded-Systeme in der Luftfahrt besteht darin, trotz dieser Fülle an Standards, flexible Designs zu entwerfen. Wie sich das in der Praxis umsetzen lässt, zeigt ein In-Flight-Entertainment-Server (IFE) von MEN Mikro Elektronik. Er beruht auf dem Compact-PCI-Serial-Standard und bietet innerhalb der luftfahrtspezifischen Vorgaben größtmögliche Modularität.

Server mit Standard-Komponenten

Der MP70S genannte Server entspricht dem ARINC-600-Standard und stellt gleich zwei hot-plug-fähige Festplatten-Shuttles zur Verfügung. Sie können auch im laufenden Betrieb ausgewechselt werden. Das Personal kann somit auch während des Flugs Daten austauschen. Möglich ist das aufgrund eines separaten Maintenance-Boards, welches den internen Speicher für das Betriebssystem beinhaltet. Bisherige Geräte nutzten meist eine Festplatte sowohl für die Media-Inhalte als auch für die Speicherung des Betriebssystems.

Um einen unterbrechungsfreien Internetzugang über den Wolken zu ermöglichen, besitzt der MP70S zwei UMTS-Modems. Dadurch kann einfach zwischen unterschiedlichen Netz-
anbietern gewechselt werden, zum Beispiel wenn das bisherige Signal zu schwach ist. Passagiere haben somit den gesamten Flug über Zugang zu ihren E-Mails.

Wird der MP70S als reiner Entertainment-Server, also nicht als sicherheitskritische Komponente, verwendet, erfolgt die Kommunikation mit dem Flugzeugnetzwerk derzeit über die Standardprotokolle ARINC 429 und ARINC 717. Sie sind auf einer universellen Schnittstellenkarte als IP-Cores integriert. Dadurch wird sichergestellt, dass keine lebenswichtigen Funktionen gestört werden. Sollte der Server doch innerhalb des sicherheitskritischen Netzwerkes zum Einsatz kommen, ist die Einbindung des dafür notwendigen AFDX-Protokolls als IP-Core einfach möglich. Eine solche Anpassung lässt sich auch nachträglich durchführen.

Für die Verteilung der Daten sorgt ein besonders leistungsfähiger 16-Port-Ethernet-Switch, der über vier Gigabit-Ethernet-Controller die volle Bandbreite der Festplatten nutzen kann. Die drahtlose Übertragung zum mobilen Endgerät erfolgt über WiFi- oder 34/4G-gestütze Verbindungen.
Das Innere des Servers ist, dank der Backplane mit robusten CompactPCI-Serial-Steckverbindungen und einem separaten Einschub für Shuttles und das Maintenance-Board, kabellos und sehr übersichtlich. Beim Gehäuse weicht der Server an einer Stelle vom ARINC-600-Standard ab: Er besitzt keine der sonst definierten Aussparungen. Dadurch ist die Elektronik besser vor dem Staub geschützt, den die Lüfter in der Avionics Bay aufwirbeln.

Der MP70S besteht ausschließlich aus Standard-Bauteilen von MEN. Das ermöglicht, trotz der vorgegebenen Funktion als Airborne-Server, einfache Updates, zum Beispiel durch den Austausch des CPU-Boards gegen eines mit neuerem Prozessor. Nachdem Updates für Standardkomponenten leicht umzusetzen sind, können derart aufgebaute Systeme extrem lange Lebenszeiten erreichen. Für die Luftfahrt, mit ihren langen Betriebslaufzeiten, stellt das einen deutlichen Vorteil dar.

CompactPCI Serial: prädestiniert für die Lüfte

Der erwähnte CompactPCI-Serial-Standard gibt einen modularen und robusten Aufbau vor und lässt sich deutlich günstiger umsetzen, als die in der Luftfahrt weit verbreiteten Standards VPX oder MicroTCA. Aufgrund seiner großen Vorteile beschäftigt sich gerade eine Arbeitsgruppe der PICMG (PCI Industrial Computer Manufacturers Group) mit seiner Erweiterung auf den Raumfahrtbereich. Dort soll er unter dem Namen Space CompactPCI Serial firmieren. Geplant ist unter anderem die Unterstützung von weiteren seriellen Schnittstellen, die Festlegung von Vorgaben hinsichtlich einer höheren Verfügbarkeit und die Anpassung an die besonderen Umgebungsbedingungen im Weltraum. Bei den hohen Anforderungen an die Technik in der Raumfahrt überrascht es nicht, dass sich der Standard bereits in der Luftfahrt bewährt hat.

Natürlich werden auch im Flugverkehr die Entwicklungen nicht stillstehen. Selbst wenn eine Glaskuppel mit Blick auf die Sterne, virtuelle Sichtschutzwände oder das Reisen in Überschallgeschwindigkeit noch in ferner Zukunft liegen, die technische Weiterentwicklung der Luftfahrt ist noch lange nicht am Ende angekommen. Zuverlässige Embedded-Systeme, die flexibel mit den Anforderungen wachsen können, werden dabei eine immer entscheidendere Rolle spielen.

Bildergalerie

  • Das ARINC-600-konforme Gehäuse des IFE-Servers von MEN schützt die Elektronik vor Staub und ermöglicht eine sehr gute thermische Anbindung.

    Das ARINC-600-konforme Gehäuse des IFE-Servers von MEN schützt die Elektronik vor Staub und ermöglicht eine sehr gute thermische Anbindung.

    Bild: MEN Mikro Elektronik

  • Der Innenraum des IFE-Servers ist dank der Backplane und der Anordnung der CompactPCI-Serial-Karten kabellos und deswegen sehr übersichtlich.

    Der Innenraum des IFE-Servers ist dank der Backplane und der Anordnung der CompactPCI-Serial-Karten kabellos und deswegen sehr übersichtlich.

    Bild: MEN Mikro Elektronik

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