Entwicklungstools & Prototyping MES in der Elektronikfertigung

MPDV Mikrolab GmbH

Bild: Hekatron
13.06.2014

Die Elektronikindustrie stellt an die Fertigungs-IT besondere Anforderungen. Dazu gehören neben der Integration hochtechnisierter Anlagen auch ein hohes Datenaufkommen sowie komplexe Datenverarbeitungsprozesse. Ein geeignetes Manufacturing-Execution-System muss in der Elektronikfertigung neben gängigen Standardaufgaben auch die Besonderheiten der Leiterplattenbestückung berücksichtigen.

Manufacturing-Execution-Systeme (MES) unterstützen Produktionsbetriebe durch das Erfassen und Auswerten fertigungsrelevanter Daten. Durch die vertikale Integration bilden sie die Brücke zwischen der zeitkritischen Fertigung und dem langfristig planenden Enterprise-Resource-Planning(ERP)-System. Der Austausch zwischen Produktionsebene und MES muss in Echtzeit erfolgen, um sowohl eingesetztes Material als auch den aktuellen Maschinenstatus oder weitere Ressourcen wie Werkzeuge und Hilfsmittel stets aktuell im Blick zu behalten. Die horizontale Integration sorgt für eine schnittstellenfreie Verbindung aller IT-Anwendungen in der Fertigung. Im Gegensatz zu Insellösungen, die aufwendig miteinander verknüpft werden müssen, bietet ein integriertes MES alles in einem: Die zentrale Datenhaltung ermöglicht eine beliebige Korrelation der Daten und einen ganzheitlichen Blick auf die Produktion.

Grundsätzlich können MES in nahezu jeder Branche eingesetzt werden. Dies ist von Vorteil, da beispielsweise die Leiterplattenbestückung zwar ein zentraler Prozess in der Elektronikfertigung ist, oft aber nicht ohne Zusammenspiel mit anderen Fertigungsschritten wie zum Beispiel dem Spritzguss oder der Metallverarbeitung betrachtet werden kann. Daher ist der Einsatz eines branchenübergreifenden MES-Systems, dem einer Nischenlösung vorzuziehen. Nur so ist eine ganzheitlichen Fertigungsplanung und -steuerung möglich.

Fokus auf Leiterplattenbestückung

In der Elektronikfertigung muss eine MES-Lösung mit spezifischen Herausforderungen umgehen können. Die Leiterplattenbestückung ist dadurch charakterisiert, dass viele Bauteile unterschiedlicher Hersteller automatisiert in hoher Geschwindigkeit – oftmals mehr als 100.000 Bauteile je Stunde – auf einer Leiterplatte bestückt werden. Dabei ist mit einem hohen Datenaufkommen zu rechnen, da für jedes Bauteil der Einbauplatz und weitere für die Rückverfolgbarkeit relevante Daten erfasst werden. Zudem ist die Materialbestandsführung aufwendig, da elektronische Bauteile teilweise dynamischen Verfallzeiten (Moisture Sensitive Level – kurz MSL) unterliegen. Durch die diffusionsoffene Bauweise der Bauelemente reagieren sie empfindlich auf Feuchtigkeit, was beim Verarbeiten berücksichtigt werden muss. Der MSL gibt an, in welchem Zeitraum das Bauteil nach Öffnung der luftdichten Verpackung verbaut werden muss. Dies ist mit enormem Planungs- und Überwachungsaufwand verbunden – schließlich sollen die Verwurfskosten möglichst niedrig sein. Ohne softwareseitige Unterstützung ist eine effiziente Leiterplattenbestückung somit fast nicht möglich. Zudem haben bisher nur wenige Nischenanbieter die Anbindung von Bestückungsautomaten an MES realisiert. Sowohl für die Abbildung der dynamischen Verfallzeiten als auch in Hinblick auf die Bestückung der Kommissionierwägen bis hin zur Rückverfolgbarkeit (Traceability) ist die Identifikation, Verwaltung und Auswertung von Material in der Elektronikindustrie ein entscheidender Faktor. Eine integrierte MES-Lösung kombiniert daher idealerwiese übergreifende Standard-Funktionen und Anforderungen der Elektronikbranche, um die Prozesse in der Leiterplattenbestückung optimal unterstützen zu können.

Zum Optimieren von Rüstzeiten kommen in der Elektronikfertigung so genannte Kommissionierwägen zum Einsatz. Für deren Nutzung ist zum einen die Bestandverwaltung mit den dynamischen Verfallzeiten der Bauteile (MSL) und zum anderen deren Korrelation zu den Aufträgen wichtig. Je nach Auftragsvorrat wird unterschiedliches Einsatzmaterial benötigt. Ein MES ermöglicht, die Verfügbarkeit des benötigten Materials über die Bestandsverwaltung zu prüfen und daraufhin geeignetes Material für die Kommissionierung freizugeben.

Anbindung Bestückungsautomaten

Ein zentrale Aufgabe, der ein MES in der Leiterplattenbestückung begegnet, ist die Anbindung von Bestückungsautomaten. Über eine leistungsfähige Schnittstelle muss das MES die im Automaten generierten Daten auslesen und zur weiteren Verarbeitung im MES aufbereiten. Am Beispiel der Rückverfolgbarkeit wird deutlich, welche Informationsprozesse ineinander greifen: Kommissionierwägen werden mit Bauteilrollen bestückt, der Verbrauch und die Zuordnung des Einsatzmaterials zum Einbauplatz wird im Bestückungsautomaten geregelt. Die Charge der Rolle und die Zuordnung zum Auftrag sind dem MES bekannt, die eindeutige Zuordnung des einzelnen Bauteils erfolgt erst mit Hilfe der ausgelesenen Daten aus dem Bestückungsautomat. Letztendlich stellt das MES die Rückverfolgbarkeit der einzelnen Bauelemente sicher, da hier alle relevanten Daten in einem System zusammenlaufen.

Erfassung von Prozessdaten

Das MES muss außerdem in der Lage sein, Prozessdaten zu überwachen. Dabei sind unter anderem der Feuchtigkeitsgehalt der Luft oder die Temperatur innerhalb des Bestückungsautomaten wichtige Parameter. Durch die Überwachung im MES können Bauelemente, die ungünstigen Umgebungsbedingungen ausgesetzt waren, rechtzeitig aussortiert oder die Bestückung abgebrochen werden – Prozessverriegelung. Auch in einem nachgelagerten Prozessschritt kann beispielsweise in einem Reflow-Lötofen die Temperatur überwacht werden, um sicherzustellen, dass die Bauelemente beim Löten nicht durch zu hohe Temperaturen beschädigt werden. Zudem leidet die Qualität der Lötstellen bei übermäßigen Temperaturschwankungen. Durch die Überwachung der Prozessdaten wird sichergestellt, dass die Bauelemente einwandfrei verarbeitet werden. Das reduziert sowohl den Ausschuss als auch die Kosten und erhält somit den Qualitätsstandard.

Die Elektronikbranche braucht die ausgewogene Kombination: Ein Standard-MES-System mit speziell auf die Elektronikindustrie abgestimmten Funktionalitäten. Eine Schnittstelle zu Bestückungsautomaten stellt sicher, dass die während des Bestückvorgangs entstandenen Daten vom MES ausgelesen und dort weiterverwendet werden können. Damit sind Auswertungen korreliert zu Materialverbrauch nach Auftrag oder je Maschine erst durchführbar. Dadurch wird die Umsetzung spezieller Anforderungen wie MSL, die Verwaltung von Kommissionierwägen und die Rückverfolgbarkeit der Bauelemente möglich. Nur so wird eine effiziente Leiterplattenbestückung sichergestellt.
Weitere Informationen zu MPDV Mikrolab finden Sie im Business-Profil auf der Seite 61.

Bildergalerie

  • Abbildung 1: Bei der grafischen Losverfolgung im MES Hydra ist auf einen Blick erkennbar, auf welchen Leiterplatten Bauteile einer bestimmten Charge verbaut sind.

    Abbildung 1: Bei der grafischen Losverfolgung im MES Hydra ist auf einen Blick erkennbar, auf welchen Leiterplatten Bauteile einer bestimmten Charge verbaut sind.

    Bild: MPDV, Hekatron

  • Abbildung 2: Drei SMD-Bestückungslinien sorgen bei Hekatron für enormes Datenaufkommen. Jährlich werden etwa 300 Millionen Bauteile auf 3 Millionen Flachbaugruppen verarbeitet.

    Abbildung 2: Drei SMD-Bestückungslinien sorgen bei Hekatron für enormes Datenaufkommen. Jährlich werden etwa 300 Millionen Bauteile auf 3 Millionen Flachbaugruppen verarbeitet.

    Bild: Hekatron

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