Simulation des Inneren von Eisplaneten Nanodiamanten aus Flaschenplastik

Beim Durchführen des Experiments konnten die Wissenschaftler feststellen, dass sich unter dem Extremdruck winzige Diamanten bildeten.

Bild: Blaurock/HZDR
13.09.2022

Was geht im Zentrum von Planeten wie Neptun und Uranus vor? Um das herauszufinden, hat ein internationales Team unter Leitung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Universität Rostock und der französischen École Polytechnique ein neuartiges Experiment durchgeführt: Es beschoss eine dünne Folie aus simplem PET-Plastik mit einem Laser und untersuchte das Geschehen mit intensiven Röntgenblitzen. Aus dem Ergebnis der Versuche konnte man zwei wichtige Schlüsse ziehen.

Die Verhältnisse im Inneren von Eisplaneten wie Neptun und Uranus sind extrem: Es herrschen Temperaturen von mehreren tausend Grad Celsius, der Druck ist millionenfach größer als in der Erdatmosphäre. Dennoch lassen sich solche Zustände im Labor kurzzeitig simulieren: Starke Laserblitze treffen auf eine folienartige Materialprobe, erhitzen sie für einen Wimpernschlag auf bis zu 6.000 °C und erzeugen eine Schockwelle, die die Materie für einige Nanosekunden auf das Millionenfache des Atmosphärendrucks komprimiert.

„Bislang haben wir solche Versuche mit Folien aus Kohlenwasserstoffen gemacht“, erläutert Dominik Kraus, Physiker am HZDR sowie Professor an der Universität Rostock. „Dabei konnten wir feststellen, dass sich unter dem Extremdruck winzige Diamanten bilden, sogenannte Nanodiamanten.“

Allerdings ließ sich mit diesen Folien das Planeteninnere bisher nur ansatzweise simulieren. Denn Eisplaneten enthalten nicht nur Kohlenstoff und Wasserstoff, sondern auch Unmengen Sauerstoff. Bei der Suche nach einem geeigneten Folienmaterial fiel die Wahl auf einen Allerweltsstoff: PET – jenem Kunststoff, aus dem simple Plastikflaschen bestehen. „Bei PET liegen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff in einem guten Verhältnis vor, um die Geschehnisse in Eisplaneten zu simulieren“, erklärt Dominik Kraus.

Die Versuche führte das Team am SLAC National Accelerator Laboratory in Kalifornien durch. Dort steht mit der Linac Coherent Light Source (LCLS) ein starker, beschleunigerbasierter Röntgenlaser. Mit ihm lässt sich analysieren, was beim Auftreffen von intensiven Laserblitzen auf eine PET-Folie passiert. Dabei setzten die Fachleute zwei Messverfahren gleichzeitig ein: Per Röntgenbeugung prüften sie, ob sich Nanodiamanten bildeten. Und mit der sogenannten Kleinwinkelstreuung konnten sie beobachten, wie schnell und auf welche Größe die Diamanten wuchsen.

Sauerstoff als wichtiger Helfer

Das Ergebnis: „Durch seinen Einfluss hat der Sauerstoff die Trennung von Kohlenstoff und Wasserstoff beschleunigt und damit die Entstehung der Nanodiamanten gefördert“, berichtet Dominik Kraus. „Dadurch konnten die Kohlenstoffatome besser zusammenfinden und Diamanten bilden.“ Das erhärtet die Vermutung, dass es im Inneren von Eisriesen buchstäblich Diamanten regnet. Die Resultate dürften nicht nur für Uranus und Neptun relevant sein, sondern auch für unzählige weitere Planeten in unserer Galaxis. Denn hielt man früher solche Eisriesen für rare Exoten, scheint mittlerweile klar, dass es sich um die häufigste Planetenform außerhalb des Sonnensystems handeln dürfte.

Außerdem stieß das Team auf einen weiteren Hinweis: Gemeinsam mit den Diamanten sollte auch Wasser entstehen – allerdings in einer ungewöhnlichen Variante: „Es sollte sich sogenanntes superionisches Wasser gebildet haben“, vermutet Kraus. „Dabei formen die Sauerstoffatome ein Kristallgitter, in dem sich Wasserstoffkerne frei bewegen.“

Da die Kerne elektrisch geladen sind, kann superionisches Wasser elektrische Ströme leiten und so zur Bildung des Magnetfelds der Eisriesen beitragen. Allerdings konnte die Arbeitsgruppe bei ihren Experimenten die Existenz von superionischem Wasser in der Mischung mit Diamanten noch nicht zweifelsfrei belegen. Das soll künftig in enger Zusammenarbeit mit der Universität Rostock am European XFEL in Hamburg geschehen, dem stärksten Röntgenlaser der Welt. Dort führt das HZDR das internationale Nutzerkonsortium HIBEF an, das ideale Bedingungen für solche Versuche bieten wird.

Präzisionsfabrik für Nanodiamanten

Neben diesen eher grundlegenden Erkenntnissen eröffnet das neue Experiment aber auch Perspektiven für eine technische Anwendung – die gezielte Herstellung von nanometerkleinen Diamanten. Bereits heute werden solche Nanodiamanten in Schleif- und Poliermitteln verwendet. Künftig sollen sie als hochempfindliche Quantensensoren, medizinische Kontrastmittel sowie effiziente Reaktionsbeschleuniger etwa zur Spaltung von CO2 dienen. „Bisher werden solche Diamanten hauptsächlich per Sprengstoff-Detonation hergestellt“, erläutert Kraus. „Mit Hilfe von Laserblitzen könnten sie sich künftig deutlich sauberer fertigen lassen.“

Die Vision: Ein Hochleistungslaser feuert zehnmal pro Sekunde Lichtblitze auf eine PET-Folie, die im Zehntel-Sekunden-Takt durch den Strahl gerastert wird. Die bei der Reaktion entstehenden Nanodiamanten fliegen wie Geschosse aus der Folie heraus und landen in einem Auffangbecken gefüllt mit Wasser. Dort werden sie abgebremst und können anschließend gefiltert und regelrecht geerntet werden. Der wesentliche Vorteil des Verfahrens gegenüber der Produktion per Sprengstoff: „Damit ließen sich Nanodiamanten gezielt maßschneidern, etwa was ihre Größe oder auch eine Dotierung mit Fremdatomen betrifft“, betont Dominik Kraus. „Denn mit dem Röntgenlaser besitzen wir ein Labor-Werkzeug, mit dem sich das Größenwachstum der Diamanten genau kontrollieren lässt.“

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